Nachprüfung der materiellen Rechtslage trotz Rechts⸗ traft in Betracht kommen kann. Die einzelnen Fälle laſſen ſich in zwei allgemeinen Gruppen zu⸗ ſammenfaſſen. Die ſachlich unrichtige Heranziehung kann entwedee 1. ausſchließlich auf ein Verſchulden der Ver⸗ waltung oder 2. auf ein Verſchulden oder Mitverſchulden des Herangezogenen oder Dritter zurückzu⸗ führen ſein. 1. In allen denjenigen Fällen, in denen das Verſchulden an der ſachlich unrichtigen Veran⸗ lagung ausſchließlich auf ſeiten der Gemeinde⸗ verwaltung liegt, erſcheint es uns durchaus an⸗ gebracht, wenn wir den Vorteil der Rechtskraft gegen den Abgabepflichtigen nicht ausnutzen. Es muß vielmehr als billig bezeichnet werden, daß dem Betroffenen trotz unentſchuldbarer Verſäumung der Rechtsmittelfriſt — allerdings nur innerhalb einer Ausſchlußfriſt von einem Jahr — die Möglich⸗ keit offen gehalten wird, die Niederſchlagung oder Rückerſtattung des zu unrecht veranlagten Betrages zu erwirken. Als Fälle, in denen ein Verſchulden der Verwaltung vorliegt, können aber nur aner⸗ kannt werden: Rechenfehler, Schreibfehler, Nicht⸗ beachtung von Tatſachen, die bekannt waren oder ſein mußten, ſowie Nichtbeachtung unbeſtrittener Rechtsvorſchriften. 2. Eine Berückſichtigung der Fälle der zweiten Gruppe kann dagegen im allgemeinen nicht an⸗ gezeigt ſein. Zu dieſer Gruppe zählen haupt⸗ ſächlich ſolche Veranlagungen, deren materielle Un⸗ richtigkeit ausſchließlich oder wenigſtens zu einem Teile darauf zurückzuführen iſt, daß der Verwaltung von dem Abgabepflichtigen oder auch von dritter Seite unrichtige oder unvollſtändige Angaben über Zahlen oder ſonſtige für die Veranlagung be⸗ deutungsvolle Tatſachen gemacht worden ſind. Beiſpiel: X erwirbt ein Grundſtück, das nur zum Teil im Charlottenburger Gemeinde⸗ bezirke liegt; nach gerichtlicher Mitteilung ſoll das ganze Grundſtück zum Charlottenburger Stadt⸗ bezirke gehören; in dem von X beantworteten Umſatzſteuerfragebogen wird auch nichts davon er⸗ wähnt, daß ein Teil des Grundſtücks in den Bereich einer Nachbargemeinde fällt; X wird infolgdeſſen von dem Kaufpreiſe für das ganze Grundſtück ꝛur Umſatzſteuer veranlagt: die Einſpruchsfriſt iſt ver⸗ ſäumt. In ſolchen Fällen kann der Gemeinde nicht zugemutet werden, auf ihre durch die eingetretene Rechtskraft erworbenen Anſprüche zu verzichten. Wenn die unrichtige Veranlagung ausſchlie ß⸗ liſch auf ein Verſchulden des Herangezoge nen zurückzuführen iſt, ſcheidet die Frage der Niederſchlagung ohne weiteres aus. Aber auch da, wo ein Mit verſchulden der ſtäd tiſchen Behörde vorliegt, kann von einer Nieder⸗ ſchlagung nicht die Rede ſein; denn das Verſchulden der ſtädtiſchen Behörde wird durch das gleichzeitige Verſchulden des Herangezogenen oder eines Dritten hinreichend ausgeglichen. Wo das Verſchulden eines Dritten in Frage kommt, mag ſich der Herangezogene an dieſem ſchadlos halten. Nur in einem Falle muß eine Abweichung von dieſen Grundſätzen als angebracht gelten, dann nämlich, wenn ein nach dem materiellen Rechte nicht Verpflichteter rechtskräftig zu einer Abgabe herangezogen iſt, nachträglich aber auch noch der 118 — wirklich Verpflichtete herangezogen wird un d die Abgabe