2968 Chemische Industrie. da ihre Kapitalien sich bereits zu einem überwiegenden Teil in den Händen der einzelnen I. G.-Firmen befanden. Den Firmen blieb vielmehr ihre rechtliche Selbständigkeit erhalten. Der fabrikatorische u. der damit zus.hängende kaufmännische Betrieb der Firma Leopold Cassella & Co. G. m. b. H. wurde gepachtet u. wird unter dem neuen Firmennamen weiter- geführt. Die Fabrikation u. der Verkauf der Farbstoffe u. pharmazeutischen Produkte der Firma Kalle & Co. Aktiengesellschaft wurden der I. G. übertragen u. an deren Stelle neue Fabrikat. auf dem Gebiet der Cellulose-Veredlung, der Reproduktionstechnik u. a. auf- genommen. Die fusionierten Gesellschaften selbst haben folgende Entwicklung genommen: Badische Anilin- & Soda-Fabrik, Ludwigshafen a. Rh.: Unter den Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in rascher Folge ge- gründeten und emporwachsenden Anilinfarbenfabriken war auch die im Jahre 1861 als offene Handelsgesellschaft errichtete Chemische Fabrik Dyckerhoff, Clemm & Co., im Jahre 1863 umgewandelt in „Sonntag, Engelhorn & Clemmé', die in Mannheim ihren Betrieb er- öffnete. Die Notwendigkeit einer engen Verbindung der Anilinfarbenfabrikation mit der Erzeugung anorganischer Produkte führte bald zur Erweiterung des Unternehmens und zur Gründung der Aktiengesellschaft Badische Anilin- & Sodafabrik am 6. April 1865, deren Fabrikanlagen auf der gegenüber liegenden Rheinseite in Ludwigshafen errichtet wurden. Der handelsrechtliche Sitz der Firma verblieb bis zum 1./7. 1919 in Mannheim. Zweck war die Herstellung von Anilinfarben und von Schwefel-, Salz-, Salpetersäure, Soda usw. Am 1./1. 1873 erfolgte Fusion mit den Firmen Rudolf Knosp und Heinrich Siegle, Stuttgart, die über eine gut ausgebildete Verkaufsorganisation verfügten. Die grossen Erfindungen auf dem Farbstoffgebiet, insbesondere die Herstellung des Alizarins im Jahre 1870 und des synthetischen Indigos 1897 führten zu ungeahntem Aufschwung. In den wichtigsten Industriestaaten wurden besondere Verkaufsfilialen und aus patentrechtlichen Gründen auch Fabrikationsstätten errichtet (Neuville bei Lyon 1878 und Butirki bei Moskau 1879). Im Oktober 1907 wurde gemeinsam mit den Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co., Leverkusen, und der Actiengesellschaft für Anilin-Fabrikation, Berlin, die Steinkohlen- zeche Auguste Victoria, Hüls, Kreis Recklinghausen, erworben. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts wandte sich die Gesellschaft auch der Nutzbarmachung des Luftstickstoffs zu und gründete zusammen mit der Norwegischen Hydro-Elektrischen Stickstoff-Gesellschaft, den Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co., Leverkusen, und der Actiengesellschaft für Anilin-Fabrikation, Berlin, die Norwegischen Salpeterwerke am Rjukanfall. Als durch das Haber-Bosch-Verfahren die direkte Vereinigung von Stickstoff und Wasserstoff zu Ammoniak gelang, zog sie sich von dem norwegischen Unternehmen zurück und begann im Jahre 1912 unmittelbar nördlich der alten Fabrik in Ludwigshafen den Bau des Werkes Oppau. Infolge der Notwendigkeit erhöhter Stickstofferzeugung wurde im Jahre 1916 mit dem Bau des Ammoniakwerkes Merseburg begonnen, das aus gemeinsamen Mitteln der I. G.-Firmen finanziert und im Jahre 1920 einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung übertragen wurde. (Ammoniakwerk Merseburg G. m. b. H., Kapital ursprünglich P 500 000 000, umgestellt am 18./12. 1924 auf R 135 000 000). Zur Deckung des Braunkohlenbedarfs für Merseburg sicherte man sich schon frühzeitig in Mitteldeutschland eine Reihe von Braunkohlengruben ganz oder durch Ankauf der Aktienmajorität. Gleichzeitig wurde zur Sicherstellung der Versorgung mit Gips das Gipswerk Niedersachswerfen errichtet, das heute von der Ammoniakwerk Merseburg G. m. b. H. betrieben wird, nachdem schon vor dem Kriege für die Versorgung von Werk Oppau das Gipswerk Neckarzimmern in Betrieb genommen war. Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co., Leverkusen: Im Jahre 1850 gründete Friedr. Bayer sen. in Barmen ein Unternehmen, das zunächst dem Verkauf natürlicher Farbstoffe gewidmet war. Im Jahre 1863 begann er mit der plan- mässigen Herstellung der künstlichen Teerfarbstoffe und wandelte die Firma in Friedr. Bayer & Co. um (Teilhaber Friedrich Weskott). Auch hier führten die wissenschaftlichen Ent- deckungen zu einer ausserordentlichen Entwicklung des Unternehmens. Bald ergab sich die Notwendigkeit, die Firma auf breitere Basis zu stellen und in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, die am 11./6. 1881 unter dem Namen „Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co.“ in Elberfeld eingetragen wurde. Hervorzuheben ist die erfolgreiche Ein- führung der Alizarin- und Schwefelfarben. In der zweiten Hälfte der Soer Jahre wurde die Fabrikation pharmazeutischer Produkte aufgenommen, die zu grossen Erfolgen führte. Zu nennen sind unter vielen anderen Präparaten Aspirin, Adalin, Heroin, Protargol, Veronal sowie aus der neuesten Zeit insbesondere Bayer 205, das Mittel gegen die Schlaf- krankheit. Die Entwicklung führte u. a. auch zu erfolgreicher Betätigung auf dem Gebiet der Photographica. Da das Elberfelder Fabrikgelände eine Ausdehnung des Werkes nicht ermöglichte, begann man 1891 mit der Errichtung einer neuen Fabrik in Leverkusen bei Köln a. Rh. Im Mai 1912 wurde der Sitz der Firma von Elberfeld nach Leverkusen verlegt. Die handels- und zollpolitischen Verhältnisse des Auslandes bedingten die Errichtung und Beteiligung an ausländischen chemischen Fabriken wie in Moskau, Flers bei Roubaix in Frankreich, Schoonaerde in Belgien, Bromborough in England (gemeinsam mit Ludwigs- hafen und Berlin) und Albany in Nordamerika.