— 514 — Es liegt auf der Hand, daß die hygieniſchen! Sachverſtändigen zum Zwecke von Beratungen und Einrichtungen und Anſtalten — und zwar ſowohl die ſtädtiſchen, als auch die von der Stadt unter⸗ ſtützten — ſich mit der fortſchreitenden Entwicklung der Stadt noch immer mehr vermehren werden. Dazu kommt, daß die hugieniſche Wiſſenſchaft unausgeſetzt weitere Fortſchritte macht und faſt alle Gebiete des kommunalen Lebens mehr und mehr umfaßt. Es ſei in dieſer Beziehung hinge⸗ wieſen auf die Fragen der Volkserrährung, auf die Beſchaffung von Milch, Fleiſch und ſonſtigen Nahrungsmitteln, auf die Einrichtung von Frei⸗ badeanſtalten, auf die Bekämpfung der Volks⸗ krankheiten uſw. Im weiteren treten neue hygieniſche Geſichtspunkte mehr als bisher in den Vordergrund, bei Aufſtellung von Bebauungsplänen, bei An⸗ legung von Straßen und Plätzen, bei dem Bau von Schulhäuſern, Krankenhäuſern uſw., bei der Fürſorge für die Arbeiter in den ſtädtiſchen Be⸗ trieben, bei der Förderung der öffentlichen Geſund⸗ heit im Marktweſen (Markthallen), im Verkehrs⸗ weſen uſw. Auch in der Spezialſtatiſtik auf hygieni⸗ ſchem Gebiet (Medizinalſtatiſtik) macht ſich ein weite⸗ rer Ausbau fühlbar, um bei Erkrankungsvorgängen Anhaltspunkte für etwaiges Eingreifen ſchneller zu erhalten. Aus der obigen Darſtellung ergibt ſich zur Genüge, welche Fülle hygieniſcher Aufgaben von der Stadt zu bewältigen ſind. Von ſelbſt drängt ſich dabei die Frage auf, ob es nicht an der Zeit iſt, in den Magiſtrat ein für Hygiene ſachverſtändiges Mitglied im Hauptamt aufzunehmen. Nach reiflicher Erwägung ſind wir zu einer Bejahung dieſer Frage gekommen. Die hohe Bedeutung der Hygiene für die Geſamtheit läßt es geboten er⸗ ſcheinen, in der Zentralinſtanz (Magiſtrat) ein Hauptamt zu begründen, deſſen Inhaber ſeine ganze Zeit und Kraft, ſein ganzes Wiſſen und Können in den Dienſt der Stadtgemeinde auf hygieniſchem Gebiet zu ſtellen haben wird. Seine vornehmſte Aufgabe wird es ſein, Fingerzeige und Ratſchläge, Anregungen und Auskünfte hinſichtlich hygieniſcher Maßnahmen auf allen Gebieten der ſtädtiſchen Verwaltung zu geben, die beſtehenden hygieniſchen Einrichtungen fortlaufend zu beobachten, ſowie hygieniſchen Neuerungen und Verbeſſerungen Ein⸗ gang zu verſchaffen. Ferner wird er die durch die weitverzweigte Verwaltungsorganiſation zer⸗ ſplitterten hygieniſchen Ergebniſſe und Erfahrungen zuſammenzufaſſen, für die Allgemeinheit nutzbar zu machen und dabei eine notwendige Einheitlichkeit zu wahren haben. Er wird bemüht ſein müſſen, den hygieniſchen Gedanken bei allen öffentlichen Maß⸗ nahmen der Stadt wach zu erhalten und von ſeinem Standpunkt aus ſo vollkommen wie irgend möglich zum Wohle der Stadt und ihrer Einwohner beizu⸗ tragen. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß der hugieniſche Stadtrat das Dezernat im Geſchäftsbereich der zur Hebung und Fortbildung der öffentlichen Geſund⸗ heit eingeſetzten Verwaltungsdeputation (Depu⸗ tation für die öffentliche Geſundheitspflege) über⸗ nehmen wird. Inſoweit gewiſſe Angelegenheiten der Geſundheitspflege nach der beſtehenden Ver⸗ waltungsorganiſation zum Geſchäftsbereich anderer Verwaltungsdeputationen gehören, wird er mit und neben den zuſtändigen Dezernenten auch bei dieſen Angelegenheiten