1926/27 war ein erheblicher Geschäftsaufschwung zu verzeichnen, der nach Meinung der Siemens- Verwaltung sogar ungesund schnell eintrat und keine Sicherheit dafür bot, daß ein derartiger Beschäftigungs- grad längere Zeit anhalten werde. Die Auslands- organisation wurde erweitert. Der Auslandsabsatz der S8 & HI betrug etwa ein Drittel des Gesamt- umsatzes. 1927/28 gingen die Neubestellungen der Reichspost stark zurück und auch die älteren Aufträge mußten gestreckt werden. Da aber auf anderen Gebieten für diesen Ausfall Ersatz geschaffen wurde, konnten sogar zahlreiche neue Arbeitskräfte eingestellt werden. Die Posten Bankguthaben und Wertpapiere gingen von RM 51.6 Mill. bzw. RM 50.4 Mill. auf RM 27.4 Mill. bzw. RM 34.4 Mill. zurück, nahmen also zusammen um RM 40 Mill. ab. Der Buchwert der Be- teiligungen stieg um RM 20 Mill., der der Vorräte um RM 15 Mill. und der der Forderungen um RM 22 Mill. Im Februar 1928 brachte die S & H A. G. ihre Ab- teilungen für Eisenbahnsicherungswesen in die ge- meinsam mit Jüdel (jetzt: Braunschweiger A.-G. für Industriebeteiligungen), deren Aktienmehrheit S & H besitzt, und der AEG neugegründete Vereinigte Eisen- bahn-Signalwerke G. m. b. H., Berlin-Siemensstadt, ein; jede der neuen Gründerfirmen übernahm von dem RM 12 Mill. betragenden Kapital der neuen Fabri- kationsgesellschaft 337 %. Im Mai 1928 wurden die ausgedehnten Anlagen der S & H A. G. zur Herstellung von Kohlefabrikaten mit gleichartigen Werken der Rütgerswerke A.-G. in der mit RM 18 Mill. gegründeten Siemens-Planiawerke A.-G. für Kohlefabrikate ver- einigt. 1928/29 wurden die Beziehungen zu der früheren Tochtergesellschaft in England, der Siemens Brothers & Co. Ltd., wieder aufgenommen und die Beziehungen zu der Elektrische Licht- und Kraftanlagen A.-G., Berlin, auf eine neue Grundlage gestellt. Die bisher nur zur Hälfte eingezahlte Dollaranleihe von 1926 wurde voll eingezahlt. Die dauernden Beteiligungen wurden RM 18 Mill. höher ausgewiesen; hauptsächlich durch den Ankauf südamerikanischer Fernsprech- gesellschaften zeigte das Konto Unternehmungen bzw. Beteiligungen an solchen einen Zuwachs um fast RM 5 Mill. 1929/30 wurde durch das Bankhaus Dillon, Read & Co. in New York eine Anleihe von Dollar 14 Mill. (Gold-Debentures), verzinslich in Höhe der Stamm- aktien-Dividende der S & H, mindestens jedoch mit 6 %, und in Berlin eine Feingoldanleihe im Betrage von RM 10 Mill. unter den gleichen Bedingungen auf- genommen, um dem Hause eine größere finanzielle Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Die Produktion von S & H wurde 1929/30 stark eingeschränkt; in das neue Geschäftsjahr wurden weit kleinere Vorräte an Halb- und Fertigfabrikaten übernommen als in früheren Jahren. Der Umsatz hielt sich ungefähr auf der Höhe des Vorjahres. 1930/31 stieg der Anteil des Auslandsgeschäftes auf 42 %. Mit etwas über 5 % Rückgang gegenüber 1929/30 blieb der Umsatz erheblich hinter der Gesamt- schrumpfung des deutschen Industrieumsatzes zurück. Is Kennzeichen des Geschäftsjahres 1930/31 gab die Siemens-Verwaltung einen andauernden Bedarfsrück- gang der Kundschaft und in besonders hohem Maße den Rückgang der Behördenaufträge, verschärfte Konkurrenz und Rückgang der Preise an. Günstig 349* Handbuch der Deutschen Aktiengesellschaften 1936, IV