Tbomas Horner bat Rudolf Reicke dem Aufsatz beigefügt. Dr. Otto Kutiner in Neubaldensleben charakterisirt die Bedeutung der regula tiven Ideen Kants, und jwar für die Atomistik Dann wird ein Vertrag abgedruckt, den Carl Witt zu einem woblthätigen Zweck ge⸗ halten und der Kants Gedanken von den Bewohnern der Gestirre! zum Gegenstand hat. Diesem reiht sich ein anderer Vortrag von Prof. Dr. Friedrich Zimmer, über Königsberger Kirchenliederdichter und Kirchen komponisten, an. Ein größerer Beitrag von E. . . d endlich bandelt über die Cin. setzung des preußischen Staatsraths im Jabre 1817 und seine erste That. Unter den Kritiken und Referaten“ sei die Besprechung des gelehrten interessanten Werkes Die Mythen. Sagen und Legenden der Zamaiten (Litauer)! von Br Edm. Veckenstedt, erwäbnt. Den übrigen Inhalt des Heftes bilden die Protokolle über die Sitzungen der Alterthumsgesellschaft Prussia in Königeberg, die Chrenik der Universität Königsberg und des Lyceum Hosiannm in Brauneberg, sowie die altpreußische Bibliographie für das Jahr 1883.
— Amerika in Wort und Bild. Eine Schilderung der Vereinigten Staaten von Friedrich von Hellwald. 41 bis 45. Lieferung je 1 16 Mit ca. 700 Illustrationen. Leipzig, Schmidt u. Günther. — Dieses großartig angelegte Werk nähert sich allmäblich seinem Ende. In Lieferung 41 wird die Beschreibung von Teras zu Ende geführt, in 42 und 43 werden die „Südlichen Innenstaaten“ Arizona und Neu-Mexiko behandelt. In KLieferung 44 bringt der Verfasser hochinteressante Abhandlungen über das Indianergebiet !? und den Staat „Arkansas‘, während Lieferung 45 Tennessee und Kentucky dem Leser in meisterbafter Schilderung vorführt. Wiederum zieren die besten Tert.-Illustrationen und eine Anzahl Tafeln diese Hejte, die von der Verlagsbuchhandlung auf das Glänzendste aus— gestattet sind. Wir erwähnen zum Schluß noch einige der inter— essantesten Bilder, als: Flußansicht der Stadt „San Antonio“ in Texas, Quelle des San Antonio, Naturbrücke, Auf einer feranischen Farm, In der texanischen Prairie, Der Rio Colorado, Die Fels—⸗ wände in der Marmorklamm, Mohare Krieger, Ringspiel der Mo— bave⸗Indianer, Waffen und Geräthschaften der Indianer aus der YJumafamilie, Zuni in Neu Mexiko, Eine Bärenfamilie, Eine Biber⸗ familie und Biberburg, Der amerikanische Büffel und die Büffeljagd, Fort Smith in Arkansas, Stalaktiten in der Mammuthhöhle 2c.
— Kirchhoff u. Wigand in Leipzig haben über ihr antiguarisches Bücherlager 2 Kataloge, Nr. 730 und 731. ausgegeben. Nr. 7130 — Literärgeschichte und Bücherkunde; deutsche, holländische und skandinavische Literatur — enthält ein Verzeichniß von 3196 Schriften unter folgenden Rubriken: Vermischte literärische und Sammelwerke, Reouen, Encyklopädien; Poetik und Rhetorik; allgemeine Literärgeschichte; Gelehrtengeschichte; Universitäten und gelehrte Gesellschaften; Paläographie und Bücherkunde; Bibliotheks⸗ wissenschaften und Kataloge von Biblioth-ken; der Buchhandel und seine Hülfsgewerbe, Presse und Preßrecht; Geschichte der deutschen Literatur im Allgemeinen, Anthologien; deutsche Literatur; holländische und flämische Literatur und deren Geschichte; skandinavische Literatur und deren Geschichte. — Nr. 31 — Schöne Künste, Kupferwerke, Kuriosa (Inkunabeln, Knuriosa, Facetien, Satiren, Ana, Emblemata, Magie, Dämonologie. geheime Wissenschaften, Schreibkunst. Theater, Mnemonik, Spiele, Fecht⸗ und Reitkunst, Jagd, Fischerei, Prähistorik, Kultur und Sittengeschichte, Ceremoniel und Festlichkeiten, Ritter⸗ und Ordengwesen, Waffen, Kostüm, Kochkunst. Gartenbau, Land und Forstwirthschaft) — führt 1444 Schriften auf.
Gewerbe und Handel.
Die „‚Leipz. Ztg.“ bringt folgenden weiteren Bericht von der Leipziger Ostermesse über Spielwaaren und Porzellan: Die Messe in Spielwaaren hat einen unbefriedigenden Verlauf ge— nommen Das Exportgeschäft geht nicht mehr so wie sonst, wodurch die Ueberproduktion mehr überhand genommen hat. Nach vielen Ländern sind namentlich solche Artikel, welche ins Gewicht fallen, wegen der hohen Zölle, die insbesondere in den letzten Jahren in Oesterreich, Frankreich, Rußland, Schweden und Norwegen in die Höhe geschraubt worden sind, fast gar nicht mehr zu exportiren — In Porzellan macht sich auch in vielen Fällen das Fehlen größerer Ordres für bessere Artikel fühlbar. Es ist in den flotten Geschäfts— jahren bis zum vorigen Jahre durch Vergrößerung alter und Er. bauung neuer Fabriken viel Konkurrenz entstanden, welche sich nament- lich die größeren amerikanischen Einkäufer zu Nutze zu machen wußten. Einzeine Fabriken, die ihre Force darin suchen, gute Artikel anderer Fabriken auf Kosten der Qualität und — der Arbeiter zu halben Preisen herzustellen resp. nachzuahmen, mögen vielleicht, wenn ihre Fabrikate überhaupt den Namen Porzellan verdienen, von einem großen Geschäft“ sprechen können, ob dies aber im Allgemeinen „gut“ zu nennen ist, wollen wir dahingestelt sein lassen.
— Der Cours für die hier zahlbaren österreichischen Silbercoupons ist auf 161,I5 „S für 100 Fl. österr. Silber erhöht worden.
