Eisenhüttenwerk Thale Aktien-Gesellschaft, Thale am Harz inspektor Johann Karl Bennighaus, in Erbpacht ge- geben, und zwar gegen Zahlung eines Erbstandsgeldes von 800 Talern und eines jährlichen Erbpachtkanons von 300 Talern. Das Erbpachtverhältnis ging, ver- mutlich infolge des Gesetzes vom 2. März 1850, in Eigentum über; wenigstens wird Bergrat Bennighaus bei seinem Tode als Besitzer des Eisenhüttenwerks bezeichnet. Diese Epoche war für die Entwicklung des Hütten- werks von erheblicher Bedeutung. 1831 entstand hier die erste deutsche schmiedeeiserne Wagenachse. Im Jahre 1835 wurde das erste emaillierte Kochgeschirr, das man damals nur innen zu emaillieren verstand, hergestellt. Die äußere Seite und der Rand der Geschirre wurden mit schwarzer Farbe angestrichen. Daneben wurden Bleche, die größtenteils zu Koch- geschirren und bei der Nagelfabrikation Verwendung fanden, ferner Aexte, Beile u. a. m. angefertigt. Die Arbeiterzahl betrug ca. 150 Mann. Unter den Söhnen des Bergrats Bennighaus geriet das Werk infolge ungünstiger Geschäftslage in Kon- kurs und gelangte dabei 1862 in die Hände des Berliner Stadtrates Emil Soltmann, der mit tüchtigen Fachleuten den Weiterbetrieb ermöglichte. Bestimmend für die einstige Gründung war offen- bar die unmittelbare Nähe von Erz, Brennstoffen und Betriebskräften, womit die natürlichen Grundlagen des Hüttenbetriebes gegeben waren. Erz wurde im Tiefenbachtal gebrochen, Brennstoffe lieferte der nahegelegene Wald, Betriebskräfte die Bode an der noch heute benutzten Stelle. Für den Beginn waren somit die Bedingungen günstig. Als aber mit dem Ersatz der Holzkohlen durch die Steinkohlen der Kokshochofen- und Puddelprozeß die mit Holzkohlen betriebene Industrie in den Hintergrund drängte, erwies sich, daß die Erzlagerstätten nicht reich genug waren, um die Umwandlung in den Kokshochofen- betrieb dauernd lohnend zu gestalten. Zur rentablen Weiterführung des Betriebes mußten daher nunmehr die benötigten Rohstoffe, Roh- und Alteisen, bezogen werden. Diese wurden in Holzkohlen-Frischfeuern durch mit Wasserkraft betriebene Hämmer und Walzen zu Fertigfabrikaten, als Achsen, Beile, Aexte, Schaufeln, Bleche usw. verarbeitet, die durch ihre hervorragende Güte den weitverbreneten Ruf des Werks begründeten. Im Jahre 1872 wurde das Werk in eine Aktien- gesellschaft umgewandelt, der es vorbehalten war, unterstützt durch verbesserte Verkehrswege und durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes, das Werk zur Steinkohlenindustrie überzuführen, indem dieselbe ein Puddel-, Stabeisen- und Blechwalzwerk erbaute. Doch auch diese neugeschaffene Grundlage wurde uner- wartet in dem kurzen Zeitraum von kaum 10 Jahren durch die gewaltige Umwälzung, welche sich durch den Flußeisenprozeß in der Eisendarstellung vollzog, unbrauchbar. Die durch den Flußeisenprozeß ermög- lichte Massenfabrikation machte das Puddeln sowie die Schweißeisenerzeugung unrentabel. Neue Daseins- bedingungen mußten daher für das Werk geschaffen werden, die in der Veredelung und Verfeinerung der früher hergestellten rohen Handelsware gefunden wurden. Bei der Umgestaltung der Betriebe wurden hierbei als Besonderheiten des Werks emaillierte Gußwaren, gestanzte und emaillierte Blechwaren aus- gebildet. Diese Verfeinerungsindustrie, deren Ausge- staltung ein langer und schwieriger Weg war, hat dem Werk