1904 / 285 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 03 Dec 1904 18:00:01 GMT) scan diff

seitdem ist die Regierung in keiner Weise zurückhaltend gewesen mit der Gewährurg von weiteren Richterstellen; es ist vielmehr in ungewöhnlihem Maße den Anträgen auf Vermehrung der Richter- kräfte stattgegeben worden. Meine Herren, ih gebe unumwunden zu, daß diese Vermehrung der Richterkräfte in Verbindung mit der erhöhten Tätigkeit der Anwälte zu einer wesentlihen Verbesserung der Zustände geführt hat. Aber diese Zustände sind noch weit entfernt davon, befriedigend zu sein. Auch jetzt liegt die Sache noch so, daß, obgleich jeder Senat abweihend von der Uebung in den anderen Provinzen der Monarchie drei Sitzungen wöchentlich abhält sfonst werden nur zwei Sißungen von jedem Senat abgehalten —, um den Anwälten in reihlihem Maße zur Ver- fügung zu stehen, daß troßdem eine große Zahl der Sihungen nur ungenügend ausgenügt wird, weil die Anwälte mit den zu den be- treffenden Sißungen anberaumten Sachen nit fertig sind, nicht er- scheinen, niht plädieren. Der Herr Oberbürgermeister Becker hat Fhnen empfohlen, doch mit diesen Versuchen fortzufahren und zu sehen, ob nit auf diesem Wege eine dauernde und anhaltente Besse- rung erzielt werden kann. Meine Herren, ih glaube nicht, daß Sie der Regierung raten werden, diesen Weg zu beshreiten. Die Erfahrungen der leßten 15 Jahre lassen die begründetsten Zweifel darüber ent- stehen, ob erteblich mehr erreiht werden kann, als bisher auf diesem Wege erreiht ist. Obgleich die Cölner Anwälte unter dem Drucke dieses Gesetzentwurfs stehen und deshalb in ungewöhnlicher Weise si bemüht haben, keinen Grund zu Klagen und Be- \hwerden zu geben, so ist dech gerade in den leßten Monaten des Jahres ein nicht unerheblihes Nachlassen der Tätigkeit der Anwälte, soweit es sich um den Sigzungsdienst handelt, hervor- getreten. Die letzten Sißungen vor den Gerichtsferien, in denen überall sonst mit verstärkten Kräften, mit doppeltem Dampf gearbeitet wird, um möglichst viel aufzuräumen, ehe di: lange Unterbrehung dur die Ferien eintritt, haben in Cöln das entgegengeseßte Ergebnis gezeigt. So haben am 9. Juli cine Sitzung eine Stunde, eine andere 30 Minuten gedauert; am 11. Juli eine Sizung 1 Stunde 29 Mi- nuten, eine andere 40 Minuten und eine dritte 1 Stunde 50 Minulen; am 12. Juli eine Sitzung 15 Minuten und eine andere 30 Minuten; am 13. Juli eine Sißzung 1 Stunde 45 Minuten, eine andere 15 Minuten, und am letzten Tage vor den Ferien, am 14. Juli, hat eine Sizung 1 Stunde, eine andere 30 Minuten und zwei andere 2 und 3 Stunden gedauert. Nebzrall wird als Begründung angeführt, daß die Sachen nicht bereit waren, und in einem Falle wird ausdrücklich angeführt, daß die Anwälte erklärt hätten, mit Rücksicht auf die Nähe der Ferien seien sie uicht geneigt, die Sachen zu plaidieren.

Nach den Ferien, wo nah diesen zahlreihen Ausfällen eine be- sonders rege Teilnahme an den Sitzungen angezeigt gewesen wäre, sind die Verhältnisse auch niht wesentli befriedigender geworden.

Mit all diesen Zahler ist am Ende nicht viel gemacht, aber es befinden si in diesem Saale eine Anzahl von Herren, die der Rhein- provinz angehören, inébefo1 zahlreiche rheinische Oberbürgermeister außer dem Herrn Oberbürgermeister von Cöln, und wenn Sie die Herren fragen, wie sih nah ihren Erfahrungen die Zustände in Côln gestaltet haben, und wie das Urteil der Bevölkerung darüber lautet, ob das Oberlandesgericht den Anforderungen entsprehe, die an eine geordnete Rechtspflege gestellt werden müssen, dann werden sie, glaube ih, zu einem anderen Ergebnis kommen, als dasjenige ist, was der Herr Oberbürgermeister von Cöln vorgetragen hat.

Es werden Vergleiche angestellt mit anderen Gerichten, und Herr Oberbürgermeister Becker hat Ihnen eine Statistik vorgetragen, die

im Abgeordnetenhause am Schluß der Session in der leßten Sißung j

von dem Abg. Keil, einem Cölner Richter, mitgeteilt worden ist, eine Statistik, die sih allerdings auf offizielle Grundlagen stügt, die aber n ihren Ergebnissen deshalb unzutreffend ist, weil sie s{heinbar bei der Verteilung der zu erlcdigenden Sachen auf die dabei tätigen Richter von nicht zutreffenden Vorautsseßungen ausgegangen ist. Die Ergeb- nisse weihen erbeblich von unseren amtlihen Feststellungen ab, und wenn nah dieser Uebersicht in Cöln im vorigen Jahre auf den Richter 64 Urteile gekommen sein follen, so kommen Vie wur aur 20 uno einen Teinen Bru): wir müssen also annehmen, daß mit einem falschen Divisor gerehnet worden ist von dem Bearbeiter, dem nah dieser Richtung hin das Material wohl nit vollständig zu Gebote gestanden hat. Es werden insbesondere Vergleihe angestellt mit dem Kammergericht und es wird behauptet, daß die Leistungen des Oberlandesgerihts Cöln sogar diejenigen des Kammergerichts überragen. Dies ist tatsächlich durh- aus unrihtig. Das Kammergericht ift das beschäftigste aller Gerihte der Monarchie, es leistet im Augenblick erheblich mehr. Das Kammergericht ist mit einer ganzen Reihe von besonderen Auf- gaben betraut, für die bei den übrigen Oberlandesgerihten kein Raum ist. Es ift das höchste Nevisionsgericht für alle Strafsachen, soweit es sih dabei um preußishe Landesgeseße, nicht um NReichsgeseßze handelt; es is die höchste Instanz für alle Beshwerden auf dem Gebiete der freiwilligen Gecichtébarkeit, der Grundbuchgeseßgebung, des Nachlaß1echts usw. Daraus erwahsen ihm außerordentlich \{chwierige Aufgaben. Ein Teil der Mitglieder des Kammergerichts ist kraft Gesetzes zugleih zu Nebenämtern verpflichtet, so z. B. beim Gerichtéhof für die Entscheidung der Kompetenzkonflikte. Verschiedene Herren nehmen teil an den Arbeiten des Reichsversicherung8amts, das Wert darauf legt, daß die richterliten Kräfte, die ihm kraft Gesetzes angehören müssen, nit lediglih aus den Gerichten erster Instanz entnommen werden, sondern das auch erfahrene und besonders erprobte Richter der höheren Instanz, also des Kammergerichts, ihm angehören.