Stuttgart, 23. April. (Lpz. Ztg.) Zur heutigen Leder— messe wurden 809 Ctr. zugeführt. Der Verkehr war nicht beson— ders lebhaft, die Preise nicht besser als seither. Verkauft und ver— wogen wurden: Sohlleder 154 Ctr. 72 Pfd., Vacheleder 52 Ctr. 20 Pfd.. Wildschmalleder 350 Ctr. 10 Pfd., deutsches Schmalleder 79 Ctr. 3 Pfd, Kalbleder 48 Ctr. 41 Pfd., Zaumzeug⸗ und Roßleder 33 Ctr. 88 Pfd.; Gesammtumsatz ea. 109 460 M.
Meiningen, 28. April. (W. T. B.) In der heutigen ordent⸗ lichen sowie in der außerordentlichen Generalversammlung der Deutschen Hypothekenbank wurden die von der Verwaltung gestellten Anträge einstimmig genehmigt.
Glasgow, 27. April. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche S900, gegen 11800 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.
Bradford, 27. April. (W. T. B.) Wolle fest, hauptsäch⸗ lich Stronghgired, feine Wolle vernachlässigt, in Exportgarnen gutes Geschäft für Barmen, Stoffe unverändert.
Verkehrs⸗Anstalten.
Das „Archiv für Eisenbahnwesen“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, veröffentlicht im 1. Heft des Jahrg. 1885 eine statistische Zusammenstellung über die Eisenbahnen der Erde, der wir folgende Angaben über die Entwickelung des Bahnnetzes von 1879 bis 1883 entnehmen.
Die Länge der Eisenbahnen der Erde ist vom Schluß des Jahres 1879 bis zum Schluß des Jahres 1883 von 350 631 km auf 442199 km, also um 982168 km oder ungefähr 26 n gewachfen. Zum Vergleiche möge bemerkt werden, daß der Umfang der Erde am Aequator 40 070 kim und die mihlere Entfernung des Mondes von der Erde 388 500 km beträgt. Die Längenausdehnung, welche das Eisenbahnnetz am Ende des Jahres 1883 erreicht hatte, beträgt also schon mehr als das 11 fache des Erdumfanges und übertrifft die mittlere Entfernung des Mondes von der Erde um mehr als 53 000 km.
Von dem gesammten Zuwacht, welchen die Eisenbahnen der Erde von 1879 bis 1883 erfahren haben, kommt die größere Hälfte auf die Vereinigten Staaten von Amerika, deren Eisenbahnnetz in der ge— nannten Zeit allein um 56 327 km oder etwa 420, sich vergrößert hat. Verhältnißmäßig beträchtliche Zunahmen weisen von außer⸗ europäischen Ländern noch Mexiko (3727 km), Briisch Nordamerika (2160 km), Brasilien (20590 km), Britisck-Indien (2786 km) und die australischen Kolonien (3603 km) auf. Von den europäischen Ländern hat Frankreich den bedeutendsten Zuwachs zu verzeichnen, 4500 km; hiernach kommt Deutschland mit 2715 und Oesterreich⸗ Ungarn mit 2263 km. Die stärkste Entwickelung im Vergleich mit der Flächengröße zeigt das Eisenbahnnetz im Königreich Belgien, wo auf je 100 4Rm Fläche 145 km Eisenbahn treffen; nahezu dasselbe Ver— hältniß findet sich im Königreich Sachsen. Im Verhältniß zur Be— völkerungszahl ist das europäische Eisenbahnnetz am staärksten ent— wickelt in dem dünn bevölkerten Schweden, wo auf je 10000 Ein— wohner 14 km Eisenbahn kommen, während auf die gleiche Eta— wohnerzahl in Deutschland und Frankreich nur je 7,) km entfallen.
Folgende Uebersicht zeigt Lie Entwickelung des Bahnnetzes in Europa von 1879 bis 1883. Es waren im Betriebe:
— Es betrug Kilometer
in 1879 1880 1) Deutschland wn, o mne mog i 4826 5040 1m 2039 2124 Württemberg 1405 1443 1560 J 1311 1329 Eljaß · Lothringen 1135 1145 1293 Uebrige deutsche Staaten 3 194 3286 3425 Zusammen Deutschland . 33 094 33 417 35 Si 27) Desterreich Ungarn.. 15 335 18476 25598 3) Großbritannien u. Irland 28 491 28872 29890 Frankreich 25183 26191 29688 5) Rußland (einschl. Finland) 23 400 ĩ 25121 I 9 450 d . 4269 8) Niederlande (einschl. Luxemburg) w 231 2520 J 25 2797 k . 8 251 k / 1492 2 k 1790 11 9 1550 I 7 z 6 400 k ? l 1500 16) Griechenland... ĩ 22 17) Uebriges Europa.. 1360 1765 In den fünf Erdtheilen gestaltete
selben Zeitraum wie folgt:
Europa 164 680 168416 182913 6
Amerika d 41,
M
2 25,9
kJ 7799 10534 52,1 Zusammen auf der Erde. 550 951 367 015 4421939 26,3
Legt man den von Neumann Spallart ermittelten Durchschnitts- betrag der Anlagekosten für das Kilometer Bahnlänge von rund 216 000 „ zu Grunde, so beläuft sich das Gesammt-⸗Anlagekapital auf rund 953 Milliarden Mark. Eine Rolle deutscher Doppélkronen, e diesen Betrag enthielte, würde eine Höhe von nahezu 7200 Em
aben.
Stettin, 28. April. (W. T. B.) Die Stettiner Lloyd—- dampfer „‚Kätien und Martha“ sind, ersterer heute von Stettin via Gothenburg nach New Jork, letzterer am 26. d. M. von NewYork direkt nach Stettin abgegangen.
Bremen, 28. April. (B. T. B.) Der Dampfer des Vorddeutschen Lloyd „Main“ ist heute früh 2 Uhr in Southampton eingetroffen.
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Berlin, 28. April 1885.