auch zahlt. Beiſpiel: A hat ſein Grundſtück an B verkauft und aufgelaſſen; dies bleibt jedoch der Behörde unbekannt, infolgedeſſen wird in den folgenden Jahren nach wie vor A zur Grundſteuer veranlagt; A zahlt auch anſtandslos; ſpäter erfährt die Behörde die wahren Eigentumsverhältniſſe und zieht nachträglich auch den B zur Grund⸗ ſteuer heran. Entgegen dem materiellen Rechte in ſolchen Fällen etwa den B, der als der tat⸗ ſächliche Eigentümer von vornherein zur Steuer hätte herangezogen werden müſſen, mit der nach⸗ träglichen Heranziehung zu verſchonen, kann ſich nicht empfehlen. Dafür aber kann es nur als billig gelten, daß dem A die ohne materiellen Ver⸗ pflichtungsgrund gezahlten Beträge dann erſtattet werden, wenn der eigentliche Steuerpflichtige B. auf Grund nachträglicher Heranziehung die ſchon von A entrichteten Steuerbeträge nochmals zahlt. Aber nur in ſolchen Fällen einer doppelten Zahlung der gleichen Steuer verträgt ſich eine Erſtattung der entrichteten Beträge an den materiell nicht Verpflichteten mit den finanziellen Intereſſen der Gemeinde; auch das allgemeine Rechtsgefühl verlangt eine weitergehende Rückſichtsnahme nicht. Einer beſonderen Erläuterung bedarf noch unſer Vorſchlag, die Entſcheidung der Nieder⸗ ſchlagungs⸗ und Erſtattungsanträge einem Magi⸗ ſtratsausſchuſſe zu übertragen. Zur Niederſchlagung oder Erſtattung rechts⸗ kräftig feſtſtehender Abgaben⸗Forderungen iſt an ſich nach der Städteordnung ein Zuſammenwirken beider ſtädtiſchen Kollegien erforderlich. Es wäre aber höchſt unzweckmäßig, in Sachen, die bei ihrer heiklen Natur der Gefahr einer ungleichartigen Be⸗ handlung keinesfalls ausgeſetzt werden dürfen, die Entſcheidung vielköpfigen Körperſchaften mit wech⸗ ſelnden Geſamtanſichten zu überlaſſen Zufalls⸗ mehrheiten kommen bei den Abſtimmungen ſo⸗ wohl des Magiſtrats wie der Stadtverordneten⸗ verſammlung immer wieder vor — man denke⸗ nur an die ſommerliche Reiſezeit. Die Bürgſchaft für ein einheitliches Verfahren dürfte unſeres Er⸗ achtens dann gegeben ſein, wenn als zuſtändige Inſtanz ein aus möglichſt wenigen — drei — Mit⸗ gliedern beſtehender Magiſtratsausſchuß geſchaffen wird, der die Entſcheidung nach Anhörung des Gemeindeſteuerausſchuſſes zu treffen hat Die Mitwirkung des Gemeindeſteuerausſchuſſes, deſſen Mehrheit aus Stadtverordneten beſteht, dürfte für die Möglichkeit einer Kontrolle ſeitens der Stadt⸗ verordnetenverſammlung ein ausreichendes Unter⸗ pfand ſein und eine zeitliche Beſchränkung der dem Magiſtratsausſchuß erteilten Ermächtigung nicht erforderlich machen. Zu III. Ohne Rückſicht auf die Rechtslage ſieht das Staatseinkommenſteuergeſetz in ſeinem § 69 die Niederſchlagung veranlagter Einkommen⸗ ſteuerbeträge dann vor, „wenn deren zwangsweiſe Beitreibung die Steuerpflichtigen in ihrer wirt⸗ ſchaftlichen Exiſtenz gefährden, oder wenn das Beitreibungsverfahren vorausſichtlich ohne Erfolg ſein würde“. Unter den gleichen Vorausſetzungen erſcheint auch die Niederſchlagung des kommunalen Ein⸗ kommenſteuerzuſchlags angebracht. Freilich nur in dieſem Falle, alſo nur dann, wenn zuvor die zugehörige Staatsſteuer ſeitens der Staatsbehörde niedergeſchlagen oder im Gnadenwege erlaſſen