558 —— Erſatz dafür erhalten konnten, vom 27. Februar d. I. Verein „Jugendheim“ nach ſorgfältiger Vorbe⸗ ab an allen Wochentagen, auch während der Ferien, ein warmes Mittageſſen verabreichen ließen, vor⸗ behaltlich der Nachprüfung der häuslichen Ver⸗ hältniſſe. Dadurch iſt die Anzahl der täglich veraus⸗ gabten Mittagsportionen von 100 auf etwa 300 geſtiegen. Die Lieferung war zunächſt dem Vaterländi⸗ ſchen Frauen⸗Verein mit 100 und dem Verein „Jugendheim“ mit 200 Portionen übertragen. Da der Vaterländiſche Frauen⸗Verein den Wunſch hatte, mit Rückſicht auf notwendige Bauarbeiten in der Volksküche die Speiſung vorläufig nicht fort⸗ zuſetzen, wurde die geſamte Speiſung vom 13. April ab dem Verein „JIugendheim“ allein übergeben; gleichzeitig wurde beſchloſſen, die Speiſung auch während der Sommermonate fortzuſetzen. Inzwiſchen war im Etatsausſchuß für 1908 über den Stand der Angelegenheit mündlich Mit⸗ teilung gemacht und daraufhin beſchloſſen worden, der Stadtverordneten⸗Verſammlung zu empfehlen, ſich mit der Weiterführung der Schulſpeiſung auf der dargelegten Grundlage einverſtanden zu er⸗ klären, mit Rückſicht auf die noch nicht genügend geklärte Sachlage von einer Erhöhung der Etats⸗ mittel aber zunächſt abzuſehen, vielmehr eine ſpätere Vorlage des Magiſtrats abzuwarten (Druck⸗ ſachen Seite 185). Geſtützt auf die Forſchungen der modernen Ernährungskunde und in Übereinſtimmung mit unſerem hygieniſchen Sachverſtändigen wurde der Speiſezettel vom 27. Februar d. I. ab dahin ver⸗ einfacht, daß ſtatt der bisher täglich gereichten Fleiſchnahrung nur noch zweimal in der Woche Fleiſch — etwa 70 gr für jedes Kind — und an den andern Tagen ein kräftiges und ſchmackhaftes Ge⸗ müſegericht vorgeſehen wurde. Durch die hiermit verbundene Herabſetzung des Einheitsoreiſes für die Mittagsportion von 30 auf 15 wurde gleich⸗ zeitig erreicht, daß mit den gleichen Mitteln die doppelte Anzahl von Kindern geſpeiſt werden konnte. Eine Anzahl der dargebotenen Gerichte wurde ferner durch Vermittlung des „Jugend⸗ heims“ im Laboratorium des Profeſſors Dr Rubner auf ihren Nährwert unterſucht. Die Unterſuchung hat ergeben, daß die Zuſammenſetzung der Speiſen zweckmäßig iſt Nur wurde es als wünſchenswert bezeichnet, daß die Mahlzeiten konſiſtenter — mehr breiartig — geſtaltet würden. Dieſem Verlangen wird entſprochen werden; einmal wird der Verein „Jugendheim“ jetzt, nachdem der Umfang und die dauernde Beibehaltung der Einrichtung feſtſteht, in der Lage ſein, die Rohſtoffe zu weſentlich günſti⸗ geren Bedingungen einzukaufen, wodurch allein ſchon eine Verbeſſerung der Nahrung um etwa 20% möglich ſein wird Sodann haben wir be⸗ ſchloſſen, dem Verein diejenigen Koſten vom 1. Dezember ab zu erſtatten, die durch die Leitung des Speiſungsbetriebes, insbeſondere auch durch das Recherchenweſen, wovon noch die Rede ſein wird, ſowie durch den Betrieb der erforderlichen Nebenſtellen, beſonders entſtehen. Da die Ver⸗ gütung für dieſe Verwaltungseinrichtungen bisher in dem Einheitsſatze von 15 9 enthalten war, ſo hoffen wir durch jene Maßnahmen eine Ver⸗ beſſerung des Gehalts der Mahlzeiten um 33%, zu erzielen, womit den