Die an dieser Stelle (Nr. 55 d. Bl.) bereits besprochene Früh⸗— jahrs - Ausstellung des Gurlittschen Kun stsalongs, die in den beiden Gemälden von Böcklin und von Fritz von Uhde zwei der bedeutendsten Schöpfungen moderner Malerei vorführt, hat neuer dings einige Bereicherungen erfahren, die ihr ein noch gesteigertes Interesse verleihen. Es sind in erster Linie zwei Bilder von Hermann Prell dem originell begabten Autor der Fresken im großen Festsaal des Architektenhauses, der seit deren Vollendung mit kleineren Arbeiten nur selten hervorgetreten ist. in der Ausmalung des Wormser Rathhauses aber inzwischen ein neues bemerkenswerthes Werk monumentaler Kunst geliefert hat. Mit einem frischen Talent, das seinen eigenen Weg verfolgt, verbindet er ein feines Gefühl für die in dem wirklich lebendigen Theil der heutigen Produktion nach Ausdruck ringenden modernen Tendenzen, ohne durch sie zu extremer Einseitigkeit verleitet zu werden, eine offene Empfänglichkeit für be— fruchtende Anregungen. die von den verschiedensten Seiten her auf ihn einwirken und in seinem Schaffen sich deutlich wiederspiegeln, ohne doch irgendwie das Gepräge individueller Selbstständigkeit zu ver— wischen. Dabei weiß er den poetischen Gedanken, dem seine Schöpfung entspringt, völlig in sinnlich auschauliche Form zu über— setzen und in der malerischen Behandlung durch eine einfach große Formen- und Farbengebung zu fesseln, wie er sie durch die erwähnten monumentalen Aufgaben gewonnen hat, und wie sie auch in den hier ausgestellten Bildern kleinen Formats sich nach keiner Seite hin ver= leugnet. Das eine derselben, das sich „Erster Frühling“ betitelt, zeigt ein im Waldgrund unter frischbelaubten Buchenstaͤmmen da— sitzendes, in trauter Umarmung sich umschlungen haltendes junges Paar im Kostüm des sechszehnten Jahrhunderts, auf das von feinem luftigen Sitz hoch oben im Gezweig ein schelmischer Liebesgott herabblickt. Von dem satten Grün der nach rechts hin offenen Land⸗ schaft und dem weißen Gewölk mit dem hier und da durchblickenden klaren Himmelsblau heben das hellfarbige Kleid des blumen— bekränzten blonden Mädchens und die leuchtend rothe Tracht des Mannes sich wirkungsvolUl ab, und in diesem reichen Farbenklang ist eine Kraft, Tiefe und. Harmonie des Tons erreicht, wie man sie sonst nur in Bildern Böcklins zu finden gewöhnt ist. Stehen auch die beiden Hauptfiguren der Komposition, die an innerer Vertiefung wohl zu wünschen übrig lassen, nicht ganz auf der Höhe des prächtig erfundenen, köstlich naiv hewegten Putto, so erzielt doch die Energie des Kolorits im Vereine mit der ihr entsprechenden Behandlungsweise des Bildes eine über die bloße Genrescene weit hinausgehende Wucht des Ein— drucks, Noch ungleich bedeutender wirkt indeß das andere Bild, das der Künstler . Abendgang“ benennt. Von minder frappantem farbigen Effekt, aber von gleicher Kraft und Geschlossenheit der Stimmung, bietet es bei origineller malerischer Konzeption eine in seltenem Maaße gelungene Verschmelzung innigen Empfindens mit ungesucht groß · artiger Auffassung der Natur. Einen tieftönigen grünen Rasenhang, über den die Dämmerung des einbrechenden Abends sich breitet, kommt gesenkten Hauptes, ihr Kind in den kräftigen Armen haltend, eine junge Frau dahergeschritten; vor ihr aber gaukelt, wie eine Ver⸗ körperung des leisen Klingens und Summens der Luft, ein schleier⸗ umflatterter Putto, eine Glocke schwingend, nach deren Klang das Kind aufhorchend Gesicht und Hand hinwendet. Unübertrefflich verkörpert sich in der schlichten und doch aufs feinste belebten landschaftlichen Scenerie wie in der ernst und sinnend daherwandelnden jungen Mutter, deren Figur der Rahmen des Bildes unterhalb der Kniee abschneidet, die träumerische Melancholie der Abendstunde. In der Haltung und im Ausdruck des Kopses, dessen röthliches Haar ein blauer Schleier umfließt, sowie in der Drapirung des dunklen Gewandes mfst hoch⸗ gerafften, goldig getönten Aermeln athmet dabei eine Ruhe und Größe der Anschauung, mit welcher Zeichnung, Ton. Farbe und Vortrage— weise des ganzen Bildes harmonisch übereinstimmt. Bei der Be— trachtung desselben fühlt man sich wohl an Böcklin wie an Gabriel Max erinnert; was er mit ihnen gemeinsam hat, ist aber doch wieder volles geistiges Eigenthum des Kuͤnstlers, der hier das erfreulichste Wachsen poetischer und malerischer Gestaltungskraft bekundet.
Von Paul Hoecker, der seinen Ruf auf der letzten Münchener internationalen Ausstellung begründete und im vorigen Jahre dem Berliner Publikum sich durch die meisterliche Matrosenfzenz vom Bord Sr. Majestät Schiff ‚Deutschland“ sowie durch das koloristisch feingesftimmte Gruppenbild zweier kleinen Mädchen bestens bekannt machte, bietet die Ausstellung die Portraitgruppe zweier blonden Knaben in schwarzen Sammetkostümen vor blaugrauem Fond, ein Werk von ebenso gesunder und frischer Auffassung wie von ungesucht natürlichem Arrangement der beiden sich umfaßt haltenden, lebendig charakterisirten Figuren, von vornehmer und kräftiger Tonstimmung und von gediegener Tüchtigkeit der Modellirung und Malerei. Dazu gesellt Graf Leopold von Kalkreuth neben einem kleineren, an Inhalt und malerischem Reiz etwas leer ausgefallenen Bilde das
ungleich gelungenere stattliche Gemälde einer lebensgroßen Mãdchen gestalt in schlichtem schwarzen Kleide mit weißem Tuch und weißer Schůrze, die in herbstlich gefärbter Landschaft betend und sinnend vor einem Heiligenstock kniet. Es ist in der Bewegung der Figur nicht weniger gut beobachtet als in dem fein und wahr gestimmten Ge⸗ sammtton vermag trotz dieser Vorzüge aber doch einen gewissen Zwie⸗ spalt jwischen dem Motiv und dem Maßstab der Darstellung nicht so unbedingt auszugleichen, wie es zur Rechtfertigung des letzteren erforderlich wäre. In einer portraitartigen Aquarellstudie von Frau H. Westphal, der lebensgroßen, von einem lichten grüngrauen Fond in rosafarbener Atlasrobe sich abhebenden Halbfigur einer brünetten Ballbesucherin von pikanter Erscheinung und Bewegung, die bei breiter malerischer Behandlung und gelungenem koloristischen Effest nur ein feineres Studium der Form vermissen läßt, lernt der Besucher det Salons dann noch ein hier wohl zum ersten Mal öffentlich auf⸗ tretendes Talent, in einem großen Blatt von B. Pigibeim das Original der in verkleinerter Reproduftion als Titelblatt der vor— jãbrigen Münchener Künstlermappe weitverbreiteten Komposition in ͤopanischem Geschmack mit der Figur des weiblichen Debardeurz kennen, die in dieser aufdringlichen Größe allerdings über das Maß des Erträglichen hinausgeht und durch mangelhafte Zeichnung und sehr geringen Esprit nicht über die öde Reizlosigkeif der geradezu frechen Erscheinung hinwegtäuschen kann.
