———— 419 —— angeboten, ſondern nur dunkel angedeutet. Iſt den Anträgen der Straßenbahngeſellſchaften bei dieſer Lage der Sache nicht mit Fug und Recht vorzuwerfen, daß ſie Vermögensvorteile auf Koſten Dritter zu Unrecht begehren, das heißt, daß ſie aus Mitteln der Gemeinden die be⸗ abſichtigten koſtſpieligen Tunnel⸗ bauten ausführen wollen? Läßt ſich daher nicht behaupten, daß bei dieſer Sachlage nichts geſchehen darf, was das Übernahmerecht und den Eigenbetrieb vereiteln oder erſchweren könnte! Wir bejahen dies vom Standpunkt der reinen Billigkeit und des öffentlichen Intereſſes unbedingt. Sind dies alles Betrachtungen, welche vom Standpunkt der Selbſtverwaltung zu dem Ergebnis drängen, daß, wenn bauliche Unternehmungen im Sinne der Tunnelprojekte der Straßenbahnen nötig ſind, dieſe von den beteiligten Gemeinden ſelbſt auszuführen ſind, ſo ſprechen weiter allgemeine Erwägungen der vorſichtigen Fürſorge dagegen, in der beantragten Form den Straßenbahngeſell⸗ ſchaften die Mittel für ihre Tunnelprojekte vor⸗ zuſtrecken. Hierbei wird ganz davon abgeſehen, daß bei einem Erfolg der jetzt beantragten Zu⸗ ſtimmungsergänzung infolge des wechſelnden und wachſenden Verkehrsbedürfniſſes die Ausſicht auf eine Verewigung der Betriebserlaubnis der Straßenbahngeſellſchaft eröffnet wird. Es wird vielmehr lediglich eine Zeitdauer von 90 Jahren berückſichtigt. Bei dem rapiden Fortſchritt der Technik, insbeſondere der Verkehrstechnik, iſt ſchon dieſe Friſt eine ſo gewaltige Spanne Zeit, daß über ſie verſtändigerweiſe im Intereſſe eines Behelfs zur Entlaſtung von Straßen nicht durch völlige Ausſchaltung der Selbſtverwaltung auf dem Gebiete des Straßenbahnverkehrs verfügt werden darf. Man vergegenwärtige ſich das Verkehrsweſen Berlins vor 90 Jahren, alſo im Jahre 1818 und vergleiche es mit dem der Gegenwart, um zu er⸗ kennen, welcher Schritt mit der Verleihung eines 90 jährigen Betriebsrechts an ein Straßenbahn⸗ unternehmen getan wird. Gegen dieſen Hinweis kann nicht ins Feld geführt werden, daß auch der Geſellſchaft für elektriſche Hoch⸗ und Untergrund⸗ bahnen die Zuſtimmung zum Untergrundbahn⸗ betriebe für den Zeitraum von 90 Jahren erteilt iſt. Ein Untergrundbahnunternehmen iſt ein ſelbſt⸗ ſtändiges, in ſich abgeſchloſſenes Unternehmen, das die allgemeinen Verkehrsbeziehungen nur auf beſchränktem räumlichen Gebiet betrifft. Die Straßenbahnunternehmungen der antrag⸗ ſtellenden Geſellſchaften beherrſchen den Geſamt⸗ verkehr von Groß⸗Berlin. Sie verzweigen ſich in alle Richtungen und alle Winkel. Sie haben deshalb vom Standpunkt des allgemeinen Verkehrs eine ungleich größere Bedeutung als ein Untergrund⸗ bahnunternehmen. Die Straßenbahnunterneh⸗ mungen greifen ferner in den übrigen Verkehr auf den Straßen ein, was bei einer Untergrundbahn nicht der Fall iſt. Mit der Einräumung eines neunzigjährigen Betriebsrechts wird ein Blanko⸗ wechſel auf den Verkehr der Zukunft gezogen, der zu den ſchwierigſten Verkehrslagen und anderen bedenklichen Erſcheinungen führen muß. Hier muß gleich ein weiterer Einwand vorweggenommen werden, der zur Zerſtreuung von Befürchtungen dienen könnte, das iſt der Einwand, daß durch Ein⸗ räumung von Erwerbsrechten vor Ablauf der Zuſtimmungsdauer den Abſichten der Gemeinden auf Übernahme der Straßenbahnunternehmungen