Forderungen der Hygiene voll genügt ſein wird Um das Verfahren der Aufnahme der Kinder auf eine zuverläſſige Grundlage zu ſtellen, hat der reitung des Verfahrens einen Recherchedienſt ein⸗ gerichtet. Zur Einziehung der Erkundigungen in den Familien haben ſich von jeder Schule einige Lehrkräfte dem Verein bereitwillig zur Verfügung geſtellt. In gemeinſamer Beratung mit den dies⸗ ſeitigen Vertretern ſind alsdann für die Aufnahme der Kinder in die Schulſpeiſung die folgenden Grundſätze aufgeſtellt: 1. Die Gewährung von Mittageſſen ſoll aus⸗ geſchloſſen ſein, wenn der Verdienſt der Familie ein ausreichender iſt und die Mutter oder eine ſonſtige Perſon regelmäßig ein genügendes Mittageſſen zubereitet. 6 2. Wenn der Verdienſt der Familie ein aus⸗ reichender iſt, ein genügendes Mittageſſen gleich⸗ wohl aus mangelnder Fürſorge der Mutter uſw. nicht zubereitet wird, ſoll zunächſt ſeitens des mit den Recherchen Beauftragten verſucht werden, durch Belehrungen Abhilfe zu ſchaffen. Bleibt dieſes Mittel erfolglos, ſo iſt die Schul⸗ ſpeiſung, jedoch erſt nach Berückſichtigung aller bedürftigeren Kinder, vorzuſchlagen. Alsdann iſt aber die Einziehung eines angemeſſenen Beitrages mit Nachdruck zu betreiben. Bei der hier nötigen individuellen Prüfung des einzelnen Falles wird auch beſonders der Geſundheitszuſtand der betreffenden Kinder in Betracht zu ziehen ſein. 3. Erhalten Kinder armer Eltern uſw. lediglich infolge deren Bedürftigkeit kein ausreichendes Mittageſſen, ſo iſt in der Regel der Ausſchluß von der Speiſung unter Erhöhung der etwa gewährten öffentlichen Armenunter⸗ ſtützung nicht in Ausſicht zu nehmen, ſondern die Kinder ſind zu ſpeiſen, da die Gewährung der ausreichenden Verpflegung in Natur unmittelbar an die Kinder der immerhin unbeſtimmten Aus⸗ ſicht auf Verbeſſerung der häuslichen Nahrung vorzuziehen iſt. Für die Vornahme der hiernach erforderlichen Feſtſtellungen iſt ein ausführlicher Fragebogen aus⸗ gearbeitet, der in jedem Falle die Unterlage für die Beurteilung des Speiſungsbedürfniſſes des Kindes bildet. Ein Muſter befindet ſich Blatt 122 der Akten, Band II. Die Aufnahme eines Kindes in die Schul⸗ ſpeiſung vollzieht ſich jetzt in der Weiſe, daß der Klaſſenlehrer — durch den Rektor — einen Frage⸗ bogen mit Namen und Wohnung ſowie mit der Angabe des Geſundheitszuſtandes des Kindes dem Verein „Jugendheim“ überſendet. Nachdem von hier aus mit Hilfe eines der erwähnten Lehrer die häuslichen Verhältniſſe des Kindes erkundet worden ſind, beſchließt eine aus der Vorſitzenden des Vereins und einigen Lehrkräften gebildeten Kommiſſion über die Aufnahme und überſendet der Schule eine bezügliche Mitteilung. Dieſe Mitteilung wird bei der Stammliſte des betr. Kindes aufbewahrt, im Falle der Zulaſſung wird noch der Geſundheits⸗ ſchein mit einem entſprechenden Vermerk ver⸗ ſehen. Auf dieſe Weiſe ſind Schule und Schularzt ſtändig über die geſpeiſten Kinder unterrichtet. Dieſe Recherchen in den Familien bieten einerſeits die Gewähr, daß tatſächlich alle der Speiſung bedürftigen Kinder ermittelt und berück⸗ ſichtigt werden können und anderſeits einem Miß⸗ brauch der Schulſpeiſung vorgebeugt wird.