Neben den schon besprochenen Bildwerken des verstorbenen Schlüter fesselt jetzt noch die neu ausgestellte lebensgroße Marmor- büste einer jugendlichen Nixe von Bernhard Roemer. Es ist ein Werk von glücklicher poetischer Erfindung, von zartem Reiz der Form und des Ausdrucks und von vornehmer Eleganz der delikaten Durch— bildung im Detail. Dem geschmackvollen Arrangement der Komposition gesellt sich, wie in den schnell beliebt gewordenen bemalten Terrakotten des Künstlers, eine diskrete Färbung des Materials. Aus der braun getönten Drapirung, die von einem Seestern als Agraffe gehalten wird, heben sich Brust und Schultern leuchtend hervor; Augen, Brauen und Lippen sind durch leichte Färbung markirt; das dunklere Haar, das die Stirn beschattet und aufgelöst über Nacken und Schultern niederfließt, wird von einem Kranz umschlungen, in dessen Mitte das schneeige Weiß einer Wasserlilie sich einfügt. Vortrefflich ist in dem ruhig erhobenen, mit geschlossenen feinen Lippen und geradausgerichteten Augen ziellos vor sich hinschauenden Kopfe der keuschen Mädchenschönheit der Ausdruck scheu verschlossenen, verschwiegen geheimnißvollen Wesens gepaart, und nicht wenig wird dieser eigen⸗ artige Charakter der Erscheinung gerade durch die geschickte Farben⸗ stimmung der Büste erhöht. Sie zeigt von neuem, welcher Steigerung des künstlerischen Eindrucks die Plastik durch Hinzunahme der Farbe fähig wird; allerdings aber bietet die Arbeit von Roemer, so glücklich sie jenes Moment für das gegebene Motiv verwerthet, keineswegs ein Beispiel, das ohne Weiteres generalisirt werden dürfte. Einen wesentlichen Schritt zu einer allgemein giltigen Lösung der auf die volych ome Behandlung der Skulptur bezüglichen Frage bedeuten da⸗ gegen zwei von dem Bildhauer Volkmann in Gemeinschaft mit dem Maler Prell ausgeführte Versuche, deren Refultat nach der historischen wie nach der ästhetischen Seite hin von überraschend be— weiskräftiger Wirkung ist. Daß ein schwächlicher Kompromiß zwischen bemalter und unbemalter Plastik, wie man ihn vielfach als ästhetisch allein berechtigt zu acceptiren geneigt ist, eine in sich unwahre Halb⸗ heit bleibt stand für beide Kuͤnstler ebenso fest wie die durch die er= haltenen Zeugnisse unwiderleglich bewiesene Thatsache einer mit vollen und ungebrochenen Farben operirenden Bemalung der antiken Skulpturen. Mit Recht gingen sie zugleich davon aus, daß es sich bei einer Wiederbelebung der Polychromie für unt nöe— mals um die Erzielung einer direkt naturalistischen Wirkung handeln kann, und daß das Material an sich, sofern es nicht Gips oder Thon, sondern echter Marmor ist, auch unter dem farbigen Ueberzug sich in seiner Eigenart zur Geltung zu bringen hat, der Charakter des Marmors also weder durch eine völlig deckende Farbenschicht noch durch eine der Bemalung voraufgehende, den Anschein der Bronze erweckende Vergoldung, wie sie Cauer bei seinen Verfuchen vornahm, verwischt werden darf. Die Reliefköpfe eines bärtigen Mannes und eines jugendlichen Mädchens, die Volkmann aus zwei mäßigen Marmor— stücken von völlig zufälliger Gestalt berausmeißelte, so daß sie wie fragmentirte Fundstücke wirken, wurden demenisprechend von Prell farbig behandelt, und dabei durchweg Töne verwendet, wie sie aus Resten antiker Polychromie für die griechische Plastik zweifellos be— glaubigt sind. Von einem dunklen, violettblauen Fond hebt sich der maͤnnliche Kopf in einem graubräunlichen Fleischton ab; die Lippen sind braunroth, die Augensterne nebst Haar und Bart blauschwarj gefärbt, zwischen die grünen Blätter des Kranzes leuchtend rothe Beeren eingefügt. Bei dem Mädchenkopf ist ein hellerer, leicht ins Grünliche spielender blauer Fond gewählt, von dem sich das roth⸗ schimmernde, grünbekränzte Haar in feinstem koloristischen Effekt aßb— bebt; das Gesicht hat einen licht und zart gestimmten Fleischton, die Wange einen leisen rosigen Schimmer erhalten; den rothen Lippen gesellt sich ein blaues, von blonden Brauen überwölbtes Auge. Die durchweg auf die Natur selber zurückgehenden Töne, die dem Stein imprägnirt sind und ihn völlig durchtränken, lassen bei aller Energie doch über die Natur des zu Grunde liegenden Materials keinen Zweifel und würden sich mit einer noch weiter hinzutretenden theil— weisen Vergoldung ohne Frage zu gleicher Harmonie verbinden. An die Stelle des kalten, einförmigen Weiß, an dem man so lange wie an einem unumstößlichen Dogma festgehalten hat, setzen sie die leben— digste Farbigkeit, die, weit entfernt, die Idealität des Kunstwerks zu trüben, den ästhetischen Reiz desselben im Gegentheil erst vollendet, des edlen Marmors nicht nur nicht unwürdig erscheint, sondern viel mehr das Material erst wirklich künstlerisch adelt. Angesichts der siegreichen Kraft, mit der diese Versuche auftreten, wird man kaum den Muth finden, der polychromen pPlastik ihre ästbetische Berechtigung noch weiterhin absprechen zu wollen; den beiven Künstlern aber, denen für ihr Unternehmen der aufrichtigste Dank gebührt, wird das erzielte Resultat hoffentlich der Anlaß zu weiterer Verfolgung des so glücklich betretenen Weges sein.