Meine Herrcn, für diese besonderen Aufgaben, die dem Kammer-s gericht obliegen, ist selbstverständlih bei der Berehnung der Stellen ein Abzug gemacht, die in Betr3cht kommen für die Erledigung der Zivilprozesse. Aber dieser Abzug geht in keiner Weise über das rechte Maß hinaus. Es kommt hinzu, daß das Kammergericht in ganz un- gewöhnlihem Maße, wie kein anderes Oberlandeêsgeriht in der Mon- archie, inébesondere auch nicht Cöln, in Anspruch genommen ist durch die Erledigung der Beweisaufnahmen.

Die Beweisaufnahmen müssen bei den Oberlandesgerichten vor dem Kollegium oder vor einem Nichter des Kollegiums stattfinden wenn die Zeugen und Sachverständigen dem engeren Amtsgerichts- bezirke angehören, in dem das Oberlandesgericht seinen Sitz hat, also hier im Bezirke der großen Amtsgerichte T und Il in Berlin. Von den Kammergerihtsprozessen rühren */6 aus Berlin und nur !/s von außerhalb; deshalb muß die große Mehrzahl ter Zeugen und Sach- verständigen vor dem Kammergeriht vernommen werden. Vor ein

paar Jahren, ich glaube im Jahre 1902 oder 1901, ist eine Auf- stellung gemacht worden, in welhem Maße dadurch das Kammergericht in Anspru genommen worden ist; es hat sich ergeben, daß in diefen Sahren 9000 Zeugen und Sachverständige vernommen waren, teils vor dem Kollegium, teils durch kommissarishe Richter. Das ist ein Arbeitsmaß, was nach der Schäßung der JFustizbehörden mindestens die Tätigkeit von 5 Mitgliedern des Geriht8hofs vollständig absorbiert. Bei Cöln ist dies nur in verhältnismäßig versGwindendem Maße der Fall; diese Mehr- belastung fällt dort vollständig aus.

Nun, meine Herren, hat der Herr Oberbürgermeister Becker eine Neihe von Gründen vorgetragen gegen die Teilung des Gerichts, die zum Teil aber bereits im Abgeordnetenhause und in Ihrer Kommission auf das Eingehendste erörtert worden sind. Er hat \sich grundfäßlih für die Beibehaltung der großen Gerichte und gegen deren Teilung ausgesprochen, eine Anschauung, die im allgemeinen nicht mehr überall geteilt wird. Es ist richtig, daß wir im Jahre 1879 dazu über- gegangen sind, die kleineren Gerichte eingehen zu lassen und große* Gerichte an ihre Stelle treten zu lassen. Die Ergebnisse sind nicht überall befriedigend gewesen, und vielfa ertönt jeßt der Ruf nach einer Rückkehr zu dem alten System, jedenfalls auf Verkleinerung der übergroßen Gerichte. Wenn Herr Beer meint, daß die Nechtsprehung und Tätigkeit der größeren Gerichte eine bessere, gleichmäßigere und s\tetigere sei als die der kleineren, so sprehen die Erfahrungen, die bei dem Cölner Oberlandesgericht in Cöln gemacht worden find, jedenfalls nicht für die Nichtigkeit dieser Auffassung. Herr Oberbürgermeister Becker hat ferner gemeint, es müsse mit einer Abnahme der Geschäfte gerechnet weiden, jedenfalls würde die Zu- nahme der Geschäfte nicht eine so starke sein, wie in den leyten Fahren. Diese große Zunahme sei zurückzuführen auf den Rückgang, auf die- ungünstigen Verhältnisse der Industrie. Nachdem die Industrie wieder in geregeltere Bah1u.en gekommen sei und ihre Ver- hältnisse sich günstiger gestaltet hätten, würde das notwendigerweise au zu einer Abnahme der Prozesse führen

Diese Auffassung, meine Herren, ist nach unseren Erfahrungen nicht zutreffend. Die Sache liegt eigentümlich. Sowohl der Aufs{hwung der Industrie bringt eine Vermehrung der Prozesse wie der Nückgang; nur aus verschiedenen Gründen. Der Aufshwung, weil der gesteigerte Berkehr eine große Zahl von neuen Rechtsftreitigkeiten erzeugt, der Nückgang, weil dadurch vielfach die Zahlungsfähigkeit der Bevölkerung na(läßt und deshalb in zahlreihen Fällen Prozesse entstehen, die unter günstigen Verhältnissen niht kommen würden, weil es si für den Beklagten nur darum handelt, weiter Zeit zu gewinnen, Des- halb übt nah unseren vieljährigen Erfahrungen dieses Schwanken der íFndustrie keinen erheblihen Einfluß auf den Umfang der gerichtlichen Geschäfte,

Herr Oberbürgermeister Becker hat ferner den Zeitpunkt für un- gecignet erachtet, zu dem die Teilung des Oberlande8gerichts Cöln in Kraft treten soll, und zwar mit Rüksiht auf die s{hwebenden Ver- handlungen über die Kompetenz der Gerichte. Er hat gesprochen von einer angebli bevorstehenden Erhöhung der Zuständigkeit der Amts- gerihte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und von beabsichtigten Renderungen auf dem Gebiete der Strafprozeßordnung. Von einer Erhöhung der Zuständigkeit der Amtsgerichte in bürgerlichen Rechts- streitigkeiten ist bisher meines Wissens noch nicht ernstlich die Rede gewesen. Wenn eine solhe Erweiterung erfolgen follte, so liegt das jedenfalls noch in weitem Felde, und ih glaube, wir können nicht abwarten, ob es zu dieser Erweiterung kommt.

Was dagegen die Erweiterung der Zuständigkeit der unteren Gerichte im Strafprozeß anlangt, so könnte diese nur eine starke weitere Belastung der Oberlandesgerichte zur Folge hab:n. Denn jede Erweiterung der Zuständigkeit der Schöffengerichte führt dahin, daß Strafsachen, welche gegenwärtig noch zur Zuständigkeit der Land- gerichte gehören, künftig in der Nevisionsinstanz niht mehr dem Neichégerihte, sondern dem Oberlandesgerichte zufallen; wenn wir daher, was ich für wahrsheinlich halte, zu einer erweiterten Zu- ständigkeit der Schöffengerichte gelangen, so haben wir einen be- deutenden Zuwachs der oberlandeêëgerichtlihen Geschäfte in Straf- sachen zu erwarten. Auch aus diesem Grunde empfiehlt es ih, \hon jeßt Vorkehrungen zu treffen, daß nit überlastete Oberlandesgerihte noch weiter auswahsen. Das Oberlandeëgericht Cöln würde aber {hon an und für sih, wenn es so weiter geht- größer, als es den Interessen der Rechtspflege entspricht. Der Vergleich mit dem Kammergericht, das freilih größer ist und au bleiben wird, ist nicht zutreffend. Eine Teilung des Kammergerichts läßt sih eben niht so machen, wie es in Cöln möglich ift, weil die Geschäfte des Kammergerichts, wie ih hon erwähnte, zu */s auf den Bezirk der Stadt Berlin und ihrec nähsten Umgebung fallen, die nit auf zwei verschiedene Oberlandesgerichte verteilt werden können.

Die verschiedenen Mittel, welche versuht worden sind, um zu be- friedigenden Zuständen in Cöln zu gelangen, haben, wie gesagt, einen ausreihenden Erfolg nit gehabt. Das gilt auch von den Assoziationen der Anwälte, zu denen ih diesen Herren {hon vor drei Jahren dringend geraten habe. Der Nat ist nur in sehr beschränktem Umfange befolgt worden. Es wird allerdings gesagt, dies sei deshalb niht gesehen, weil der Plan der Teilung des Oberlandesgerihtsbezirk3 dazwischen ge- kommen sei. Tatsächlich liegt die Sache so, daß die Anwälte nur in ganz vershwindendem Maße sich haben entschließen können, als von einer Teilung des Oberlandesgerihts noch gar nicht die Rede war. Die Furcht, daß der Teilung des Oberlandesgerihts die Teilung der Provinz folgen werde, hat eine tatsählihe Begrün- dung nicht. Ih habe im Abgeordnetenhause ausdrücklich im Namen ves Staatêministeriums erklären können, daß die Königliche Staatsregierung an eine solche Teilung niht denkt. Es stehen ihr au so gewichtige, durchschlagende Gründe entgegen, daß an dem Ernst der Entschließung der Regierung nicht wohl gezweifelt werden kann. Es würde in der Tat {wer angängig jein, die Rheinprovinz in eine industrielle und eine landwirtschaftlihe Provinz zu teilen. Die großen Anforderungen, die gegenwärtig an die Provinzen gestellt werden, würden von dem landwirtschaftlichen Teil kaum getragen werden fönnen, während der industrielle Teil wahrsheinlich im Ueberfluß \{chwelgen würde; ih halte es für ausgeschlossen, daß die Staats- regierung in abschbarer Zeit dem Gedanken näher treten könnte, eine folche Teilung in Angriff zu nehmen.

Nun hat der Herr Oberbürgermeister noch gesprohen von Opfern,

die der Stadt Cöln zugemutet seien und tie sie zu bringen habe, um |!

das Oberlandesgericht zu behalten.

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Meine Herren, die Königliche Staatsregierung hat der Stadt Csln gar nichts zugemutet, die Stadt Cöln ist, nachdem die Stadt Düsseldorf sehr erheblihe Offerten gemacht hatte, die niht ohne Pflichtverlezung von der Staatsregierung zurückgewiefen werden konnten, aus eigenem Antriebe dazu übergegangen, ihrerseits ein Mehrgebot abzugeben, auf das die Königliche Staatsregierung aber nicht einge- gangen ist, weil sie diese Angelegenheit nicht als Gegenstand eines Handelsgeschäfts betrachtet, sondern ihre Entscheidung nur auf Grund sahliher Erwägungen und lediglich unter dem Gesichts. punkte, was den Interessen der Recht fuhenden Be- völkerung am meisten entsprehen würde, getroffen hat. Diese Gesichtépunkte müssen auch für Ihre heutige Entshlicßung maßgebend sein, und ich möchte die Ueberzeugung aussprechen, daß, wenn in diesem Hause die Entscheidung so getroffen sein wird, wie sie im Abgeord» netenhaufe {hon getroffen ist, daß dann au die Erregung, die gegen- wärtig noch in Cöln besteht, bald ciner ruhigeren Auffassung Pplaß- machen wird. Es ist eine alte Erfahrung, daß Fragen, bei denen lokale Interessen in Betracht kommen, viel lebhafter dis!utiert werden und zu viel heftigeren Gegensäßen zu führen pflegen, als eigentlich der Bedeutung der Sache entspricht. Die sahlihe Bedeutung der Frage für die Stadt Cöln ist ja eigentlich gegenüber dieser großen Stadt eine faft vers \{chwindende, einzelne Personen mögen allerdings in empfindliGer Weise betroffen werden dur die Teilung des Oberlandesgerichts. nsbesondere wird das von einzelnen Anwälten gelten. Aber der- artige Nüksichten können unmöglich dahin führen, nun von einer sahlich gebotenen organisatorishen Aenderung abzusehen.

Wir baben derartige Erfahrungen {hon viele gemacht, insbefondere bei Gelegenheit der Gerichtsorganisation von 1879, als zahlreihe Appellgerid)te aufgehoben wurden und auch Provinzialhauptstädte wie Magdeburg und Münster ihre Appelationsgerihte verloren. Ich erinnere mi, daß damals auch diese Städte lebhaften Wider- spruch erhoben; sie haben sich aber s{ließlich in das Unver- meidlihe gefügt und laben im Laufe der Jahre erkannt, daß sie troßdem noch weiter existieren können und an Bedeutun nit verloren haben. Das wird auch bei der großen Stadt Cöln der Fall sein, sie wird nah wie vor die Metropole der Rheinprovinz bleiben, und ih glaube, wir werden au ferner die Leistungen bewundernd an- erkennen können, deren die rheinishe Metropole auf dem Gebiete der Selbstverwaltung ih rühmen kann. Wir twerden das weitere Auf- blüben der Stadt Cöln ganz sicher durch Annahme dieser Vorlage in keinec Weise beeinträchtigen, und ih möchte glauben, baß der versöhnlihe Ton, den die „Kölnishe Zeitung“ angeschlagen hat, nachdem in dritter Lesung die Vorlage im Abgeordnetenhause angenommen worden war, den Schluß rechtfertigt, es werden sehr bald in Cöln sich ruhigere Stimmungen geltend ma&en, und es werden alsdann die fahlichen Vorteile der Neu- regelung mehr und mehr anerkannt werden. Diese Vorteile werden nicht am wenigsten auch den Bewohnern der Stadt Cöln und des zerkfleinerten Bezirks zugute kommen, die in Zukunft auf eine rashere Rechtêpfl2ege als bisher zu rechnen haben; und ih glaube, wenn bei Herrn Oberbürgermeister Becker heute die Stimmung noch im Verhältnis von 18 zu 10 für Cöln gegen Düsseldorf steht, so wird es niht lange dauern, daß au in seinem Herzen ein Ausgleich stattfindet, daß er fi über die Neuregelung beruhigt, ihr die guten Seiten abgewinnen und an- erkennen wird, welher Nußen der gesamten Provinz daraus erwächst. Fh kann Sie deshalb nur bitten, sich auf den Standpunkt des Ab- geordnetenhauses zu stellen, das in großer Mehrheit fast aller Fraktionen den Gesetentwurf angenommen hat, und ihm gleichjalls JFhre Zustimmung zu erteilen. (Bravo!)

Damit schließt die allgemeine Besprehung, ohne Er- örterung wird die Spezialberatung erledigt und das Geseß im ganzen angenommen.

Zu der Resolution nimmt das Wort

Oberbürgermeister Dr. Hammerschmidt, Crefeld: Seit mehr als 30 Jahren kämpfen wir für eine Teilung des Landgerichts Düsseldorf, dessen Scelenzahl nur noch von der der Landgerichte 1 und 11 Berlin übertroffen wird. Auf einer Konferenz, die fich mit der Frage beschäftigte, wurde nun bekannt, daß das Landgericht in Düsseldorf noch erweitert werden solle. Daß wir darüber erregt waren, kann uns niemand übel nehmen, doh möcht: ih betonen, daß nicht alle Teilnehmer an der Konferenz deshalb gegen den vorliegenden Entwurf Stellung nahmen. Nach der Meinung der meisten aber wird dur die Errichtung cines Oberlandesgerihts in Düsseldorf die Teilung des Landgerichts Düsseldorf erschwert. Darum hätten wir gern eine geseßliche Festlegung dieser Teilung erzielt. Die Kommission aber wollte uns hierin niht folgen. Und daher freuten wir uns, daß der Herr Justizminister in seinem und des Herrn Finanzministers Namen im Abgeordnetenhause erklärt hatte, daß sie beide bereit seien, baldigst an die Teilung des Landgerichts Düsseldorf heranzutreten, und wir wären dem Herrn Minister dankbar, wenn er diese Erklärung au hier wiederbolte.

Justizminister Dr. Schönstedt:

Ohne, meine Herren, die Erwägungen des Herrn Obkerbürger- meisters Hammerschmidt in allen ihren Einzelheiten als zutreffend an- erkennen zu können, will ih doch der Annahme der beantragten Re- solution keinerlei Widerstand entgegensegen und gern die Erklärung wiederholen, die ich {hon im anderen Hause sowohl als in Ihrer Kommission abgegeben habe, daß ih alles tun werde, was in meines Kräften steht, um die baldige Erfüllung der Wünsche der beiden Städte Crefeld und Gladbah herbeizuführen. Ih hcge die Hoff- nung, daß es bald gelingen wird, die in der Sache liegenden Schwierig- keiten zu überwinden.

Die Resolution wird hierauf einstimmig angenommen, und die dazu vorliegenden Petitionen werden für ericdigt erkiärt.

Es folgt die einmalige Schlußberatung des aus der Jnitiative des Hauses der Abgeordneten hervorgegangenen N betreffend Abänderung des Gesetzes, das hristlihe Volks\shulwesen betreffend, Hannover, den 26. Mai 1845.

Der Berichterstatter Dr. Graf von Wedel-Gödens beantragt, den Entwurf unverändert anzunehmen.

Oberbürgermeistec Dr. Rißmüller-Oënabrück beme kt, daß i beträhtlih große Unzuträglihkeiten aus der Tatsache ergeben hätten, daß Eltern verlangen könnten, daß ihre Kinder mit dem Tage der Vollendung des 14. Lebensjahres aus der Schule entlassen würden- Dem wolle der Entwurf vorbeugen. Er bitte daher um Annahme.

Der Gesetzentwurf wird angenommen.

(S{hluß in der Zweiten Beilage.)

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Herr D. Dryander berichtet hierauf über den Geseß- entwurf, betr. die Vermehrung der Wahlkreise für die Brandenburgishe Provinziaisynode von 40 auf 44. Redner führt aus, Berlin sei heute troß seiner ungeheuren Steuerkraft nur durch 12 Mitglieder auf der Provinzialsynode vertreten. Diese geringe Vertretung sei ungereht, und daher solle das vorliegende Gescß Abhilfe schaffen und Berlin 24 Abgeordnete geben. Auf Grund dessen beantragt der Berichterstatter, den Entwurf in einmaliger Schlußberatung unverändert anzunehmen.

Ohne Erörterung wird dieser Antrag angenommen.

Damit ist die Tagesocdnung er;cöpft.

Der Präsident teilt mit, daß die nälste Sipung erst im Januar, wahrscheinli um die Mitte des Monats, stattfinden werte. Fin fester Termin könne ne) nicht festgescut n erden, und es bleibe ihm daher nichts übrig, a!s den Herren ein recht frohes Weihnachtsfest und allen cin recht fröhlihes Wieterseßen zu wünschen.

Schluß 4 Uhr.

Haus der Abgeordneten.

110. Sißung vom 2. Dezember 1904, 2 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphisdem Bureau.)

Am Regierungstische: Dr. Studt. 4

Die Besprehung der Interpellation der Abgg. Cassel (fr. Vp.), Broemel (fr. Vgg.) und Gen, betreffend die Ver- fügung über die Elementarschulräume, namentlich in Berlin, wird fortge)eßt. L : j

Abg. Kirsch (Zentr.): Der Eingang der Interpellation lautet fo, daß die Staatêregierung eine Erk‘ärung über eine Maßnaktme des Kultusministers abgeben mö&te. Das klingt so, als ob der Ku!tus- minister nicht zum Staatsministerium gehöre. Der Ir ter- pellant hätte wohl au eine Antwort vom Ministerpräsidenten gewünscht. Besser wäre die Form einer Petition gewesen, damit wir diese {chwierige Materie auf Grund etnes chriftlihen Berichts hätten beraten fönnen. Zunächst müssen wir fragen, ob die Verfügung des Ministers vom 17. November 1903 rech!8gültig 1!t. Juristi1ch fann nit bestritten werden, daß die Gemeinden Eigentümerinnen der SHulen \ind, daraus folgt aber noch nit, daß sie frei darüber ver- fügen körnten. Schöôn wäre es j, wenn die Schu!lgebäude allein für Schulzwecke benußt würden, aber dieter ideale Zustand if wegen Naummangels oft nit mögli, die Gebäude müssen arch zu anderen Zwecken verfügbar sein. Desvalb bedarf es aber einer rechilichen Grund- lage dafür, und das ist nur dur Reglements der Regierung mögli. Meine Freunde erkennen die formelle MNechtsgültigkeit der Ministerial- verordnung an, aber eine andere Frage ist, ob sie opportun war. Herr NRickert hat früher felbst einen Erlaß über die Benußung der S@ulräume gewünsht. Herr Cassel hat gestern diesem Verlangen des Herrn Rikert wider sproden, aber damals gingen alle seine Freunde mit Herrn Rickert mit. Nach Ansicht meiner Freunde geht es viel zu weit, wenn man behauptet, daß dur) das Ei fordernis der vor- aängigen Genehmigung den Gemeinden die Verwaltung voli ¡ändig abgenommcn werde. Meine Freunde erkennen allerdings das dit der Regierung an, eine V rfügung über die Verwendung der Schul- räume außerhalb der Schulzeit zu erlaîsen, aber wir können doch die allgemeine Verfügung vom 17. Nov mber v. E. nit als glüdkl ih ansehen und hätten gewüns{cht, daß die Regierung einen anderen Meg ewählt hätte. : S ais “Abg. Freiberr von Zedliß (fr. fons.): Ich habe beute nicht den Beruf, meine Partei zu vertreten. Im Prinzip bin i der Meinung, daß mamwin die Selbsiverwaltung nit mit bureaufratishen Maßnahinen eingreifen solle; anderscits bat aber die Regierung au die Pflicht, darauf zu abten, daß die S lbstverwaltung nur na Mafgabe der Gesetz? g-shieht. Ein präventives Eingreifen der Regierung kann nit autge!chlossen sein, wenn es gilt, öfentlihe Intere]jen wahrzunehmen. Aber nicht wo-blgetan war es, cine allgemcine Verfügung zu erlaffen, die au an die geht, von denen ein Mißbrauch nicht zu beforgen ill. Das Vorg?ben gegen Berlin war b2retigt. Was die Entscheidung des Oferverwaltung8gerihts betri“, so hatte das frühere Ober- ribural die Praxis, seine Entscheidungen immer nur auf den einzetnn E * Pot anken; das Oberverwaltungs8geriht_ hat aber von vornéerein den Vlan verfolgt, enheitlide Grund|äße für. unjer öfentilihes Necht aufzustellen , scine Entscheidungen habz:n alîo allgemeine Bedeutung. Das Gericht hat in diesen Fragen ¿u Un- unsten der Gemeinden entschieden. Der Abg. Cahel hätte die Möglichkeit des ReHisweges gewünscht, dieser ist aber hier nah den gefseßliden Bestimmungen, namentli nach dem Zuständigkeits- gesetz, gegen die Aussichtsbehörde nit zulä!sig. Ein lehrreihes Bel- spiel bat Berlin {on einmal bei der geplanten Errichtung des Brunnens im Friedrichshain geboten; auch damals habe ih auf geführt, daß die Versagung der Genchmigung niht über die Zu- ständigkeit der Baupolizeibehörde hinausging: Im Augeublick. wo die Staatsregierung sih a“nötigk sieht zu Maßregeln gegen das Sroß- volentum in den Ostmarken, halten es die städtishen Be- börden von Berlin für anaebracht, den polnischen Sokolvereinen bre Shulräume zu öffnen. Ich glaube, gröblicher fann man die Interessen unserer deutshen Brüder im Osten nicht verleßen. Ebenso ist durch üÜübercinsttmmende NRechtsprehung des Obers- verwaltungsgerihts anerkannt, daß sozialdemokcatisch? Gesinnung un» würdig mat zur Wahrnehmung eîinzs Staatsamts, dahin gehört au der Fall des Shulzen in Nehmig bei Lehnin. Und nun ge- währt tec Magistrat von Berlin sczialdemokratishen Bereinen Unter- kunft in flädtisGen Turnhallen, wo die Jugend sozialdemokralis{ durhseuht und der Sinn für Disziplin untergraben wird, ehe die jungen Leute ins Heer eintreten. (Zuruf des Abg. Cassel: Turnen!) Menn Sie (zu Cassel) glauten, es handle sich dort nur um das Turnen, so kennen Sie die Sozialdemoïraten schlecht. Die Regierung ist ferner von der Pflicht durchdrungen, den Unterricht der frei- religiösen Gemeinde an Jugentliche nicht zuzulassen. Die freisinnige De hat hier eine Aktion zu Gunsten dcr sozialdemokratischen Net eine ergriffen. Unterstüten die Freisinnigen etwa die Polen- politik der Negierung? Die egierung war, berechtigt und verpflichtet und handelte im Rahmen ihrer Zuständigkeit, wenn sie präyentiv es verhinderte, daß von Berlin ein ‘Mißbrauch der Selbstverwaltung in- szeniert wurte Wer so undiszipliniert ist, wie der Magistrat von Berlin, darf si nit über diese Maßregeln der Regierung beschweren. Die renitenten städtischen Behörden hätten selbst einem Mißbrauch vorbeugen sollen. Vor der Autorität der städtishen Behörden von Berlin darf die Regierung gs zurückweichen, sondern muß fi eta-

