Kammgarnspinnerei Stöhr & Co. Aktiengesellschaft in Leipzig Bemerkungen zum Abschluß per 31. Dezember 1935: Der Verlauf des zweiten Jahres, in dem die deutsche Wollwirtschaft einer staatlichen Beauf- sichtigung unterworfen war, gestaltete sich im all- gemeinen zufriedenstellend, denn die Versorgung mit Rohstoffen ermöglichte es, fast die gleiche Produk- tion wie im Jahre 1934 zu erreichen. Die Belegschaft konnte bis gegen Ende des vergangenen Jahres mit einer 42-stündigen wöchentlichen Arbeitszeit beschäf- tigt werden. Die Gesellschaft erzielte diese Produk- tion insbesondere dadurch, daß sie sich neben dem Inlandsgeschäft intensiv mit dem Export –— sowohl dem direkten, wie dem indirekten –, als auch mit der Herstellung von Mischgarnen befaßte. Der Export- frage stehen vielerlei Schwierigkeiten entgegen in der Konkurrenz gegen die Länder mit abgewerteter wWährung und in der Höhe der Steuern, Abgaben und gesetzlichen Aufwendungen. Es gelang, den Export- anteil wieder wie in früheren Jahren auf etwas über 20 % des Auftragsbestandes zu steigern. Die früheren Probleme sind soweit gelöst, daß die Zellwolle für viele Waren auch bei freier Kon- kurrenz ein wertvoller neuer Textilrohstoff bleiben wird, denn sie kommt heute bereits für Exportware in Betracht, wenn auch zunächst noch in der Ab- nehmerschaft eine gewisse Abneigung gegen die aus Mischgarnen hergestellten Waren besteht. Die Wollpreise auf dem Weltmarkt sind im letzten Jahre um ca. 30 % gestiegen infolge einer etwas ge- ringeren Weltproduktion an Wolle, femer auch durch den besseren Geschäftsgang in anderen Ländern, und schließlich trugen wohl auch die Rüstungen vieler Nationen zu einem größeren Wollkonsum und damit zur Erhöhung der Preislage bei, so daß die Woll- versorgung in diesem Jahre wahrscheinlich schwieriger sein wird. Diese Schwierigkeiten zwangen leider zur Einschränkung der Arbeitszeit zunächst um weitere 10 %. Die privaten Verrechnungs- geschäfte (Warenaustauschgeschäfte), die die Firma bisher durch ihre Einkaufsorganisation in Sydney tätigen konnte, werden in Zukunft nicht mehr möglich sein. Das Unternehmen hat für die Beschaffung australischer Wolle ein Ausländersonderkonto für Inlandszahlung (Aski) zur Verfügung. Wie sich die Bezüge hierüber gestalten werden, ist noch nicht ab- zusehen. Der Kammzugbestand der deutschen Lohn- kämmereien liegt Ende 1935 weit unter normal. Auch von dieser Seite aus gesehen erscheint die Bedarfs- deckung völlig ungenügend. Die Bilanz am 31. Dezember 1935 läßt zwei wich- tige Veränderungen gegenüber dem Vorjahr erkennen: Das Konto „Beteiligungen“ ist von RM 10 435 021.– auf RM 8 532 925.– ermäßigt. Von dem Grundkapital erscheint ferner das Stammkapital mit nom. Reichs- mark 12 600 000.– in der Bilanz, also um 10 % niedriger als bisher. Gegen Hingabe von nom. hfl. 1 250 000.– Aktien der N. V. Maatschappij voor Textielondernemingen (Mavotex), Amsterdam, an diese Gesellschaft hat die Kammgarnspinnerei Stöhr & Co. A.-G. aus holländischem Konzernbesitz diese 10 % = nom. RM 1 400 000.