Internationale Ausstellung von Arbeiten aus edlen Metallen und Legirungen in Nürnberg 1885.
Für die Internationale Ausstellung von Arbeiten aus edlen Me— tallen und Legirungen in Nürnberg 18865 ist nunmehr die Befthei— ligung aller Welttheile gesichert. Alle großen Firmen der betreffen⸗ den Branchen werden durch umfassende Arrangements vertreten sein. Dieser Betheiligung entsprechend, werden auch die Ausstellungs⸗ gebäude innen wie außen mit einer besonderen Pracht ausgestattet. Um den Besuch der Ausstellung möglichst zu erleichtern, sind von der Generaldirektion der bayerischen Verkehrsanstalten folgende Ver günstigungen gewährt worden: 1) Die Ausstellungsgegenstände, welche nicht zum Verkaufe gelangen, werden innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten nach Schluß der Ausstellung taxfrei zurückbefördert. 2) Den Besuchern der Ausstellung wird eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Retourbillete auf 8 Tage ohne Anrechnung der Sonn und Feiertage zugestanden; für die Aussteller felbst und deren Vertreter wird die Gültigkeitsdauer der vom 1. Mai bis 15. Ok— tober laufenden Jahres abgegebenen Retourbillete auf 30 Tage ver— längert. 3) Für Mitglieder von Gewerbevereinen und Innungen, welche sich mit der einschlägigen Arbeit befassen, sowie für die in den betreffenden Industriezweigen beschäftigten Arbeiter wird bei gemein— samem Besuch der Ausstellung unter der Voraussetzung, daß die An—⸗ zahl der Theilnehmer mindestens 30 beträgt und die Hin und Rück— fahrt gemelnsam erfolgt, eine Ermäßigung von 50 oo der normalen Fahrpreise gewährt.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. Els ner. Acht Beilagen seinsch ließlich Börsen⸗Bellage).
Berlin:
Erste Beilage
— — 6
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
M 9).
Berlin, Dienstag, den 28. April
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Aichtamtliches.
Prenßen. Berlin, 28. April. Im weiteren Verlauf der gestrigen (87.) Sitzung des Reichstages wurde die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des 3zolltarifgesetzes vom 15. Juli 1879, fortgesetzt.
Zur Berathung stand Nr. ge des Tarifs (Raps und Rü bslaat), Nr. 26 des Tarifs (Oel, anderweit nicht genannt, und Fette) sowie Nr. 296.
Zu dieser Position waren folgende Anträge eingegangen:
Die Freie wirthschaftliche Vereinigung schlug den Zoll für Raps, Rübsaat und Mohn auf 3 MS vor.
Die Abgg. Graf zu Stolberg-Wernigerode und Frhr. von Wöllwarth beantragten für Raps und Rübsaat einen Zoll von 1 6, für Mohn 2
Die Abgg. Dr. Sattler und Cornelsen beantragten, der Position 6 des Kommissionsantrages noch Baumwollensaat als zollfrei hinzuzufügen.
Die Abgg. Scipio, Struckmann und Woermann bean— tragten, für Raps, Rübsaat und Mohn einen Zoll von 2 6, die anderen vegetabilischen Stoffe wollten dieselben an diefer Stelle des Tarifs streichen.
Der Abg. Frhr. von Ow beantragte, für den Fall der Ablehnung des Antrags der Freien wirthschaftlichen Ver— einigung (Raps, Rübsaat und Mohn 3 S6) für Raps, Rüb⸗ saat und Mohn einen Zoll von 2 MS festzusetzen, d. h. eventualiter dasselbe, was die Abgg. Scipio, Struckmann und Woermann prinzipaliter beantragt hatten.
Der Abg. Scipio befürwortete seinen Antrag. Er gebe voll und ganz zu, daß auf dem Gebiete des Rapsbaues in der heimischen Landwirthschaft ein Nothstand vorhanden sei und sei persönlich mit derjenigen Erhöhung des Zolles auf Raps, Rübsaat und Mohn einverstanden, wie die Kommission sie vorgeschlagen habe. Weiter zu gehen, als der zu erreichende Zweck absolut erheische, halte er aber nicht für geboten, und deswegen habe er den Antrag eingebracht, alle übrigen Oel⸗ saaten wie bisher zollfrei zu lassen. Bei einer Rüböl⸗ produktion von gegen S800 000 Doppelcentnern könne irgend eine Einwirkung von der Einfuhr dieser Oelsaaten nicht erwartet werden; und auch die paar Tausend Centner Schmieröl, die jährlich nach wie vor für Spezialzwecke gebraucht würden, könnten der Verwendung des Rüböls keinen Eintrag thun. Gerade bei der jetzigen Entwickelung des überseeischen Tauschhandels, bei der Aus— dehnung der deutschen Handelsbeziehungen zu den Kolonial— gebieten müsse die Freiheit der Bewegung erwünscht und die Beseitigung aller Verkehrserschwerungen geboten erscheinen. Sollte aber das Haus dieser Anschauung nicht beitreten, so bitte er eventuell, dann wenigstens auch die ausdrückliche Be⸗ günstigung wieder zu streichen, welche das Ricinusöl den anderen Oelen gegenüber nach den Kommissionsvorschlägen erfahren würde.