entgegengekommen werden könnte. Dieſer Ein⸗ wand iſt bedeutungslos. Derartige Erwerbsrechte ſind nach Ausführung von koſtſpieligen Anlagen und Einräumung einer neunzigjährigen Betriebsge⸗ nehmigung wirtſchaftlich nicht realiſierbar, wenn ſie als Erwerbspreis die Abgeltung des vorhandenen Betriebswertes, nicht des reinen Sachwertes voraus⸗ ſetzen. Durch die Einräumung des langen Betriebs⸗ rechts wird der Betriebswert ungemeſſen geſteigert. Dieſe ungeheure Steigerung des Betriebswertes, die auf der Länge der Zuſtimmung baſiert, muß gleichfalls zur Erkenntnis führen, daß es ein un⸗ verzeihlicher Fehler wäre, unter Preisgabe be⸗ ſtehender Vertragsrechte die Betriebserlaubnis zu erteilen, um ſie ſpäter unter ungemeſſenen Opfern auf Koſten des verkehrenden Publikums wieder abzulöſen, oder, anders ausgedrückt, um das Unter⸗ nehmen zu erwerben. Würde jedoch, was bei der einſeitigen Hergabe der Mittel für die Tunnel⸗ projekte durch die Gemeinden allein als angemeſſen zu bezeichnen wäre, lediglich der Sachwert als Gegenleiſtung zugrunde gelegt, ſo läßt ſich ſchon jetzt überſehen, daß auf dieſe Regelung des Er⸗ werbsrechtes die Geſellſchaften freiwillig nicht ein⸗ gehen werden. Gegen die Erteilung einer neunzigjährigen Betriebserlaubnis an ein privates Straßenbahn⸗ unternehmen ſpricht ferner folgender kommunal⸗ politiſcher Geſichtspunkt. Die Straßenbahnunter⸗ nehmungen ſind, wenn auch nicht formell juriſtiſch, ſo doch wirtſchaftlich Teile einer großen Kapitals⸗ aſſoziation. Sie werden vom Großkapital unter⸗ ſtützt und getragen. Bei dem Ausdehnungs⸗ bedürfnis der Wirkſamkeit des Großkapitals, ins⸗ beſondere ſoweit es von den Banken repräſentiert wird, hat ſich dies in letzter Zeit mit beſonderem Intereſſe auf das Grundſtücksgeſchäft in Groß⸗ Berlin geworfen und betreibt dies in der Form der Terraingeſellſchaften. Der Widerſtreit der Inter⸗ eſſen der verſchiedenen Kapitalgruppen, der ſich auch auf dem Gebiet des Grundſtückshandels äußert, iſt ein offenes Geheimnis. Es bedarf keines weiteren Hinweiſes, welche Bedeutung für das intereſſierte Großkapital die Verbindung des Einfluſſes auf das Grundſtücksgeſchäft und die Verkehrsmittel gewinnt, wenn die Rechte auf die Beherrſchung des Verkehrs dem Privatunternehmen für die Dauer von 90 Jahren gewährt werden. Für die Selbſtverwaltung der Gemeinden, ſowie für die Entwicklung der Grund⸗ und Bodenfrage iſt dieſe Privilegierung des Privatkapitals von ernſteſter Bedeutung. Wir machen auf dieſen Geſichtspunkt, zu dem wir Illuſtrationen ſchon heute beifügen könnten, beſonders aufmerkſam. Er legr den Umfang der Verantwortung dar, der in dem Entſchluß liegt, ein Recht auf neunzigjährigen Betrieb einem Privatunternehmen einzuräumen. Schließlich iſt gerade vom Standpunkt des Intereſſes der Vorortgemeinden ein beſonders ſchweres Bedenken gegen das Unternehmen zu richten. Dieſes Bedenken betrifft die angeſtrebte Tarifänderung, welche als eine Vorausſetzung für das Tunnelunternehmen angeſprochen wird. Die Entwicklung der Vorortgemeinden beruht, wie notoriſch iſt, auf der Verkehrsverbindung mit Berlin. Die billige Beförderung des Publikums iſt hierbei eine nicht fortzudenkende Bedingung für eine günſtige Verkehrsentwicklung. Es iſt deshalb überall das Beſtreben der Gemeindevertretungen