ein weites, lohnendes Arbeitsfeld zu sichern vermocht. Diaias Hauptrohmaterial für die Fertigfabrikate war letzt vor allem basisches Siemens-Martin-Flußeisen, das von westfälischen Hüttenwerken in Form von 5512 Platinen bezogen werden mußte. Die bei der Fabrika- tion entstandenen Abfälle, die 1898 etwa 6000 t be- trugen, wurden wieder an westfälische Martinwerke mit einer Frachtbelastung von etwa 20 % des Markt- wertes verkauft. Um nun einerseits diese Abfälle durch Wiederverarbeitung selbst ö6konomisch ver- werten und damit die Fracht für diese wie auch für die Platinen sparen zu können, um andererseits in der Lage zu sein, ein für die hohen Anforderungen geeignetes Flußeisenmaterial selbst zu erzeugen, wurde das Puddel- und Stabeisenwalzwerk stillgelegt und 1899 damit begonnen, ein Martin- und Blockwalzwerk zu errichten sowie im Anschluß daran die vorhandenen Blechwalzwerke auszubauen. 2 Martinöfen von je 25 t Fassungsvermögen wurden 1900 dem Betriebe übergeben. Durch diese Ergänzung der Betriebsanlage ist ein in sich geschlossener Gesamtvorgang der Eisendarstellung zur Durchführung gelangt, der das Werk auch von den Flußeisenwerken des westfäli- schen Industriebezirks unabhängig gemacht hat. 1920 Erwerb der Gesellschaft für Steinfabrikation und Bergbaubetrieb Thale a. H. m. b. H. 1929 Aufnahme eines auf 5 Jahre unkündbaren sichergestellten Kredites in Höhe von $ 125 000.– zur Abdeckung der Bankverpflichtungen, Anschaffungen und Betriebsergänzungen. Nachdem 1934 die 5 Jahre abgelaufen waren, wurde diese Anleihe bis zum 31. Dezember 1935 bis auf $ 51 000.— getilgt. 1930 Gründung einer Werkhandelsgesellschaft unter der Firma Werkshandelsgesellschaft der Eisen- hüttenwerk Thale Akt.-Ges. m. b. H., mit dem Sitz in Thale. 1934 Erwerb von weiteren Aktien der Sohler- Werke Aktiengesellschaft, Staßfurt-Leopoldshall. Am 6. Juni 1936 konnte die Gesellschaft den Tag ihres 250 jährigen Bestehens feiern. Im Laufe der 250 Jahre ist das Werk mannigfachen Wandlungen unterworfen gewesen. Trotz ungünstiger Standorts- verhältnisse und Wettbewerbsbedingungen hat sich das Werk, dank seiner in der ganzen Welt anerkannten Qualitätsware, zu dem größten Emaillierwerk Europas aufschwingen können. Daß das Unternehmen mit der Zeit hat Schritt halten können, hat es dadurch be- wiesen, daß hier zuerst der deutsche Stahlhelm ent- wickelt und daß am Tage des Jubiläums eine neue vollautomatisch arbeitende Blechwalzwerksanlage in Betrieb genommen wurde. Diese Anlage dürfte die größte und modernste ihrer Art in Europa sein. Das heutige Werk besteht aus folgenden Haupt- Betriebsabteilungen: 1. Blechherstellung (Stahl-, Siemens-Martin-, Elektro- und Walzwerke): 22 Feinblech-Fertiggerüste, großes Spezial-Kalt- blechwalzwerk; .Geschirrherstellung: Preßö-, Stanz- und Ziehwerke nebst kompletter Blechwarenfabrik mit anschließendem Emaillier- werk; . Gußwarenherstellung: Eisengießereien, Schwermetall- und Leichtmetall- Gießereien für Handels-, Maschinen-, Qualitäts- sowie sämtlichen Sanitäts-Guß einschließlich Bade- wannen mit anschließendem Emaillierwerk; Großgefäßherstellung: Schweißwerke, Großbehälterbau, Faßfabrikation usw. mit anschließendem Großemaillierwerk. Die Anlagen liegen unmittelbar nebeneinander, stellen jedoch vollständig selbständig getrennte Fabriken dar, die nur in der Oberleitung zusammen- gefaßt werden.