mehr die Wurzeln zu finden, der Tuberkuloſe, der Säuglingsſterblichkeit, des Alkoholismus und nicht zuletzt der körperlichen und ſittlichen Schäden, die uns bei unſerer Großſtadt⸗ jugend erſchrecken, hervorwachſen. Und es ergab ſich als das Problem, ohne deſſen Löſung alle iene Einzelbeſtrebungen nur Stückwerk bleiben müſſen, die Wohnungsfrage. Das Kleinwohnungs⸗ weſen der Großſtädte hat ſich, in erſter Linie infolge des ungewöhnlich ſchnellen Wachstums der Städte in einer für die Kultur unſeres Voltes bedenklichen Weiſe entwickelt; es haben ſich trotz aller bau⸗ polizeilichen Fürſorge Wohnungsverhältniſſe ge⸗ bildet, die dem natürlichen und geſunden Wohnen feindlich ſind, und daraus haben ſich geſundheitliche und fittliche Schäden ergeben, Wohnunſitten ein⸗ geſchlichen, die ſchon längſt von weitſichtigen Kommunalpolitikern als eine nationale Gefahr erkonnt worden ſind. Es kann nicht zweifelhaft ſein, daß es bei dieſer ſozuſagen theorethiſchen Erkenntnis nicht bleiben darf, daß es vielmehr not tut, die ungeſunden Zuſtände im einzelnen aufzudecken, ſie ſyſtematiſch an der Hand von allgeme in e n Beſichtigungen ſämtlicher Kleinwohnungen der Stadt unzweifelhaft tatſächlich feſt zu⸗ ſtell e n. Schon allein die ſo gewonnene Möglich⸗ keit, ein auf Tatſachen gegründetes objektives Bild der großſtäd ti ſſch en Wohnungszuſtände zu gewimen, könnte genügen, um die Berechtigung einer ſyſtematiſchen Wohnungsaufſicht zu begründen. Aber jenes Tat⸗ ſachenmaterial gibt uns dann ferner die Handhabe, einmal die Bewohner durch erziehliche Beein⸗ fluſſung zur Erkenntnis der Mißſtände ihrer Wohn⸗ verhältniſſe zu bringen und eine Beſſerung der Schäden herbeizuführen, ſoweit dies die wirtſchaft⸗ lichen und tatſächlichen Verhältniſſe im ein⸗ zelnen Falle zulaſſen. Und weiter ſollen jene Feſtſtellungen die Grundlage liefern, auf der eine allmähliche aber zielbewußte Reform des großſtädtiſchen Wohnungsweſens überhaupt ſich entwickeln wird. Durch die gründliche Er⸗ kenntnis der Mängel, wie eine ſolche Wohnungs⸗ aufſicht ſie vermittelt, ſoll denen, die es angeht, das Gewiſſen geſchärft werden, und zugleich dem zukünftigen Geſchlecht die Möglichkeit erwachſen, den weiteren Aufbau der Stadt ſo zu geſtalten, daß jene die ſittliche Kultur und die Geſundheit bedro⸗ henden Schäden verſchwinden. Wo man den Hebel anzuſetzen hat, das zeigt auf einem Spezialgebiete die Städtebauausſtellung und beſonders das Er⸗ gebnis der Konkurrenz „Groß⸗Berlin“. Aus den bisherigen Ausführungen dürfte er⸗ hellen, daß es gilt, eine Kulturaufgabe zu löſen. Das kann und darf aber nicht mit porizeilichen Machtmitten geſchehen da ſind insbeſondere die Vorſchriften von Polizei⸗ verordnungen — wie die Denkſchrift ſie noch erſtrebte — einerſeits zu eng, und ſie fordern anderer⸗ ſeits geradezu zu einem ſtarren und gewaltſamen Vorgehen heraus auf einem Gebiete, wo vorſich⸗ tiges und allmähliches Vorgehen allein zum Erfolge führen kann. Nur eine pflegliche übung iſt alſo hier am Platze, nur durch unaufhörliche Aufklärungsarbeit, durch eindringliche perſönliche Einwirkung von Menſch zu Menſch, möglichſt mit Gründen der Vernunft, iſt auch dieſe Volks⸗ erziehungsarbeit zu leiſten. Damit erledigt ſich gleichzeitig die Beſorgnis, das