Siemens & Halske Aktiengesellschaft beeinflußt wurde der bilanzmäßige Erfolg durch Auslandsaufträge, die erst 1930/31 verrechnet wurden, obwohl die Lieferungen schon früher erfolgt waren; außerdem wurden Beteiligungserträgnisse erst 1930/31 buchmäßig vereinnahmt, und schließlich machte die Verkleinerung der Lager stille Reserven frei. Anderer- seits hat aber die Anlage der flüssigen Mittel, die sich infolge der seinerzeit aufgenommenen Anleihen stark vermehrt hatten, und die zum großen Teil in fest- verzinslichen Werten angelegt wurden, durch die darauf gemachten Abschreibungen erhebliche Ver- luste gebracht. Die einzelnen Geschäftszweige der S & H A. G. haben sich 1930/31 verschieden entwickelt. In der Fernmeldeabteilung trat, hauptsächlich durch das Nachlassen der Behördenaufträge, ein weiterer Beleg- schaftsrückgang um etwa 13 % ein. Das Rundfunk- geschäft brachte noch guten Absatz. Das Fernsprech- Vermietgeschäft entwickelte sich weiter. In Fern- sprechkabeln ging der Bestellungseingang erheblich zurück, aber auch hier konnten noch ansehnliche Auslandsaufträge hereingenommen werden. Besonders erfohgreich war die S & H A. G. in der Errichtung großer Zählereichanlagen. Das Auslandsgeschäft konnte mengenmäßig, wenn auch unter Opfern, im früheren Umfange aufrechterhalten werden. Die Vielseitigkeit der Fabrikation der S & I hat teilweise mildernd gegen die Krise gewirkt. 1931/32 Die elektrotechnische Industrie als Ganzes blickt auf das Jahr 1931/32 als auf ein unge- wöhnlich schweres Jahr zurück. Der allgemeine Be- schäftigungsrückgang und die Kreditkrise machten sich jedoch verschieden stark bemerkbar, so im Schwachstromgeschäft weniger als beim Starkstrom- geschäft. Der Rückschlag, der im Starkstromgeschäft bereits 1929 einsetzte, wurde aber gemildert durch die Langfristigkeit der Arbeitsgänge und durch die Viel- seitigkeit der Produktion. Die bemerkenswerteste Erscheinung des S & H- und SS W-Abschlusses per 30. September 1932 ist die außerordentliche Zunahme der auch schon früher sehr hohen Liquidität. Das Haus Siemens hat in guter Zeit stille Reserven geschaffen. Die stillen Re- serven, mit denen die Siemens-Unternehmungen Ueberbrückungen und Ausgleiche vornehmen, sind allerdings nicht nachzurechnen; eine Reserve, die bis- her nicht angetastet worden ist, ist die Abbuchung sämtlicher Betriebsmaschinen und Einrichtungen auf je eine Reichsmark. Die S & H A.-G. weist per 30. Sep- tember 1932 nach Entnahme von RM 4.5 Mill. offene Reserven in Höhe von rund RM 123 Mill. aus, d. h. erheblich mehr als das Umlaufkapital. 1932/33 Der letzte Teil des Geschäftsjahres 1932/33 zeigte wieder Bestellungen, die nicht unerheb- lich über den Fabrikationsziffern lagen und daher die Gewähr einer erhöhten Beschäftigung im Ge- schäftsjahr 1933/34 bieten. Der Umsatz ging gegen- über dem Vorjahr von RM 186 Mill. auf RM 144 Mill. zurück. Zusammen mit den durch Mehrheitsbesitz kontrollierten Gesellschaften konnte das Haus Siemens nach Bezahlung von ausländischen Roh- stoffen, Verzinsung und Amortisation von Wäh- rungsschulden sowie Unterhaltung seiner ausländi- schen Organisation im Geschäftsjahr 1932/33 noch einen Gegenwert von RM 53 Mill. = rd. 8 % des gesamten deutschen Außenhandelsüberschusses (1931/32: RM 67 Mill.) trotz des Exportrückganges 5571