i 8 ein rocher de bronze. /

A Ern (fr. Vgg.): Wir sehen in dem Vorgehen der Negie- rung einen unberechtigten Eingriff in die Selbstverwaltung. Wenn au die Regierung den rechtlichen Boden nicht verlassen hat, so ist doch

Zweite Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger

Berlin Sonnabend, den 3. Dezember

macht; durch die Städteordnung von 18083 ift die Selbstverwaltung gegeben. Die Leistungen und Verdienste der Hobenzollern erfennen wir dankbar an, aber mit diejem Gegenstande haben sie nidt1s zu | tun. Die Fortschritte der Schulen sind in erster Linie auf das Konto | der Städte zu seßen, die große Summen für die Schulen aufge- wendet baben, sogar mebr, als die Regierung als Minimum vors breit. Bei solchem Vorgehen müfsen die Städte die Liebe zum Schulwesen verlieren. Sollen wir denn zu Zuständen zurüd- fehren, wie fle 1806 bestanden? Die Herren Rickert und Barth haben seinerzeit nicht cine Beschränkung der Selbstverwaltung gewünit, sondern nur gegen die Reber/assung von Schulräumen auf dem Lande zu Versammlungen des Bandes der Landwirte protestiert, “und darin batten sie allerdings alle Freisinnigen hinter si. Es ist ; nit \{chn, daß die Rektoren durch die Anweisung des Provinziakl- \{ulfclegiums sozusagen zwischen zwel Stühle geseßt worden find. Dieses Verfabren kann unübersehbare Folgen haben. Die Regierung sollte lieber darüber nahdenken, wie einem Rückgang der Volksschule vorzubeugen sei. Das Aufsichtsreht des Staais üver die Schule j wollen wir nicht antasten oder schwächen, aber es muß nah modernen Anschauungen und im Geist der Selbstverwaltung geübt werden. 5 De | Sulpolitik muß einen großzügigen Fharakter zum Wohl des Vater- | landes Haben. 4 \ | Abg. Stychel (Pole) meint, daß die stete Bevormunadung der | Regierung noch zu Vorschriften Uber Essen und Trinken führen und j \ Î j |

di? Merschen zu Marionetten machen werde. Die Polcn als Sündenböcke anzuschea, sei eine Idiosynkrasie der Minister, die si ron Ministergenecration zu Geneatton [tetzere. Die Schulräume in Berlin scien seitens der Sokolvereine nur zu Turnzweckten benußt; anderes babe auch die Polizei nicht feststellen können. Heute jet | allerdings die Tatsache, daß jemand ein Pole sei, {hon ein volitisher Aft. Das Singen von Liedern in polnish.r Sprache | werd? \{on als eine Gesinnungsäußerung angesehen, sih von Preußen | loézureißen; ebenso kônne man ja das Essen polnischer Bratwurst mit Kobl son als eine solhe Gesinnungëäußerung ansehen. Wenn die | diter:eichisGe Regierung sih über die Artik:l der deutschen Presse gegen die habzburgishe Dynastie beschweren würde, würde die preuß]? Negierung ih die Hände in Unschuld waschen, gezen die Polen in Preußen müssen abzr die polnischon Zeitungsartifel aus dem Auslande | herhalten, wie sie Minister von Hammeritein vorführt. Er hat nur noch | vergessen, wie viele Torvedos die Polen ¿zur Bersügur g_ haben. Minister von Podbielski hat behauptet, die Polen hätten 40 Süter Pommern gekauft; als wir ihn na den Namen fragte, machte

d aus dem Staube. Die Drangfalierung und Schikanierung- Sokolvereine ift ungeseßlich. Wir Polen ollen zu heimatlosem, brot losem, krafilosem Prolctariat gemacht werden, mit dem die Zukunft nicht mehr zu renen hat; die Tätigkeit ber Sokolve kann nicht geseß- widrig und staatsgefährlih genannt werden, 12 | el und ein Recht der Polen. Von der Regierung wird uns ja 1mttr gesagt, wir dürften unsere Nationalität behalten, fte solle uns genommen werden. Durch alle die Maßnahmen gegen uns wird nur das Gegenteil erreiht. Die Polen werden gerade zu einer politischen Stellungnahme gedrängt. Schon die Eristenz des Polen gilt für

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7A er 2 , G 4“ » 5 Net d, der Familie verbieten. Aber wir werden troy allem kaltes Blut be-

wahren.