Publikum werde ſich 274 — aus denen das Elend einer Einwirkung auf ſeine Wohnungs⸗ und Wohn⸗ verhältniſſe widerſetzen. Sobald es gewiß iſt, daß der Wohnungspfleger als freundlicher Berater, als Helfer zu beſſeren Zuſtänden, nicht als unnach⸗ ſichtiger Vollſtrecker polizeilicher Normen zu ihm kommt — und deſſen wird es bald inne werden — wird es ſich der Kontrolle des Pflegers nicht wider⸗ ſetzen, ſondern deſſen Wirken mehr und mehr als eine Wohltat empfinden. So iſt es auch nach den Erfahrungen anderer Städte bisher ſtets geweſen: nicht nur in anderen Bundesſtaaten, wie Baden, Heſſen, Hamburg, Bayern u. a., ſondern auch in preußiſchen Städten, die uns als Vorbilder dienen können, wie insbeſondere in Eſſen, wo ebenfalls die pflegeriſche Seite der Wohnungsaufſicht im Vorder⸗ grunde ſteht, hat man niemals davon gehört, daß dem Wohnungspfleger der Eintritt in die Wohnung verweigert oder die Tür gewieſen worden ſei; man hat im Gegenteil die Erfahrung gemacht, daß in den weitaus meiſten Fällen die vorgefundenen Übelſtände freiwillig und ohne Androhung, geſchweige denn erſt nach Anwendung von polizei⸗ lichem Zwang, abgeſtellt wurden. Freilich wird aber der Wohnungspfleger in manchen Fällen auf ſo kraſſe polizeiwidrige Mißſtände ſtoßen, daß er ihre Abſtellung unbedingt fordern muß — die wirt⸗ ſchaftliche Möglichkeit dazu vorausgeſetzt. Da wird es denn vorkommen, daß er auf für ihn unüber⸗ windlichen Widerſtand ſtößt; hier, aber auch nur hier, iſt es am Platze, daß die Macht der Polizei eintritt. Auch für dieſen Fall iſt durch unſere Organiſation ausreichend vorgeſorgt: der Königliche Polizei⸗Präſident hat ſich, nachdem er von unſeren Organiſationsvorſchlägen und den „Grundſätzen“ zuſtimmend Kenntnis genommen hatte, in verbindlicher Form bereit erklärt, in den Fällen, in denen die Organe des ſtädtiſchen. Woh⸗ nungsamtes die freiwillige Abſtellung polizei⸗ widriger Zuſtände nicht erreichen, dieſe im Zwangs⸗ wege zu bewirken. Die hierdurch für uns ſich ergebende Trennung der beiden Inſtanzen der pfleglichen und der nur im Notfalle eintretenden polizeilichen — iſt u. E. als eine beſonders glückliche Geſtaltung der Wohnungspflege zu begrüßen, da ſo der Wohlfahrts⸗Charakter der ſtädtiſchen Ein⸗ richtung klar und ungeſtört in die Erſcheinung treten kann. Aus den vorſtehenden Erwägungen ergibt ſich auch der Grund, weshalb wir von der auch durch die Denkſchrift empfohlenen Einführung einer Geſund⸗ heitskommiſſion gemäß dem „Geſetz betreffend Dienſtſtellung des Kreisarztes und die Bildung von Geſundheitskommiſſionen“ abgekommen ſind. Denn einmal ſind die Geſundheitskommiſſionen im in⸗ nerſten Kern polizeiliche Organe —eine Art von Hilfs⸗ organen des Königlichen Kreisarztes. Und anderer⸗ ſeits wird ihnen mit dem ihnen geſetzlich zuſtehenden Beſichtigungsrecht, bei Lichte beſehen, kein weiter⸗ gehendes Recht eingeräumt, als es die allgemeinen polizeigeſetzlichen Beſtimmungen ohnehin ſchon bieten. Deshalb und um den Charakter einer ſt äd tiſchen Wohlfahrtseinrichtung nicht zu verwiſchen, iſt als Trägerin der ſtädtiſchen Wohnung⸗ fürſorge eine rein ſtädtiſche Deputation gewählt worden. Damit kommen wir zu dem beſondere n Teil und zwar zunächſt zu der „Organiſation der Wohnungsfürſorge“.