—— 148 — Druckſache Nr. 66. Borlage betr. Niederſchlagung von Gemeinde⸗ abgaben. Urſchriftlich mit einem Heft Akten an die Stadtverordnetenverſammlung mit dem Antrage, unſeren nachſtehenden Be⸗ ſchlüſſen beizuſtimmen: I. Für ſämtliche Gemeindeabgaben gelten nach der Rechtſprechung des Oberverwaltungs⸗ gerichts folgende Grundſätze betreffend die Wiedereinſetzung in den vorigen Stand und ſind in Zukunft auch in Charlottenburg an⸗ zuwenden: „Die Wiedereinſetzung in den vorigen Stand kann beantragen, wer durch Natur⸗ ereigniſſe oder andere unabwendbare Zu⸗ fälle verhindert worden iſt, die Einſpruchs⸗ friſt einzuhalten. Als unabwendbarer Zufall iſt es anzuſehen, wenn der Antrag⸗ ſteller von einer Zuſtellung ohne ſein Ver⸗ ſchulden keine Kenntnis erlangt hat. Über den Antrag entſcheidet der Ge⸗ meindevorſtand. Der Einſpruch iſt unter Anführung der Tatſache, durch welche der Antrag auf Wiedereinſetzung begründet werden ſoll, ſowie der Beweismittel innerhalb zwei Wochen nach Ablauf des Tages, mit welchem das Hindernis gehoben iſt, nach⸗ zuholen. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der verſäumten Friſt an gerechnet, findet die Nachholung und der Antrag auf Wiedereinſetzung nicht mehr ſtatt.“ Trotz einer rechtskräftigen Veranlagung kann eine Einziehung von Gebühren, Beiträgen und Steuern unterbleiben oder das auf Grund einer ſolchen Heranziehung Gezahlte zurück⸗ gezahlt werden, inſoweit 1. die Veranlagung ohne Mitverſchulden des Herangezogenen oder eines Dritten durch Verſchulden der ſtädtiſchen Verwaltung materiell unrichtig erfolgt iſt, die Veranlagung eines nach den geſetz⸗ lichen Vorſchriften nicht Verpflichteten mit oder ohne Verſchulden des Heran⸗ gezogenen erfolgt iſt und die Abgabe auf Grund einer Heranziehung des eigentlich Verpflichteten nochmals gezahlt wird. Ein Verſchulden der Verwaltung liegt nur dann vor, wenn die Veranlagung durch einen Rechen⸗ oder Schreibfehler oder durch die Nichtbeachtung von ſolchen Tatſachen verur⸗ ſacht worden iſt, die zur Zeit der Veranlagung in der zuſtändigen ſtädtiſchen Verwaltungs⸗ ſtelle bekannt waren oder bekannt ſein mußten, oder wenn ſie unter Nichtbeachtung ſolcher geſetzlicher oder ortsſtatutariſcher Vorſchriften erfolgt iſt, deren Auslegung auch zur Zeit der Veranlagung in der Verwaltung nicht zweifelhaft war. Die Niederſchlagung oder Erſtattung erfolgt nach Anhörung des Steuerausſchuſſes auf Be⸗ ſchluß eines ſtändigen Magiſtratsausſchuſſes von drei Mitgliedern. Die Niederſchlagung oder Rückerſtattung erfolgt nur, wenn der Antrag innerhalb eines Jahres nach Ablauf der verſäumten Friſt II. III. In den Gemeindebeſchluß vom 27. Mai 1895 iſt folgende Beſtimmung als § 11a aufzu⸗ nehmenn: „Veranlagte Gemeinde⸗ Einkommen⸗ ſteuerbeträge können in einzelnen Fällen durch den Magiſtrat niedergeſchlagen wer⸗ den, wenn deren zwangsweiſe Beitreibung die Steuerpflichtigen in ihrer wirtſchaft⸗ lichen Exiſtenz gefährden, oder wenn das Beitreibungsverfahren vorausſichtlich ohne Erfolg ſein würde, und wenn außerdem die Niederſchlagung der zugehörigen Staatsſteuer erfolgt iſt. Das gleiche gilt, wenn die Staats⸗ einkommenſteuer im Gnadenwege er⸗ laſſen worden iſt.“ IV. Die vorſtehenden Beſchlüſſe treten erſt für die vom 1. April 1910 an erfolgenden Ver⸗ anlagungen in Kraft. Anläßlich eines Einzelfalles, der das Gebiet der Umſatzſteuer betraf, erſuchte die Stadtverord⸗ netenverſammlung durch Beſchluß vom 11. Juni 1902 den Magiſtrat um Ausarbeitung einer Vorlage, wonach in Fällen, wo die Heranziehung zur Steuer von vornherein als eine irrtümliche und dem materiellen Recht zuwider erfolgte, ſich zweifellos darſtellt, der Magiſtrat zu⸗ nächſt auf zwei Jahre ermächtigt wird, die Zurückzahlung der ſo eingezogenen Steuer zu verfügen. Um in der ganzen Frage der Niederſchlagung rechtskräftiger Gemeindeabgaben eine möglichſt umfaſſende, einheitliche Regelung herbeizuführen, ſetzte der Magiſtrat zur Vorberatung der Angelegen⸗ heit einen Ausſchuß ein. Auf Grund der Vorſchläge des Ausſchuſſes wurden zunächſt im Jahre 1903 einige Verbeſſerungen im Verfahren bei der Ver⸗ anlagung zur Umſatzſteuer veranlaßt, um unrichtigen Veranlagungen nach Kräften vorzubeugen. So wurde angeordnet, daß vor jeder Umſatzſteuer⸗ veranlagung von der Verwaltung Einſicht in das Grundbuch oder die Grundakten genommen werde, ſowie daß auf die ordnungsmäßige Ausfüllung und Einſendung der Fragebogen ſeitens der zur Er⸗ teilung der Auskunft verpflichteten Perſonen (§ 9 der Umſatzſteuerordnung) grundſätzlich zu dringen ſei, gegebenenfalls unter Verhängung von Geld⸗ ſtrafen (§ 13 der Ordnung); zugleich erhielt der Wortlaut der Vordrucke für die Fragebogen und für die Veranlagungsſchreiben eine beſſere Faſſung. Im übrigen blieb die Tätigkeit des Ausſchuſſes infolge der außerordentlichen Schwierigkeit des Gegenſtandes längere Zeit ohne ſichtbaren Erfolg. Eine bei verſchiedenen größeren Stadtverwaltungen veranſtaltete Umfrage erwies ſich als wenig er⸗ giebig; es ſchien auch kein Weg auffindbar, um die innerhalb des Ausſchuſſes ſelbſt herrſchenden Auf⸗ faſſungsverſchiedenheiten zu einer Verſtändigung zu führen. In vielfachen überaus eingehenden Beratungen gelang es erſt allmählich, ſämtlicher Schwierigkeiten in befriedigender Weiſe Herr zu werden. Ende November 1909 konnte der Aus⸗ ſchuß dem Magiſtrat eine Reihe von Vorſchlägen unterbreiten, die mit ganz geringfügigen derungen zum Gegenſtande der heutigen Vorlage gemacht werden. 5 In ſachlicher Hinſicht diene das Nachſtehende zur Erläuterung unſerer Anträge: