Vorlagen für die Stadtverordneten⸗Verſammlung zu Charlottenburg. Druckſache Nr. 257. Vorlage betr. Bürgſchaftsübernahme für die Pfand⸗ briefe eines Hypothekenbankvereins für zweite Hypotheken. Urſchriftlich mit den Akten Fach 19 Nr. 7 Band 1 an die Stadtverordnetenverſammlung mit dem Antrage: Die Stadtverordneten wollen beſchließen: Die Stadtgemeinde Charlottenburg erklärt ſich bereit, bis zu einer Höhe von 20 Millionen Mark die Garantie für Schuldverſchreibungen (Pfandbriefe) eines Hypothekenbankvereins zu übernehmen, der auf Grund der abgedruckten Satzung und Schätzungsordnung gegründet wird, ſobald dieſem Verein mindeſtens 100 Mitglieder beigetreten ſind. Die zur Zahlung der Pfandbriefzinſen erforderlichen Beträge ſchießt die Stadtgemeinde nötigenfalls vor. Sobald der Hypothekenbankverein mit der Ausgabe von Pfandbriefen beginnt, iſt von der Stadt eine eigene Sicherheitsrücklage für die Garantieübernahme in der Weiſe anzuſammeln, daß alljährlich ein Betrag von 1% des Nenn⸗ wertes der in jedem Jahre neu begebenen Pfandbriefe zu dieſem Zwecke aus ſtädtiſchen Mitteln zurückgeſtellt wird mit der Maßgabe, daß die Geſamtrücklage niemals 5% des Nenn⸗ wertes der insgeſamt umlaufenden Pfand⸗ briefe überſteigt. Seit geraumer Zeit leidet allgemein der ſtädtiſche Haus⸗ und Grundbeſitz unter einer außer⸗ ordentlich un günſtigen Wirtſchaftslage, deren äußeres Kennzeichen der auffällige Rückgang freiwilliger Veräußerungen und die ſtarke Zunahme der Zwangsverſteigerungen bilden. Mögen auch andere Urſachen (ungeſunde Spekulation, ſteuerliche Ueberlaſtung) hierbei mitſprechen, ſo iſt doch mit eine der Haupturſachen dieſer unbefriedigenden Wirt⸗ ſchaftsverhältniſſe die ſtets wachſende Schwierigkeit, die erforderlichen Hypothekengelder, beſonders für Nachhypotheken aufzubringen. Die erſt infolge der Hochkonjunktur und dann der politiſchen Unruhen ein⸗ getretene Verſteifung des allgemeinen Geldmarktes hat bei den leichter beweglichen Anlagewerten ein An⸗ ziehen des Zinsfußes zur Folge gehabt, welches das Privatkapital veranlaßt hat, ſich vom Hypotheken⸗ markte abzuwenden und flüſſigere Anlageformen zu bevorzugen. Dieſe Verhältniſſe haben dazu geführt, daß es heute ſeblſt dem ſoliden, ſeßhaften Haus⸗ und Grund⸗ beſitzer nur unter ganz unverhältnismäßigen Opfern vielfach ſogar trotz dieſer, nicht möglich iſt, Geld auf Nachhypotheken zu erhalten. Es liegt hier alſo ein außergewöhnlicher Notſtand vor, der dringend Ab⸗ hilfe erheiſcht. Auch für den Charlottenburger Haus⸗ und Grundbeſitz gelten dieſe allgemeinen Dar⸗ legungen. Der nächſtliegende Gedanke iſt, die betroffenen Kreiſe auf den Weg der Selbſthilfe zu ver⸗ weiſen. Tatſächlich iſt ſolche auch durch Gründung von Hausbeſitzerkredit⸗ oder Garantiegenoſſenſchaften verſucht worden. Ein Erfolg kann hiervon aber nicht erwartet werden. Im Gegenteill Die rechtliche Ver⸗ faſſung der Genoſſenſchaft, welche dem einzelnen Ge⸗ noſſen jederzeit den Austritt erlaubt, wodurch die perſönliche Haftung des betreffenden Mitgliedes er⸗ liſcht und deſſen Geſchäftsguthaben zur Auszahlung fällig wird, ſetzt die Vermögensgrundlagen einer Ge⸗ noſſenſchaft Schwankungen aus, welche die Ein⸗ gehung ſo langfriſtiger Geſchäfte wie Hypothekenbe⸗ willigung oder Hypothekengarantieübernahme als wirtſchaftlich höchſt gefährlich erſcheinen laſſen. So haben denn auch alle Genoſſenſchaftsverbände ein⸗ dringlich vor der Benutzung der Genoſſenſchaftsform zu dem gedachten Zwecke gewarnt (z. B. der Allge⸗ meine Genoſſenſchaftstag zu München 1912). Eben⸗ ſowenig ſind aber andere Wirtſchaftsformen (Vereine) für ſich allein hierzu imſtande. Ihr großer Geld⸗ bedarf würde ſie zwingen, über den Ortsbereich hin⸗ aus zwecks Beſchaffung der erforderlichen Mittel an den offenen Geldmarkt heranzutreten. Dieſer ge⸗ währte ihnen aber wohl kaum die nötige Unter⸗ ſtützung, da die von einem ſolchen Verein in dem Grundbeſitz ſeiner Mitglieder allein zu bietende Sicherheit in ihrem Werte zu ſehr von örtlichen Ver⸗ hältniſſen abhängig iſt, als daß ſie weiteren Kreiſen ohne irgendwie geartete öffentliche Garantie genügen könnte. Ohne Hilfe von dritter Seite vermag alſo der Haus⸗ und Grundbeſitz der Hupothekennot nicht Herr zu werden. Kann, wie gezeigt, der Notlage auf dem Hy⸗ pothekenmarkte nur durch die Mithilfe öffent⸗ licher Körperſchaften begegnet werden, ſo iſt die Stadtgemeinde in erſter Linie hierzu ſowohl berechtigt als verpflichtet. Die vielfachen Wechſel⸗ beziehungen zwiſchen Haus⸗ und Grundbeſitz und der erwerbstätigen Bürgerſchaft (insbeſondere Bauhand⸗ werker), desgleichen der enge Zuſammenhang mit dem geſamten Wohnungsweſen haben zur Folge, daß die wirtſchaftlichen Schwierigkeiten des ſtädtiſchen Haus⸗ beſitzes nicht nur von dieſem, ſondern von bedeutend weiteren Kreiſen wirtſchaftlich empfunden werden. Städtiſche Hilfe in der Hypothekenfrage greift daher über die Fürſorge für eine beſtimmte Bevölkerungs⸗ klaſſe weit hinaus. Dazu kommt, daß in Char⸗ lottenburg ein beträchtlicher Teil aller Kommunal⸗ ſteuern von dem Hausbeſitz an die Stadtkaſſe abge⸗ führt wird, die Stadt alſo auch aus dieſem Grunde