――― Chemische Industrié. 3139 Die Fusion war der Schlussstein des Zusammenschlusses der grossen deutschen chemischen Fabriken. Bereits im Jahre 1904 begann diese Bewegung durch eine engere Verbindung zwischen den Farbwerken vorm. Meister Lucius & Brüning und der Firma Leopold Cassella & Co. G. m. b. H. einerseits, sowie einer Interessengemeinschaft der Badischen Anilin- & Soda-Fabrik, Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co. und der Actien-Gesellschaft für Ahnilin-Fabrikation andererseits. Schon bei Abschluss des Dreibundes zwischen den letzt- gegnannten Firmen war man sich darüber klar, dass diese Interessengemeinschaft nur Vor- läufer einer in späterer Zeit erfolgenden völligen Verschmelzung sein würde. Die Lage, die in den Kriegsjahren für die auf Kriegsbetrieb umgestellte Teerfarbenindustrie entstand, pbrachte verstärkt die Notwendigkeit eines engeren Zusammenschlusses auf breiterer Basis. Der alte Dreibund wurde daher im Anfang des Jahres 1916 durch die Farbwerke vorm. Meister Lucius & Brüning, Höchst a. M., Kalle & Co. Aktiengesellschaft, Biebrich a. Rh., Leopold Cassella & Co. G. m. b. H., Frankfurt a. M., Chemische Fabrik Griesheim Elektron, Frankfurt a. M., Chemische Fabriken vorm. Weiler-ter Meer, Uerdingen a. Rh., erweitert zur Interessengemeinschaft der deutschen Teerfarbenfabriken. Der Interessen- gemeinschaftsvertrag wurde in Berlin am 18./8. 1916 anfänglich auf eine Dauer von 50 Jahren geschlossen, im Dezember 1920 jedoch bis zum 31./12. 1999 verlängert. Die SGelbständigkeit und eigene Organisation der Gemeinschaftsfirmen blieb gewahrt. Das Gesamtergebnis der Bilanzen wurde nach einem bestimmten Schlüssel unter die Firmen verteilt, wobei insbesondere bis zum Jahre 1919 das gesamte Stickstoffgebiet als Sonder- gebiet der Firmen Ludwigshafen und Höchst galt. Auch diese erweiterte Interessen- gemeinschaft konnte ihrer Form und ihrem Inhalt nach nur eine Übergangserscheinung sein. –Es war unmöglich, die natürlichen Interessengegensätze in vollem Umfang zu beseitigen und andererseits die Bindung derart zu verstärken, dass eine Kündigung erschwert oder ganz ausgeschlossen wurde. Hinzu kam die durch den Krieg und seine Folgen gänzlich veränderte Lage auf dem Weltmarkt, die neue, durch Zollmauern geschützte Konkurrenzen in fast allen Ländern entstehen liess, und die zu einer rationellen Gestaltung und Vereinfachung der Organisation durch Zusammenlegung insbesondere auf dem Farbstoffgebiete zwang. Aus diesen Gründen entschlossen sich die Firmen der Interessengemeinschaft unter Aufgabe lhrer Selbständigkeit zur Fusion. Die Firmen Leopold Cassella & Co. G. m. b. H., Frankfurt, und Kalle & Co. Aktiengesellschaft Biebrich, wurden nicht in die Fusion mit einbezogen, da ihre Kapitalien sich bereits zu einem überwiegenden Teil in den Händen der einzelnen I. G.-Firmen befanden. Den Firmen blieb vielmehr ihre rechtliche Selbständigkeit erhalten. Der kaufmännische und fabrikatorische Betrieb der Firma Leopold Cassella & Co. G. m. b. H. wurde gepachtet und wird unter dem neuen Firmennamen weitergeführt. Die Fabrikation und der Verkauf der Farbstoffe und pharmazeutischen Produkte der Firma Kalle & Co. Aktiengesellschaft wurden der I. G. übertragen und an deren Stelle neue Fabrikationen auf dem Gebiet der Cellulose-Veredlung, der Reproduktionstechnik u. a. aufgenommen. Die fusionierten Gesellschaften selbst haben folgende Entwicklung genommen: Badische Anilin- & Soda-Fabrik, Ludwigshafen a. Rh.: Unter den Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in rascher Folge ge- gründeten und emporwachsenden Anilinfarbenfabriken war auch die im Jahre 1861 als offene Handelsgesellschaft errichtete Chemische Fabrik Dyckerhoff, Clemm & Co., im Jahre 1863 umgewandelt in „Sonntag, Engelhorn & Clemm'“, die in Mannheim ihren Betrieb er- öffnete. Die Notwendigkeit einer engen Verbindung der Anilinfarbenfabrikation mit der Erzeugung anorganischer Produkte führte bald zur Erweiterung des Unternehmens und zur Gründung der Aktiengesellschaft Badische Anilin- & Sodafabrik am 6. April 1865, deren Fabrikanlagen auf der gegenüber liegenden Rheinseite in Ludwigshafen errichtet wurden. Der handelsrechtliche Sitz der Firma verblieb bis zum 1./7. 1919 in Mannheim. Zweck war die Herstellung von Anilinfarben und von Schwefel-, Salz-, Salpetersäure, Soda usw. Am 1./1. 1873 erfolgte Fusion mit den Firmen Rudolf Knosp und Heinrich Siegle, Stuttgart, die über eine gut ausgebildete Verkaufsorganisation verfügten. Die grossen Erfindungen aauf dem Farbstoffgebiet, insbesondere die Herstellung des Alizarins im Jahre 1870 und des synthetischen Indigos 1897 führten zu ungeahntem Aufschwung. In den wichtigsten Industriestaaten wurden besondere Verkaufsfilialen und aus patentrechtlichen Gründen auch Fabrikationsstätten errichtet (Neuville bei Lyon 1878 und Butirki bei Moskau 1879), Im Oktober 1907 wurde gemeinsam mit den Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co., Leverkusen, und der Actiengesellschaft für Anilin-Fabrikation, Berlin, die Steinkohlen- zeche Auguste Victoria, Hüls, Kreis Recklinghausen, erworben. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts wandte sich die Gesellschaft auch der Nutzbarmachung des Luftstickstoffs zu und gründete zusammen mit der Norwegischen Hydro-Elektrischen Stickstoff-Gesellschaft, den Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co., Leverkusen, und der Actiengesellschaft für Anilin-Fabrikation, Berlin, die Norwegischen Salpeterwerke am Rjukanfall. Als durch das Haber-Bosch-Verfahren die direkte Vereinigung von Stickstoff und Wasserstoff zu Ammoniak gelang, zog sie sich von dem norwegischen Unternehmen zurück und begann im Jahre 1912 unmittelbar nördlich der alten Fabrik in Ludwigshafen den Bau des Werkes Oppau. Infolge der Notwendigkeit erhöhter Stickstofferzeugung wurde im Jahre 1916 mit dem Bau des Ammoniakwerkes Merseburg begonnen, das aus gemeinsamen Mitteln der I. G.-Firmen 19*