12 bleibt es der Deputation überlaſſen, ſonſtige geeignete Perſönlichkeiten zuzuziehen. Berichter ſt. Stadt v. Schwarz. v. g. u. Dr Hubatſch, Otto, Dr Borchardt, Neukranz, Schwarz, Wöllmer, Dr Röthig. St. V. 10. Druckſache Nr. 11. Vorlage betr. Abänderung des Ortsſtatuts über die Verpflichtung zum Beſuche der Fortbildungs⸗ ſchule. Urſchriftlich mit den Akten Fach 1 Nr. 3 :2 1 und II an die Stadtverordnetenverſamm⸗ ung mit dem Antrage, zu beſchließen: Dem Nachtrag zu dem Ortsſtatut betr. die Verpflichtung zum Beſuche der Fortbildungs⸗ 19. Januar 3 ſchule in Charlottenburg vom 9. April 1907 wird zugeſtimmt. Als im Jahre 1904 die Fortbildungsſchulpflicht in Charlottenburg eingeführt werden ſollte und wir uns mit einer entſprechenden Vorlage an die Stadtverordnetenverſammlung wandten — Druck⸗ ſache Nr. 298 für 1904 — ſollte nach unſerem Antrage die Fortbildungsſchulpflicht bis zum Ende des Schuljahres (31. März, 30. September), in welchem die Schüler das 17. Lebensjahr vollenden, alſo 3 Jahre, dauern. Die Stadtverordnetenverſammlung beſchloß jedoch die Ausdehnung der Schulpflicht bis zum Beginn des Schulhalbjahres (1. April, 1. Oktober), in dem die Schüler das 18. Lebensjahr vollenden. Dieſer Beſchluß bedeutete eine Erweiterung der Schulpflicht um ein halbes Jahr, alſo auf 3½ Jahr. Dem abändernden Beſchluſſe der Stadtverordneten⸗ verſammlung traten wir nachher bei, und die 3 ½⸗ jährige Schulpflicht wurde ortsſtatutariſch feſt⸗ geſetzt. Als aber Berlin bald darauf den Fort⸗ bildungsſchulzwang ebenfalls einführte, begnügte es ſich mit einer nur dreijährigen Verpflichtung, und die großen Vorortgemeinden Schöneberg und Rix⸗ dorf ſchloſſen ſich dem an. Die Folge davon war, daß die längere Dauer der Schulpflicht in Charlotten⸗ burg als Härte empfunden wurde. Als im Winter 1907/08 die erſten Fortbildungs⸗ ſchüler in das 7. Schuljahr eintraten, machte fich dies doch recht ſtörend bemerkbar. Dazu kommt, daß bei einer ſehr großen Zahl von Lehrlingen die Lehrzeit auf drei Jahre bemeſſen iſt, ſie alſo im 17. Lebensjahre bereits Geſellen oder Gehülfen werden. Als ſolche glauben ſie nun der Schul⸗ pflicht enthoben zu ſein. Erfahrungsgemäß wird ſolchen ſchulpflichtigen Geſellen uſw. von ihren Arbeitgebern die Erlaubnis zum Beſuche des Unter⸗ richts nur ungern erteilt, weil ſie durch die Schul⸗ pflicht erhebliche Zeit ihrem Dienſte entzogen wer⸗ den. Aber auch die Schüler wünſchen nach be⸗ endeter Lehrzeit lebhaft Befreiung vom weiteren Beſuch der Fortbildungsſchule, weil ſie in den meiſten Fällen durch die Schulpflicht Einbuße an ihrem Arbeitsverdienſt erleiden, ja zuweilen ſogar dadurch eine Stellung verlieren. Zahlreich gingen daher Anträge der im 7. Halbjahr ſtehenden Ge⸗ ſellen, Gehilfen und Handlungsgehilfen auf vor⸗ zeitige Entlaſſung aus der Schulpflicht ein, aber mit Rückſicht auf die entgegenſtehenden Beſtimmungen des Ortsſtatuts konnte ihnen nur ausnahmsweiſe entſprochen werden. Die nicht befreiten Schüler zeigten nun