Der Abg. Dr. Frege bat, in diesem Stadium der Be⸗ rathung an den Kommissionsvorschlägen nicht zu rütteln und alle Abänderungsanträge abzulehnen. Er sei erfreut, mit dem Abg. Broemel in Bezug auf die Unzweckmäßigkeit des Regierungsvorschlages übereinzustimmen; mit einem Zoll von einer Mark könne der Landwirthschaft nicht geholfen werden. Wenn der Rapsbau erst überhaupt unmöglich geworden sei, komme jeder Schutzzoll zu spät. Die von der Kommission beschlossene Erhöhung über den Vorschlag der Regierung hinaus habe eine gleichzeitige Aenderung der Zollsätze für die ganze Position Oel nöthig gemacht; die hieran geknüpften Befürchtungen seien grundlos, auch der Oelindustrie werde mit den Kommissionsvorschlägen am wirksamsten geholfen. Eine Vertheuerung für den Konsum werde durch die Erhöhung der Oelzölle nicht eintreten. .
Der Abg. Schrader bemerkte, ohne eine sehr große, ein⸗
reifende Zollerhöhung auf alle Oele sei eine Erhöhung des hte e ges nicht möglich. Deshalb sei der Vorschlag der Re⸗
ierung für seine Partei unannehmbar, der einerseits dem 1 nichts nütze und andererseits der Oelindustrie schade. Seine Partei stehe also vor der Alternative, entweder im Großen und Ganzen das System der Kommission anzunehmen oder auf jede Zollerhöhung auf Raps und auf Oel zu ver⸗
zichten. Die Landwirthschaft habe kein großes, vitales In⸗ teresse an der Erhöhung des Rapszolles, die Oelindustrie könne aber durch diese große Umwälzung einen erheblichen Schlag erleiden. Was überhaupt alles für Konsequenzen aus dieser Umwälzung folgen könnten, lasse sich jetzt noch nicht genau übersehen; deshalb müsse man heute mindestens ein non liquet aussprechen. Auch der Bundesrath habe sich gegen die Erhöhung der Oelzölle schlüssig gemacht und dieses gewiß am meisten sachverständige Urtheil müsse maßgebend sein. Der Abg. Woermann erklärte, ein Zoll von 2 46 auf Kopra, Palmkerne, Sesamsaat und Erdnüsse schädige die Oelindustrie ebenso wie der Rapszoll, zumal es wichtig sei, daß die Oelmühlen auch in der Zeit, in welcher der Raps nicht geschlagen werde, beschäftigt seien. Die Produkte aus den fremden Oelfrüchten konkurrirten nicht erheblich mit dem Rüböl. Erdnuß z. B. liefere ein Oel, das meist zur Fabri⸗ kation von Kunstbutter gebraucht werde, und ein Speiseöl, das dem feinsten Olivenöl gleichkomme und im südlichen Frankreich als solches verkauft werde. Sesamöl werde zu Speisezwecken, Baum⸗ wollensaatöl zur Seisenfabrikation verwendet. Außerdem treffe der Zoll von 2 S indirekt auch den Oelkuchen, vertheuere einer wichtigen Industrie das Rohprodukt von vornherein um 246, d. h, bis 10 Proz. vom Werth der Oelsaaten, die 20 30 pro 109 kg kosteten, und würde Frankreich die ausschließliche Enkwickelung dieser Industrie überlassen, deren eines Produkt, der Delkuchen, vom Abg. Broemel in seiner Bedeutung ent⸗ wickelt sei. Endlich würde dieser Zoll für die deutsche Ko⸗ lonialpolitik von Nachtheil sein, da gerade Sesam und Erd⸗ nüsse aus den Gebieten importirt würden, in welchen Deutschland jetzt festen Fuß gefaßt habe. Erdnüsse seien bis⸗ er aus Ostindien von Bombay gekommen, in den letzten 9 aber seien sie mit stetig steigender Zunahme von der Dst⸗ und Westküste Afrikas importirt, sneziell aus dem Congogebiet, das vor 5 — 6 Jahren noch sehr wenig Erdnüsse geliefert habe.
Es sei das einer der wenigen Artikel, welche man bis jetzt aus Afrika bezogen habe, und es wäre recht bedauerlich, wenn dieser Import so ungemein erschwert würde. Ein Zoll auf alle anderen ölhaltigen vegetabilischen Stoffe hindere von vornherein die Entwickelung der deutschen Kolonialpolitik, denn es vergehe kaum ein Monat, in dem nicht eine oder die andere ölhaltige Frucht von Afrika zur Probe nach Hamburg gesandt werde. Bei einem Zoll von 2 6 werde Deutschland beim Kauf dieser Früchte mit anderen Ländern, die sie zollfrei einführen könnten, nicht konkurriren können. Man könne doch nicht die Dampfschifflinien vermehren und gleichzeitig die hauyptsächlichsten Produkte der Tropen — das seien gerade die Oelfrüchte, welche die Retourfracht von den Tropen lie— ferten — mit einem Zoll belegen.
Der Abg. Dr. Sattler bemerkte, die Gewinnung von Oel aus Baumwollensaat in Deutschland geschehe erst seit wenigen Jahren im Bezirk der Hamburger Handelskammer. Die Baumwollensaat sei sehr schwierig zu bearbeiten, weil sie sehr fettarm sei, ein Zoll auf diese Saat wirke also wie ein Zoll auf Oel. Der Zoll auf dieses müsse demnach sehr er—⸗ höht werden, wenn die Oelfabrikation aus Baum— wollensaat bestehen solle. Die letztere werde hauptsächlich zur Seifenfabrikation verwandt und konkurrire nur mit Leinsaat und Palmkernen, die ja auch frei seien. Eine Folge des vorgeschlagenen Zolles würde sein, daß die Bearbeitung der Baumwollensaat zu Baumwollensaatöl und zu Futterzwecken im Auslande vorgenommen werden müsse. Man halte die Futterkuchen von Baumwollensaat aus Amerika für werthlos, das sei richtig, aber sie seien es deshalb, weil sie in Amerika nicht genügend gereinigt würden. Zur Rei⸗ nigung und also zur besseren Verwerthung hätten die deut— schen Fabrikanten kostspielige Maschinen angeschafft, die werth— los werden würden mit Einführung des vorgeschlagenen Zolles. Er bitte daher, seinen Antrag anzunehmen.