ſich zu betätigen haben und tunlichſt auch als Mitglied dieſer Deputationen zu beſtellen ſein. Aber auch alle übrigen Verwaltungs⸗ deputationen werden ſich ſeiner als hygieniſchen Begutachtungen bedienen können. Ebenſo wird er die einheitliche Organiſation und Leitung der ver⸗ ſchiedenen kommunalärztlichen Verſorgung (Schul⸗ ärzte, Stadtärzte, Fürſorgeärzte uſw.) zu über⸗ nehmen haben, auch würde er als ſtädtiſcher Ver⸗ trauensarzt für die ärztliche Unterſuchung der ſtädtiſchen Beamten, Lehrer, Angeſtellten uſw. zu beſtellen ſein. Einer näheren Begründung bedarf es dafür nicht, daß für die geſchilderten Aufgaben der neuen Stadtratsſtelle nur ein approbierter Arzt mit be⸗ ſonderer Vorbildung in der Kygiene in Frage kommen kann, der die Beſtrebungen, Errungen⸗ ſchaften und Lehren der Kygiene wiſſenſchaftlich zu erfaſſen und durchzuführen in der Lage iſt. Zum Schluß wird noch bemerkt, daß der zurzeit dem Magiſtrat als ärztliches Mitglied angehörende, im Ehrenamt tätige Stadtrat mit folgenden Geſchäften betraut iſt: Er iſt Dezernent für ſtatiſtiſche Angelegenheiten, Dezernent der Alkohol⸗ fürſorgeſtelle, Mitglied der Deputation für Geſund⸗ heitspflege und Dezernent für den Geſchäftsbereich dieſer Deputation, Kodezernent in Angelegenheiten betr. die Fürſorgeſtellen für Säuglinge und für Lungenkranke, ſowie betr. die Beihilfen für un⸗ bemittelte Schwangere und Mütter, Mitglied der Armendirektion, der Schuldeputation, der Depu⸗ tationen für die Waſſerwerke und für die Ver⸗ waltung der Krankenhäuſer, der Deputation betr. die Arbeitsloſenfürſorge, der verſtärkten Hochbau⸗ deputation, ſowie der Deputation für Wohnungs⸗ pflege. Aus dieſem Geſchäftsplan ergibt ſich, daß hier — wo es ſich um ein Ehrenamt handelt — faſt ſchon zu weit, jedenfalls aber bis an die äußerſte Grenze der zuläſſigen Belaſtung mit laufenden Ge⸗ ſchäften gegangen worden iſt. Die dauernde Weiterführung der auf dem Gebiete der öffentlichen Geſundheitspflege liegenden zahlreichen Geſchäfte, deren Vermehrung und Ausdehnung unvermeidlich iſt, durch ein ehren⸗ amtlich tätiges Magiſtratsmitglied als Dezernenten würde deſſen Zeit und Kräfte in einem Maße in Anſpruch nehmen, daß eine ſolche umfangreiche Tätigkeit mit einem Ehrenamt ſich nicht vereinbaren ließe; es würde das auch den Intereſſen der Stadt Charlottenburg nicht entſprechen. Was die Beſoldung des neuen Stadtrats be⸗ trifft, ſo dürfte ſie im Hinblick auf die verlangte Be⸗ fähigung (Arzt und Hygieniker), ſowie auf die Wich⸗ tigkeit des Amtes und den damit verbundenen großen Pflichtenkreis entſprechend dem Normalbeſoldungs⸗ etat für den Stadtſchulrat feſtzuſetzen ſein, d. i. Anfangsgehalt 9000 ℳ, 3 Alterszulagen nach je 3 Jahren 1000 ℳ, Köchſtgehalt 12 000 ℳ. Zu berückſichtigen iſt dabei auch der Umſtand, daß privatärztliche Praxis neben dem Kauptamt als Stadtrat grundſätzlich nicht geſtattet werden kann. Für das Vierteljahr Jannar/März 1911 berechnet ſich der erforderliche, aus dem Dispoſitionsfonds zu entnehmende Gehaltsbetrag auf 2250 ℳ. Die Notwendigkeit der Abänderung des gegen⸗ wärtig geltenden Ortsſtatuts vom 4 1907 betr. 9. 7. die Zahl der Mitglieder des Magiſtrats ergibt ſich von ſelbſt. Charlottenburg, den 30. November 1910. Der Magiſtrat. Schuſtehrus. 12 8.