Minister der geisilichen, Unterrichts- und angelegenheiten Dr. Studt:

Meine Herren! Ich hake meiner gestrigen N:de gleich die Besorgnis geäußert, daß der Weg, den Antragsteller mit der Interpellation beschritten haben, feine Schwierig- feiten i Materie des ôffenl lien Nechts genaue Kenntnis ein beiten zum Teil außerdem fo verwickelt liegen, day ist, si auf Grund eines mündlichen Bortrags einen genauc! blick und ein festes Urtel zu bilden. Die Erfahrungen, die dieser Bezichung im Laufe

zu Anfang

; s e E S bieten würde, weil es N um elne bandcli, die e€etroas

T | d 4 e. tiefes Sludlum

abgelegen ist,

«L qun od eiTOrDErt,

i der Debatte der beiden letzten Tage ge- mai habe, haben diese Besorgnis bestätigt, und ih muß konstatieren, daß in verschiedenen Ausführungen der geehcten Herren Vorredue: JFrctümcr vorgekommen sind, die ih ohne weiteres beseitigen könnte, wenn ih nit Ihre Geduld von neuem zu sehr in Anspru nehmen müßte.

Ich werte mi auf wenige rehtlie Ausführungen zunächst auf eine Erwiderung gegenüber dem Abg. Ecnst, der behauptet hat, daß die überwiegende M-inung der Herren Redner dahin ge: gangen ist, daß dem Erlasse der Uni rriét8perwaltung vom 17. November vorigen Jahres die rechtlice Grundlage fehle. Meine Herren, in dieser Allgemeinheit ist der Saß nicht cihtig: im Gegenteil, es ist voa ver-

beschzänken,

sih zu diesem Erlasse befugt wor. Es ist nur die

verwaltung an Jm übrigen hat der

Opvortunität des Vorgehens bezweifelt worden. Heir Abz. Ernst selbst im allgemeinen ane:fannt, daß rihtêverwaltung mit ihren Maßnahmen deu rechtliGzen Boden nit verlassen babe. Er hat nur be: ängelt, daß meinerseits der Geist des 18. Jahrhunderts beraufbes{chworen worden sei. Ja, meine Herren, das ift lediglih zu dem Zweke gesd;ehen, um Ihnen zu beroeisen, daß der Saz: die Schule ift cine Veranstaltung des Staats in eiver anderthalbhundertj¿hrigen Tradition in der Gesetzgebung des preußischen Staais tete Vertretang gefunden hat. Auf | Say habcn sich dann die verschiedenen Betrachtungen aufgebaut, ‘die den verehrten Herren ten Beweis liefern sollten, daß im vorliegenden Falle die Unterrichtéverwaltung durchaus korrekt handelte, wenn sie namentli den Say vertreten hat, daß das Necht der Schulaufsicht in zahlreichen Fällen übergeordnet ist den Selbst- verwaltungsrechten derjenizen Gemcinden, welche die Schulen entweder selbst auf ihre Kosten errichtet oder in ihr Eigentum übernommen haben.

Damit Sie aber nit etwa zu der Annahme gelangen, daß das lediglih eine Praxis der Untecrihtsverwaltung sei, die proprio marts sih entwickelt habe, fo mache ih noch darauf aufmerksam und ih werde mi in dieser Beziehung auf wenige Sätze beshränken —, daß die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerihts der diesseits befolgten und jegt zur Geltung gebrachten Praxis in ganz zweifelsfreier Weie zur Seite stehen, in einer Weise, die selbs die Ausführungen des Herrn Abg. Caffel, der mir ja in vielen Be- ziehungen Recht gegeben hat, nur in cinem wesentlihen Punkte nicht nit beseitigen konnten. Es ist ¿. B. im 36. Bande der Eut- \{eidungen des Oberverwaltungsgerihts mit ganz klaren Worten fol-

Et S C Lil

dieclen

ibr Vorgehen tief zu beklagen. Seit der Verordnung von 1817 und vg Erscheinen des Landrechts haben wir doch Fortschritte ge-

gendes ausgeführt:

| vember vorigen Jahres außer allem Zweifel gestellt, und

zu pflegen ist eine Pflicht |

| Hand vorbereitet und ist hauptsächlich zu dem Zwedck

staatzgefährlih, und ein Erlaß will sogar die polnishe Svrache in |

schiedenen der Herren Vorredner anerkannt worden, daß die Unterrichts- |

die Unter- j

und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.

1904,

„Steht au das geseßlihe Neht der Städte zur Selbstver- waltung und Beaufsichtigung threr kommunalen Volkéschulen außer Zweifel, so ist toch ebeuso unzweifelhaft dem fommunalen das staatlihe Reht der Schulaufsicht übergeordnei.“

Nun, meine Herren, ist, was die Wahrung der unterriätliden und pätagogischen Interessen anbetrifft, bie wesentli dazu geführt haben, den Erlaß vom 17. Novemker v. J. in diese kfonzinne Form zu bringen, dafür auch eine Entscheidung des Oberverwaltung2gerichts maßgebend gewesen, die im 23.“ Bände ábgedruckt ist. Da wird als die Aufgabe der Shulaufsicht hingestellt :

„Diese Aufsiht soll ferner siher stellen, daß Unterriht und Erzichung der Jugend in körperlicher, geistiger und sittliher Hin- sicht überall dem allgemeinen Woble und dem Interesse des Staats entsprechend sih vollziehen.“