Der Abg. Udo Graf zu Stolberg-⸗Wernigerode erklärte, durch den allgemeinen Zurückgang des Rapsbaues sei die Nothwendigkeit der Erhöhung des Rapszolles wohl begründet. Die landwirth— schastlichen Zölle seien so aufzufassen, daß nicht durch einen einzelnen Zoll der Landwirthschaft genutzt werben solle, son— dern durch ein allgemeines konsequent durchgeführtes Zoll— system werde ein wirksamer Schutz der Landwirthschaft erreicht. Durch die Beschlüsse der Kommission werde dem Rapsbau ein, wenn auch nicht sehr bedeutender, so doch immer anzuerken⸗ nender Schutz gewährt, ohne daß der Oelindustrie eine Schä— digung zugefügt werde. Er empfehle deshalb die Kommissions— beschlüsse zur Annahme.
Der Abg. Dr. Langerhans bemerkte, durch diese Rapszoll⸗ vorlage werde in einer großen Menge anderer Positionen des Zolltarifs eine so große Verwirrung angerichtet, daß eigentlich Niemand recht wisse, wie diese Positionen in Folge des Raps— zolles zu gestalten seien. Und dies Alles nur, damit der Landwirthschaft genützt werde! Für die Rapszollerhöhung existire thatsächlich kein materieller Grund. Der Rapszoll nütze der Landwirthschaft nichts, weil der Raps immer einen guten Preis gehabt habe, in den Jahren 1878 bis 1883 seien die Preise für denselben im Steigen begriffen gewesen, erst 1884 sei ein Rückschlag eingetreten.
Der Abg. Freiherr von Landsberg⸗-Steinfurt vertheidigte einen von ihm und den Abgg. Frege und Gamp eingebrachten Antrag, wonach auch zur Fabrikation von Schmieröl einge— führtes Mineralöl von der zollfreien Einfuhr ausgeschlossen werden solle.
Der Abg. Gamp erklärte, der Abg. Langerhans sei mit seinen statistischen Daten in denselben Fehler verfallen wie neulich der Abg. Rickert, der aus der Statistik weniger Jahre den Nachweis habe führen wollen, daß die Zunahme der Verbrechen gegen das Eigenthum mit einer Steigerung der Getreidepreis ehand in Hand gehe. Wenn der Abg. Langerhans, anstatt dem Hause die Daten von 2— 4 Jahren anzuführen, weiter zurückgegangen wäre, so würde derselbe bei einer Vergleichung der Kreise und der Anbaustatistik aus den sechziger Jahren mit den heutigen gefunden haben, daß in der That ein erheblicher Rückgang wie im Preise, so im Anbau von Raps und Rübsen zu konstatiren sei. Auch die Behauptung, daß dieser Rückgang eine Folge der Zuckerrübenkultur sei, sei eine total unrichtige. In Ospreußen gebe es nur ein bis zwei Zuckerfabriken, die ihr Rohmaterial auf einer räumlich sehr beschränkten Fläche anbauten. Demgegenüber stehe die Thatsache, daß Hunderte von Gütern den Anbau von Raps hätten eingehen lassen müssen. .
Der Ahg. Dirichlet sprach sich für möglichst niedrige Zoll⸗ sätze aus. In den Landestheilen, in denen der Flachsbau eine Domäne der kleinen Leute sei, werde diese Zollerhöhung eigenthümliche Empfindungen erwecken. Man werde sich fra⸗ gen, ob es xichtig sei, die Leinsaat des Schutzes nicht für werth zu erachten, während der Raps des Großgrundbesitzers geschützt werden solle. Was die Exportbonifikation betreffe, so könne ihm theoretisch dieses Verlangen nur erwünscht sein. Man werde damit die Thatsache anerkennen, daß die Waare durch den Zoll vertheuert werde; man solle dann aber auch bedenklich gegen die Zollerhöhungen überhaupt werden. Er bitte daher, es bei dem gegenwärtigen Zoll zu belassen. Selbst die mäßige Zollerhöhung, die Graf Stolberg vertheidigt habe, bedeute eine Verdreifachung des jetzigen Zollsatzes.
Der Abg. Lucius machte darauf aufmerksam, daß der Ausdruck „andere ölhaltige vegetabilische Stoffe“ so umfassend sei, daß leicht darunter auch Sämereien und Stoffe, die nie⸗ mals zur Oelfabrikation gebraucht würden, verstanden werden könnten. Dieser Ausdruck müsse präziser gefaßt werden.
Der Abg. Dr. Meyer (Halle) erklärte, der Ausdruck, den der Abg. Rickert gebraucht habe, daß die Zahl der Verbrechen gegen das Eigenthum mit dem Steigen der Getreidepreise zu⸗ genommen habe, stamme keineswegs von dem Abg. Rickert selbst, sondern sei vielfach gebraucht worden, unter anderen auch vom Hrn. Geheimen Justiz-Rath Starcke in seiner bekannten Statistik. — Die Rübölindustrie befinde sich in einer sehr bedrängten Lage, besonders seitdem das Rüböl durch das Petroleum, als Beleuchtungsmaterial vielfach verdrängt sei. Die Mission des Rüböls als Beleuchtungsmaterial sei zu Ende! Inwieweit
Rüböl noch als Speisemittel benutzt werde, sei Geschmacksache
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und hänge von der Landessitte ab. Ein viel besseres und schmackhafteres Speisemittel als das Rüböl sei das Baumöl, das theilweise für vorzüglich gehalten werde. Es sei also nicht gerechtfertigt, der Rübölindustrie noch mehr Schaden zuzufügen.
Der Abg. Dr. Windhorst erklärte, er werde für die Vor⸗ schläge der Kommission stimmen, mit welchen sowohl die land⸗ wirthschaftlichen Interessenten, wie auch die Vertreter der Oelmühlenindustrie sich im Wesentlichen einverstanden erklärt hätten. Er bitte ferner, den Antrag Sattler anzunehmen, da sonst diejenigen hannoverschen Fabriken, welche Baumwollen⸗ saat verarbeiteten, ihren Betrieb zu reduziren, oder ganz ein⸗ zustellen gezwungen sein würden.
Die Diskussion wurde geschlossen.
Die Anträge der freien wirthschaftlichen Vereinigung und der Abgg. Graf zu Stolberg-⸗Wernigerode und Frhr. von Wöll⸗ warth wurden zurückgezogen.
Der Kommissionsantrag bezüglich des Raps⸗ ꝛc. Zolles wurde mit dem Amendement Sattler (unter „ „Baumwollen⸗ saat“ hinzuzufügen) angenommen.
