— 532 — Im Frühjahr des Jahres 1907 machte der Magiſtrat der Stadtverordnetenverſammlung die Vorlage, „die Verſammlung möge den Magiſtrat ermächtigen 1. einen neuen Vertrag mit der Preußiſchen National⸗ Verſicherungs⸗ Geſellſchaft auf 5 Jahre vom 1. April 1907 bis 1. April 1912 abzuſchließen, . vom 1. April 1907 ab zunächſt auf 5 Jahre zum Zwecke der ſpäteren Einführung der Selbſtverſicherung jährlich 20 000 ℳ nebſt den aufkommenden Zinſen zu einem Fonds anzuſammeln.“ Die Verſammlung nahm zwar den Antrag zu 1 an, lehnte jedoch den zweiten Antrag ab. Aus den Verhandlungen ergibt ſich folgendes: Es handelt ſich um ein Geſamtobjekt von 25 000 000 Mark, für das eine Jahresprämie von 20 000 ℳ zu zahlen iſt. Mit Rückſicht auf die Vorzüglichkeit der ſtädtiſchen Feuerwehr, und da es ſich in der Hauptſache um ein verhältnismäßig geringes Riſiko handele und außerdem ſeit einer Reihe von Jahren nur unbedeutende Brände ausgekommen ſeien, glaubte der Magiſtrat dieſe Summe ſparen zu können. Er wollte deshalb im Laufe der Jahre ſelbſt einen Feuerverſicherungsfonds von 100— 120 000 ℳ. ſammeln. Um dieſe Selbſtverſicherung allmählich durchzuführen, waren durch eine be⸗ ſondere Kommiſſion diejenigen Objekte heraus⸗ geſucht worden, die als am wenigſten der Feuers⸗ gefahr ausgeſetzt zunächſt in Betracht kamen. Dieſe umfaßten 20 000 000 ℳ. Doch lehnte daraufhin die Preußiſche Nationalverſicherung es ab, die 5 000 000 ℳ umfaſſenden Reſtobjekte weiter zu verſichern, da in ihnen gerade das größte Riſiko der Feuersgefahr läge. Sie machte aber den Vorſchlag, bei Fortlauf der ganzen Verſicherung in Zukunft einen Jahresrabatt von 7 % 1 600 ℳ auf die gezahlte Prämie zu gewähren. Die Finanz⸗Kommiſſion erkannte das Verlangen der National⸗Verſicherungs⸗Geſellſchaft auf die Ver⸗ ſicherung ſämtlicher Werte nicht an, glaubte aber anderſeits, daß die ausgewählten Objekte von 20 000 000 ℳ zu weit gingen, denn zu ihnen gehörten auch Gebäude, wie Schlacht⸗ und Viehhof, Gasanſtalt uſw., die doch immer ein bedeutendes Riſiko darſtellten. Zweckmäßig ſei es, nur die⸗ jenigen Objekte abzuzweigen, die gar keine oder aber nur eine ſehr geringe Feuersgefahr böten, wie Schulen uſw. Für ſie brauche gar kein Reſerve⸗ fonds angeſammelt zu werden. Die Finanz⸗ Kommiſſion beantragte daher, die Verlängerung des bisherigen Vertrages um 5 Jahre anzunehmen, den Reſt der Vorlage aber abzulehen. Unter Zuſtimmung zu dieſen Ausführungen wurde trotz der Befürwortung der Magiſtratsvorlage durch den Referenten, welcher für die Selbſtverſicherung in ausgedehntem Maße eintrat, der zweite Teil der Magiſtratsvorlage abgelehnt. 10 Branddirektor. Auf der Grundlage des bisher zuſammen⸗ getragenen Materials wurde nunmehr der Brand⸗ direktor zur Außerung über die Frage der Selbſt⸗ verſicherung aufgefordert. Die Antwort vom 9. Januar 1908 lautet wie folgt: „Aus den vorliegenden Ermittlungen geht hervor, daß der Gedanke der Selbſtverſiche⸗ rung in faſt allen Großſtädten verfolgt wird. Es unterliegt keinem Zweifel, daß ſich die Selbſtverſicherung bewähren muß, ſobald die Summe der Verſicherungswerte eine gewiſſe Höhe erreicht hat, oder ſobald die Stadtgemeinſchaft ſo groß geworden iſt, daß durchſchnittlich wenigſtens die Brandſchäden aus der Anſammlung der nicht gezahlten Prämien uſw. gedeckt werden können. Die erforderliche Höhe der Verſicherungs⸗ werte wird ſich für die Städte verſchieden ſtellen; ſie iſt namentlich abhängig von dem Alter der Stadt, von der Art der Bebauung, von der Bauart, von dem Vorhandenſein beſonders feuergefährlicher Betriebe und von den vorgehaltenen Löſcheinrichtungen. Alte Städte haben alte wenig feuerſichere Bauten und Betriebe; kleine Brände in ihnen führen oft — trotz der ſpäter eingerichteten beſten Feuerwehr — zur völligen Vernichtung ganzer Gebäude (z. B. Alte Börſe⸗Bremen 1888). Die Dichtigkeit der Bebauung und die Bauart ſind mächtige Faktoren für die Feuerſicherheit der Stadt und des ſtädtiſchen Eigentums. Würden die heute beſtehenden Erfahrungen hinſichtlich feuerſicherer Be⸗ bauung und feuerſicherer Bauart gehörig berückſichtigt, ſo können beim Vorhandenſein angemeſſener Feuerlöſcheinrichtungen (Waſſer⸗ verſorgung und Feuerwehr) alle vorkommen⸗ den Brände auf ihren Herd beſchränkt und damit der Schaden auf das kleinſte Maß gebracht werden. Charlottenburg iſt eine junge, neu er⸗ ſtandene Stadt, die Bauart der ſtädtiſchen Bauten und Anlagen iſt — abgeſehen von der feuergefährlichen Gasanſtalt II1 — als ge⸗ nügend feuerſicher zu bezeichnen, die er⸗ forderlichen Löſcheinrichtungen ſind vorhan⸗ den, und der jetzt verſicherte Wert beträgt etwa 50 000 000 ℳ.. Wird die Gasanſtalt I11 nach meinem in Abſchrift beigefügten Gut⸗ achten vom 10. Dezember 1907 — XIV b 650/07 — in baulicher Hinſicht auf diejenige Feuerſicherheit gebracht, die erforderlich iſt, um erhebliche Störungen in der Gasfabri⸗ kation zufolge von Schadenfeuern auszu⸗ ſchließen, ſo ſind m. E. alle Vorbedingungen erfüllt, die für eine Selbſtverſicherung — und zwar ſowohl der Mobilien als der Immobilien — zu ſtellen ſind. Ich bin überzeugt, daß die jetzt allein für die Gas⸗ anſtalt gezahlte hohe Prämie ausreichen wird, um alle Brandſchäden zu decken und tann mich daher nur für gänzliche Selbſtverſicherung ausſprechen.“ Elektrizitäts⸗ Deputation. Im Anſchluß daran äußerte ſich demnachſ t die Deputation für das Elektrizitätswerk wie folgt: „Urſchriftlich mit 1 Heft und 1 Anlage der Stelle X mit dem Bemerken zurückgeſandt, daß es ſich nach den Ausführungen des Brand⸗ direktors Bahrdt vielleicht empfehlen dürfte, die Selbſtverſicherung einzuführen. Bezüglich des Elektrizitätswerks weiſen wir auf die Beſtimmungen des drittletzten Abſatzes der Verſicherungspolice und auf die mit dem Betriebe des Werls verbundenen Gefahren hin.