Und nun ist auf die betreffenden landrechtlichen Paragrapben und auf die Allerhöchste Ordre vom 10. Juni 1834, die in der Gese: samm”kung vêröffentli&t ist und Gesezestraft hat, Dann

Bezug

g genommen.

| heißt es:

„Sie erstreckt sich nicht bloß auf Sculzult und Gang des Unterrichis im allgemeinen, auf die Wahl der Hilfélehrer, die Zahl der Schüler und das Sgullokal, sondern darüber hinaus au auf die Zahl und Tüchtigkeit der anzunebmendcn Lehrer usw.“

Und nun kommt cin Sah:

„Die Zuständigkeit der Schulabteilungen, für eine besiehende Unterrichtsanstalt das im öffentlihzn nteresse Erforderliche zu be- stimmen, und festzustellen, dêr Unternehmer, Um diesèm zu genügen, zw u nterlassen oder zu leisten hat, ist hiernach ebensowenig in Zwetfel zu ziehen, wie deren fernere Befugnis, ihren bezüglichen Un- ordnungen insoweit Nachdruck zu geben, als sie \M{ädlihe Unordnungen oder Mißbräuche, welche Bildling, Sitttlihletit over Meliatoltial Der Fugend gefährden, Verbuten Tann

Damit ist die rechilice Grundlage des Erlaf:3 vom 17. No- zwar von deren volle Unabhängigkeit wohl nicht angezroeifelt

was

einer Behörde, werden kann. Nun wente i) mi gegen diejenigen Ausführungen, welche die Der Erlaß is von langer ergangen, um gegenüber den vielen Anzweifelungen, die den An an U Den Entscheidungen des Okerrerwaltung2gerichts haben, nun endlich einmal das Net der Unterrihlsverwaliung, auf die Verwen- SgHhulräume eine gewisse Einwirkung zu üben, in tlarer Form festzustellen. Es handelte #ch nun darum, ob gegen Berlin speziell die Anwendung dieses Grundsazes erfolgen sollte. Meine Herren, ih bin ein Fcind von Au8nahmemaßregeln und habe es auhch in diesem Fall als den rihtigen Weg erachtet, den Erlaß ganz all- Monarchie zu treffen. Ich habe es \chon gestern autgesprochen, daß, wenn ich Berlin mit einer der- i Anordnung getroffen hätte, gegen mich der Bor-

oben worden wäre, es handle sich um cin tendenzióses Veor- r Allerdings hatie ih, wie ih gesiern auch auszeführt , volle Veranlassung, diesem Punkt gegen Berlin {arf zu sein und endlih mal die staatlichen und pâädagogischen Interessen in der gemessensten Form zur Geltung zu bringen, weil Stadt zu einer sahgemäßen Praxis zu

C e E rhofTen (1701

Opportunität des Erlasses bestreiten.

gegeben

dung der

gemein für die

Mot Ui

gehen gegen dieje Stad

Kale

langjährige Versuche, die bringen, leider ohne den e Herr Abg. Ernst vermißte în Hantbabung der Be- fugnisse der Unterrihtéverwaltung cinen großzügigen Charakter. Ich Abgeordneten, abgesehen von der gegenwärtigen eine Stadtgemeinde zu bezeichnen, die gegen mich daß id ihre Selbstvcrwaltungsrehte auf ih ihre Verufsfreudigkeit auf allgemeine oder generelle Auéführung dieser und Zurüksezung sicherlich nicht ge- hervorheben können,

ra Cr

bitte den Herrn Streitfrage, irgend den Vorwurf erheben tann, dem Schulgebiet niht beachtet, daß diesem Gebiet beeinträchtigt und durch Maßnahmen Ur die Ari der Maßnahmen in ihr dos Gefühl ver Kränfkfung hervorgerufen hätte. Dieser Nachweis wird | lingen. Ih habe im Gegenteil gestern s{on daß ich vielfa dur rersônliches Eingreifen langjährige Meinungs versciedenheiten ¿wischen der näcdsten Verwaltungsbehörde und den betreffenden Schu?gemeinden zu {lichten Lage war, und zwar ¿ur allgemeinen Zufriedenheit, nit ia lezter Reihe zu derjenigen der

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in der

betreffenden Stadtgemeinden.

Ih glaube, die Opportunität de®ë nabgewiesen zu haben. fommt es auf die Fi ì Erlasses an. Bereits gestern habe daß durch die Art, wie die Ermächtigung teils den bebörten, teils den nächften Aufsilsbebörden zu Genechmigungen und Uebertragung derselben an die betreffenden nächsten Sghulbehörden, die Shuldeputation usw. erteilt worden ist, die Wünsche derjenigen Herren gegenstandsïos geworden sind, die mir den freundlichen Rat gegeben haben, in diefer Beziehung recht weitherzig

diesseitigen Vorgehens Art der Aus- ih betont, Gemeinde-

generellen

Nun

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u sein. ; Meine Herren, damit kann ih diese allgemeinen Betrachtungen verlassen und wende mich nun gegen den Herrn Abg. Stychel. Ich habe als selbstverständlich vorausgeseßt, daß der Herr Abgeordnete eine große Polenrede halten würde das ist sein gutes Recht und scine Gewohnheit —. Das habe ih aber allerdings nicht vermutet, daß er seine Rede mit dem Vorwurf gegen den Herrn Abg. Freiherrn von Zetliy beginnen würde: Kreuzige ihn! Damit hat der Herr Abgeordnete, wie ih ihm naher nahweisen werde, in ein Wespennest gegriffen. Fch will zunächst allgemein vorausschicken, daß der Herr Ab- geordnete einen angeblihen Erlaß tes Unterrichtsministers, betreffend die Familiensprache der polnischen Lehrer, erwähnt hat. Jh erkläre, daß ein derartiger Erlaß von meiner Seite nicht ergangen ist, und daß die bezüglichen Zeitungsnachrichten auf Jrrtum berukben. Fch nehme gern Veranlassung, vor dem hohen Hause diese Berichtigung eintreten zu lassen.