– der Stammaktien erhalten und ferner einen nicht erheblichen Posten anderer deut- scher Aktien sowie einen Betrag von Forderungen der Mavotex nach Deutschland übernommen. Während die konzernfremden Aktien verkauft wurden, wurde der verbliebene Posten als dauernde Beteiligung ver- bucht. Unter den Forderungen gegen deutsche Debi- toren befindet sich auch eine solche an eine dem Unternehmen befreundete Gesellschaft. Dadurch hat sich der Posten „Darlehen an Konzerngesellschaften“ 4648 in der vorliegenden Bilanz auf RM 844 693.30 erhöht. Mit Rücksicht auf die Devisenbestimmungen wird in der Bilanz einerseits der Kaufpreisrest aus dem Ab- tausch der Aktien einschließlich Zinsen in Höhe von hfl. 669 430.99 = RM 1 132 476.40 als Forderung an die Mavotex und andererseits der Gegenwert für die von ihr übernommenen deutschen Forderungen der Mavotex einschließlich Zinsen in gleicher Höhe als Verbindlichkeit gegenüber dieser Gesellschaft geführt. Sowohl der gewährte, als auch der in Anspruch ge- nommene Kredit ist unkündbar bis zum 31. Dezember 1945. Die Mavotex hat mit den vorerwähnten nom. hfl. 1 250 000.– Aktien zuzüglich ihr von anderer Seite überlassenen nom. hfl. 250 000.– eigenen Aktien noch im Jahre 1935 ihr eingezahltes Stammkapital von nom. hfl. 3 000 000.– auf nom. hfl. 1 500 000.— herabgesetzt. Die Mavotex hat auch 1935 befriedigend gearbeitet. Im Jahre 1936 wurden etwas über nom. Reichs- mark 1 250 000.– Aktien der Leipziger Wollkämmerei (LWK), Leipzig, aus dem Besitz an die Thüringer Wollgarnspinnerei Aktiengesellschaft, Leipzig, ver- kauft. Der Erlös dieses Verkaufs kommt dem laufenden Jahre zugute. Aus dem Buchgewinn aus der Einziehung von nom. RM 1 400 000.– Aktien der Gesellschaft ist ein Betrag von RM 500 000.— für einen besonderen Zweck zurückgestellt worden. Es handelt sich um folgendes: Im Geschäftsbericht für das Jahr 1931 war an- läßlich der damals vorgeschlagenen Einziehung von nom. RM 2 000 000.– Stammaktien der Gesellschaft gesagt worden, daß die einzuziehenden Aktien sowie der Besitz von Aktien des Unternehmens bei be- freundeten Gesellschaften in der Hauptsache aus ur- sprünglich amerikanischem Besitz herrührten, und daß die Rücknahme damals erfolgt sei, weil dieses ameri- kanische Paket in die Hände eines großen Kon- kurrenzunternehmens überzugehen drohte, wodurch die Aufrechterhaltung der Selbständigkeit des Unter- nehmens gefährdet worden wäre. An diesen dem Schutze gegen Ueberfremdung dienenden Maßnahmen hat sich damals auch ein privates Konsortium be- teiligt, bestehend aus dem früheren inzwischen ver- storbenen Aufsichtsratsvorsitzenden Herrn Dr. Max Gutknecht sowie den Herren Georg Stöhr und Walter Cramer. Und zwar übernahm dieses Konsortium, um den Betrag der von der Gesellschaft selbst und ihren Tochtergesellschaften zu übernehmenden Aktien nicht allzu groß werden zu lassen, einen erheblichen Posten Stöhraktien zu dem damaligen sehr hohen Kurse. Finanziert wurde dieses Geschäft in der Hauptsache durch Aufnahme eines Kredites durch das Konsortium im Auslande. Dieser Kredit ist zum überwiegenden Teil von den Mitgliedern des Konsortiums in der Zwischenzeit bis auf einen Betrag in Höhe des Gegen- wertes der Rückstellung abgedeckt worden. Das Kon- sortium hat hierbei außergewöhnlich hohe Verluste auf sich nehmen müssen. Der Aufsichtsrat hat es daher begrüßt, daß der aus der jetzt zur Beschluß- fassung stehenden Einziehung von Aktien sich er- gebende Gewinn die Möglichkeit geschaffen hat, Vor- sorge dafür zu treffen, daß ein Teil dieses Verlustes, der sich auf weniger als 30 % des Gesamtverlustes des Konsortiums errechnet, den Mitgliedern des Kon- sortiums zu Lasten der Gesellschaft abgenommen wird. Da der in Anspruch genommene Kredit im Ausland aufgenommen ist, ist seine Abdeckung im Augenblick nicht möglich. Es handelt sich daher zu- nächst um eine Rückstellung. Aganz