2. Sitzung. Verhandelt Charlottenburg, den 15. Dezember 1909. Anweſend: Stadtv. Otto, Vorſitzender, Stadtv. Bollmann, Dr Borchardt, Dr Flatau, Dr Frentzel, Hirſch, Jaſtrow, Kern, Meyer, Protze, Dr Röthig, Zietſch. Seitens des Magiſtrats: Bürgermeiſter Matting, Stadtſchulrat Dr Neu⸗ fert, Stadtrat Samter, Bauinſpektor Walter. Entſchuldigt: Stadtv. Gredy, Guttmann, Rackwitz. Das Protokoll der I. Sitzung wird feſtgeſtellt und die Beratung fortgeſetzt. II. Angaben der Antragſteller: Willy Maaß ſoll am 24. 6. 1909 mit dem Stiel eines Teppichausklopfers derart ge⸗ ſchlagen worden ſein, daß ſich der Geſchlagene vor Schmerz nicht rühren konnte. Die Schulter ſoll blau geweſen ſein, zwei Schwie⸗ len auf dem Kopf ſollen auch vorhanden ge⸗ weſen ſein, ſo daß darüber einige Waiſen⸗ mädchen aus eigenem Antriebe der Mutter des Knaben Bericht erſtatteten. Die Mutter des Knaben begab ſich zum Arzt Dr Roſenthal, der die Unterſuchung 4 Tage nach dem Vorfall vornahm und da⸗ rüber dem Waiſenvater auch noch ſchriftlich Vorhaltungen gemacht haben ſoll. Ergebnis der Unterſuchung d ur ch en Magiſtrat, Die Jungen hatten etwas gefaulenzt, namentlich Willy Maaß, und als die Arbeit zu Ende ſein ſollte, hatten ſie noch nicht angefangen. Als nun Frau Richter zu Willy ſagte, jetzt nimm die Teppiche ab, entgegnete der Junge in ſeinem Trotz: „nun gerade nicht.“ Darauf erhielt Willy Maaß vom Waifenvater mit dem Teppichklopfer Schläge. Hingefallen iſt er nicht, hat vielmehr die Arbeit dann ausgeführt. Der Brief Dr Roſenthals wird verleſen, er enthält keine Vorhaltungen Richter gegenüber. veſchlu ß des Ausſchuſſes. Dieſer Fall wird als erledigt angeſehen und ein Antrag des Stadtverordneten Zietſch auf Vernehmung der Frau Maaß abgelehnt. Der Ausſchuß erblickt im vorliegenden Fall keinerlei Überſchreitung des Züchtigungs⸗ rechts und erachtet dieſen Fall für die Be⸗ gründung des Antrages der Stadtverordneten Bartſch und Gen. als unerheblich. m. Angaben der Antragſteller. Walter Maaß — 11 Jahre alt — wurde vom Waiſenvater Ende Juni 1909 mit einer Roſenſchere ins Ohr gezwickt. Ergebnis der Unterſuchung durch den Magiſtrat. Der Waiſenvater Richter hat einmal dem Knaben Walter Maaß, der bei Tiſch ein bischen ſchwatzte, die Roſenſchere im Scherz an das Ohr gelegt. Der Junge behauptete, vom Arzt Dr Roſenthal wegen einer Schnitt⸗ wunde behandelt zu ſein. Dieſer Arzt hat das auf Anfrage verneint. Wie feſtſteht, iſt der Junge geiſtesſchwach; ſeine Angaben ſind daher wenig zuverläſſig. Beſchluß des Ausſchuſſes. Der Ausſchuß lehnt einen Antrag des Stadtverordneten Zietſch auf Vernehmung der Frau Maaß ab und ſieht als widerlegt an, daß ſich der Waifenvater im vorliegenden Falle einer Mißhandlung des Walter Maaß ſchuldig gemacht hat. IV. Angaben der Antragſteller. Willy Häntſch ſoll ebenfalls ins Ohr ge⸗ ſchnitten worden ſein. Ergebnis der Unterſuchung d ur ch den Magiſtrat. Willy Häntſch hat angegeben, niemals in die Ohren geſchnitten worden zu ſein. Auch die als Zeugen vernommenen Ge⸗ ſchwiſter Maaß wiſſen von dieſem Vorgange nichts. Beſchluß des Ausſchuſſes. Der Ausſchuß iſt zu der Feſtſtellung ge⸗ kommen, daß auch dieſer Fall widerlegt iſt. v. Angaben der Antragſteller. Karl Gondeck und Erich Lehmann ſollen vor anderthalb Jahren mit einer Gartenſchere in die Ohren gezwickt worden ſein. Ergebnis der Unterſuchung durch den Magiſtrat. Die beiden Knaben hatten ihren Arbeits⸗ auftrag nicht erfüllt. Als der Hausvater, der gerade in der Werkſtatt beſchäftigt war und die Drahtzange in der Hand hielt, das merkte, rief er den Jungen zu: „Kommt einmal her, ihr ſollt einen Denkzettel haben.“ — und kneipte ſie mit der Drahtzange, einer flachen Zange, in die Ohren, ohne daß ſie Schaden oder Schmerzen davon gehabt haben. Beſchluß des Ausſchuſſes. Der Ausſchuß hält dieſen Fall für die Begründung des Antrages der Stadtverord⸗ neten Bartſch und Gen. als belanglos. IV. Angaben der Antragſteller. Knabe Hoffmann ſoll im vorigen Winter mit einer Gartenſchere ins Ohr geſchnitten oder gezwickt worden ſein. Der Junge ſoll von Frau Richter dann am Ohr geriſſen worden ſein, ſo daß die Heilung gehindert wurde. Da eine Unterſuchung dieſes Falles durch den Magiſtrat nicht ſtattgefunden hat, be⸗ ſchließt der Ausſchuß: Der Magiſtrat wird erſucht, wegen dieſes Falles Vernehmungen anzuſtellen. Nach der Beſchlußfaſſung zu 1 kommen außer Fall vII vorher noch 4 Fälle zur Sprache, ae Beratung in der nächſten Sitzung erfolgen 0 VII. Angaben der Antragſteller. Frau Maaß iſt der Zutritt zur Waiſenanſtalt unterſagt worden und die Waiſenmutter ſoll in Gegenwart der Kinder den Ausdruck gebraucht haben: „Das Weib kommt mir nicht mehr über die Schwelle.“ Ferner ſoll der Waiſenvater Richter zu dem Knaben Walter Maaß geſagt haben: „Du biſt verrückt, Du kommſt ins Irrenhaus, wenn Du dabei bleibſt, daß ich Dich ins Ohr geſchnitten habe.“ Auch ſollen die Maaß ſchen Knaben durch nichtachtende Be⸗ handlung im Waiſenhaus in eine ſehr gedrückte Stimmung gekommen und einer der Knaben