In Bezug auf Oelzoll wurden die Kommissionsanträge in allen Positionen unverändert angenommen, ebenso der Zoll auf mineralische Schmieröle.
Bezüglich des Oelzolles wurde dem Tarifgesetz nach dem Antrage der Kommission folgender Zusatz zu 8.7? gegeben:
„Den Inhabern von Oelmühlen wird fär die Ausfuhr der von ihnen hergestellten Oelfabrikate eine Erleichterung dahin gewährt, daß ihnen der Eingangszoll für eine der Ausfuhr entsprechende Menge der zur Mühle gebrachten ausländischen unter Nummer 9 4a des Tarifs bezeichneten, Oel enthaltenden vegetabilischen Stoffe nachgelassen wird. Der Ausfuhr der Oel⸗ fabrikate steht die Niederlage derselben in eine Zoll niederlage unter amtlichem Verschluß gleich. Ueber das hierbei in Rechnung zu stellende Ausbeuteverhältniß trifft der Bundesrath Bestimmung. Die zur Mühle zollamtlich abgefertigten ausländischen, sowie auch sonstigen Oelfrüchte, welche in die der Steuerbehörde zur Lagerung der erstbezeichneten Oelfrüchte angemeldeten Räume eingebracht sind, dürfen in unverarbeitetem Zustande nur mit Genehmigung der Steuerbehörde veräußert werden. Zuwiderhandlungen hiergegen werden mit einer Geldstrafe bis zu ein Tausend Mark geahndet.“
Es folgte nunmehr die Diskussion über die Position e „Palm⸗- und Kokosnußöl“.
Festes Palm⸗ und Kokosnußöl war bisher mit 2 M ver—⸗ zollt, dieser Zoll soll nach dem Antrage der Kommission bei⸗ behalten werden und soll das Wort „festes“ gestrichen werden. Das letztere beantragte auch der Abg. Dr. Witte.
Der Abg. Richter (Hagen) bat, den Zoll ganz zu besei⸗ tigen, da derselbe nur dem Interesse einiger weniger Fabriken zu Gute kommen würde, welches gegenüber den viel wichtigeren Interessen der gesammten deutschen Seifenfabrikation, die durch den Zoll geschädigt werde, zurückstehen müsse. Auch die neuen Kolonien würden den Werth, den sie etwa für Deutsch⸗ land besitzen würden, ganz verlieren, wenn man den Haupt⸗ ausfuhrartikel derselben nicht mehr zollfrei einführen könne. Die Freunde der Kolonialpolitik möchten für dieselbe doch durch Verzicht auf diesen Zoll auch ein kleines Opfer bringen.
Nachdem der Bundeskommissar, Geheime Regierungs— Rath Mosler und der Abg. Dr. Frege diesen Ausführungen entgegengetreten und auf die steigende Einfuhr von Palmöl hingewiesen hatten, wurde der Kommissionsantrag ange— nommen.
Der Schmalzzoll, welcher wie bisher auf 10 v be⸗ lassen war, wurde ohne Debatte genehmigt.
Der Zoll für Stearin, Palmitin, Paraffin, Walrath und Wachs beträgt jetzt 8 6 Die freie wirth⸗ schaftliche Vereinigung beantragte den Zoll für Wachs auf 15 46 zu erhöhen. Der Abg. Letocha schlug eine spezialisirtere Fassung der Position „Wachs“ mit demselben Zollsatz von 15 6 vor, während die Regierungsvorlage für die gesammte Position einen Zoll von 10 6 vorgeschlagen hatte.
Das Haus genehmigte den Vorschlag der Regierung in Verbindung mit dem Antrag Letocha.
Für Fischspeck und Fischthran wurde der Zoll von 3 Sο angenommen.
„Anderes Thierfett“ hatte nach dem bisherigen Zoll⸗ tarif und der Regierungsvorlage einen Zoll von 2 M6
Der Abg. Witte beantragte, den Text der Position zu fassen: „Talg von Rindern und Schafen, Knochenfett und sonstiges Thierfett, anderweit nicht genannt.“
Der Antrag Dr. Witte wurde angenommen.
Einem Antrage der Abgg. Scipio und Wörmann gemäß soll der Zoll für Oel mit dem 1. Juli, für Raps mit dem 1. Oktober d. J. in Kraft treten. Der Antrag wurde zur kommissarischen Berathung verwiesen. .
Zur Position „Petroleum“ 6 M lag ein Antrag des Abg. Racke vor, den Zoll auf 3 s zu ermäßigen.
Die Kommission beantragte durch ihren Referenten Abg. von Kulmiz, den Antrag abzulehnen, weil durch den⸗ selben das fiskalische Interesse in erheblicher Weise geschädigt würde. Dagegen schlug die Kommission die Erweiterung der Anmerkungen dahin vor, daß Mineralöl (rohes Petroleum, Naphta) zur Herstellung von Benzin, Ligroin und Petroleumäther auf Erlaubnißschein unter Kontrole der Ver⸗ wendung zollfrei eingehen solle. — Nach einer ferneren An⸗ merkung sei der Bundesrath befugt, Rohpetroleum zur Raffi⸗ nirung zollfrei eingehen zu lassen, wenn die daraus gewonne⸗ nen Produkte nachher als ausländische behandelt würden.
Der Abg. Sattler wollte den Benzinfabriken die Fabriken zur Herstellung von Druckfarben und Rußen gleichstellen.
Die Abgg. Gamp und Genossen wollten die Fabriken von Benzin, Ligroin und Petroleumäther den Petroleum⸗ raffinerien gleichstellen, d. h. ihnen das Rohmaterial frei ein⸗ gehen lassen, wenn ihre Produkte als ausländische behandelt würden.
Der Abg. Richter (Hagen) sprach seine Freude über den Antrag aus, der hoffentlich durch den Abg. Racke noch weiter werde begründet werden. Das Centrum habe schon so viele Zölle im fiskalischen Interesse beschlossen, daß es wohlthue, eine Zollerleichterung zu beantragen, die viel mehr als der Antrag Huene den untersten Klassen zugute kommen werde. Wenn die Centrumspartei für die Verwohlfeilerung des
Petroleums eintrete, so werde es die Hälfte von dem Unrecht