häufig in der Schule, der ſie nur wider⸗ willig angehörten, wenig Intereſſe, fehlten häufig, waren leicht gereizt und mürriſch und bereiteten der Schule oft erhebliche Ungelegenheiten. Dadurch wurden Beſtrafungen nötig, und die Unluſt wurde nur noch größer. Ahnliche Beobachtungen wurden auch im folgenden Jahre gemacht. Man wird zugeſtehen müſſen, daß die jungen Geſellen und Gehilfen ſich in einer gewiſſen 3wangs⸗ lage befinden. Bleiben ſie dem Unterricht fern, um für den Meiſter zu arbeiten, ſo werden ſie wegen Schulverſäumnis in Strafe genommen; nehmen ſie aber regelmäßig am Unterricht teil, ſo droht ihnen von ihren Arbeitgebern, die ohnehin fortbildungs⸗ ſchulpflichtige Geſellen oder Gehilfen nicht gern beſchäftigen, Entlaſſung. Ohne ein Verſchulden ihrerſeits können ſie alſo in ſolchen Fällen in ernſte Notlage kommen. Dies hat zuweilen Schüler, die Eltern oder ſonſtige Angehörige zu unterſtützen hatten, hart betroffen. Als beſondere Härte wird es empfunden, wenn ein junger Mann, der mit 17 Jahren in Berlin aus der Fortbildungsſchule bereits entlaſſen iſt, durch ſeinen Eintritt als Geſelle in ein Charlottenburger Geſchäft wieder fortbildungs⸗ ſchulpflichtig wird. Auch aus den Reihen der Arbeitgeber iſt uns gegenüber, namentlich in letzter Zeit, wiederholt der dringende Wunſch auf Herabſetzung der Schul⸗ 2 zeit vorgetragen worden, — was beſonders ſchwer wiegt — auch von ſolchen, die warme Freunde der Fortbildung ſind und — wie die Fleiſcher — große Opfer dafür bringen. Mit Rückſicht auf die vielfach geäußerten Wünſche ſowie darauf, daß ſowohl in Berlin, als auch in den größeren Nachbargemeinden die Schul⸗ pflicht nur 3 Jahre dauert und ein in dieſer Hinſicht übereinſtimmendes Ortsſtatut dazu beitragen wird, die vorhandene Ungleichheit und die damit ver⸗ bundenen Härten zu beſeitigen, hatten wir geglaubt, uns den Anträgen auf Herabſetzung der Schul⸗ pflicht nicht verſchließen zu dürfen. Wenn auch nicht häufig, ſo kommen doch zu⸗ weilen Fälle vor, daß junge Leute nicht ſogleich nach Erfüllung der geſetzmäßigen Schulpflicht, ſondern erſt ein Halbjahr danach oder noch ſpäter in die Lehre treten und daher auch erſt ſo viel ſpäter fortbildungsſchulpflichtig werden. In dieſen Fällen erſcheint es uns zweckmäßig, die Schulpflicht etwas zu verlängern. Da aber das Geſetz eine Heran⸗ ziehung der Arbeiter zum Schulbeſuch nur bis zum 18. Lebensjahre zuläßt, ſo würden die Schüler mit dem Tage der Vollendung des 18. Jahres ohne Rück⸗ ſicht auf den Halbjahresſchluß die Schule verlaſſen können, was wiederum auf den Schulbetrieb ſehr ſtörend einwirken würde. Für dieſe Schüler haben wir deshalb den Anfang (1. April, 1. Oktober) des Schulhalbjahres, in dem ſie das 18. Lebensjahr voll⸗ enden, als Grenze der Schulpflicht beibehalten. In Übereinſtimmung mit der Deputation für das Fortbildungsſchulweſen haben wir den § 1 des jetzt gültigen Ortsſtatuts entſprechend geändert und beantragen, dem unten abgedruckten Nachtrage zuzuſtimmen.