1890 / 69 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 18 Mar 1890 18:00:01 GMT) scan diff

2. . Verwaltungsstreitverfahren offen. Zustãndig ist der Bezirks ausschuß.

S. 6. Wer außerhalb einer im Zusammenhange gebauten Ort schaft eine Kolonie anlegen will, hat dazu die ö. des Kreisausschusses, in Stadtkreisen der Orts - Polizeibehörde, zu bean- tragen. Mit dem Antrage ist ein Plan vorzulegen, in welchem, unter Beifügung einer Situationszeichnung, die im öffentlichen Interesse für die Kolonie erforderlichen Anlagen nach Umfang und Art ihrer Ausführung darzulegen sind, die künftige Unterhaltungspflicht für diefe Anlagen festzu⸗ stellen und endlich nachjuweisen ist, daß die nöthigen Mittel zur ordnung⸗ mäßigen Ausführung und dauernden Unterhaltung derfelben vorhanden sind. Soweit zur Herstellung dieser Anlagen die anderweite Ge— nehmigung einer Staatsbebörde gesetzlich erforderlich ist, ift gleich zeitig die Ertheilung dieser Genehmigung nachzuweifen.

S. 7. Hinsichtlich der Genehmigung zur Anlegung einer Kolonie finden die Bestimmungen der §§. 2 bis 4 entsprechende Anwendung. Die Genehmigung ist auch dann zu versagen, wenn der mit dem An= trage vorzulegende Plan nicht den Anforderungen des §. 6 Absatz 2 und 3 entspricht. Zur Ausführung und dauernden Unterhaltung der im öffentlichen Interesse für die Kolonie erforderlichen An⸗ lagen ist nach ertbeilter Genehmigung die Anwendung des volizeilichen Zwangaverfahrens zulässig. Gegen den die Ertheilung eder Versagung der Genehmigung betreffenden Bescheid, welcher mit Gründen zu versehen und dem Antragsteller, sowie denjenigen, welche Einspruch erhoben haben, zu eröffnen ist, steht Letzteren, sowie dem Antragsteller bei Bescheiden des Kreis“ ausschusses der Antrag auf, mündliche Verhandlung im Verwaltungs⸗ streitverfahren, bei Bescheiden der Orts⸗Polizeibehörde eines Stabt⸗ . die Klage bei dem Bezirksausschusse innerhalb zwei Wochen offen.

S. 8. Wer vor Ertheilung der vorgeschriebenen Genehmigung mit einer neuen Ansiedelung oder der Anlegung einer Kolonie beginnt. wird mit Geldstrafe bis 150 A oder Haft bestraft. Auch kann der Landrath, in Stadtkreisen die Orts Polizeibehörde, die Weiterführung der Ansiedelung oder Kolonie verhindern und die Wegschaffung der errichteten Anlagen anordnen.

§. 937. Das Verfahren nach diesem Gesetze, einschließlich der er⸗ theilten Genehmigungen, ist stempelfrei.

S. 10. Das gegenwärtige Gesetz tritt mit seiner Verkündigung in Kraft. Von diesem Zeitpunkte ab sind sämmtliche entgegenstehenden Bestim mungen aufgehoben. Diejenigen anderweiten Bestimmungen, welche die Errichtung von Gebäuden in der Nähe von Forsten, Eisen⸗ bahnen, Chausseen, öffentlichen Gewässern, Strömen Kanälen, Deichen, Bergwerken, Pulvermagazinen und anderen Anlagen polizeilichen Be—⸗ ö unterwerfen, werden von dem gegenwärtigen Gesetze nicht

erührt.

§ 11. Die zuständigen Minister sind mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt.

Die Begründung lautet:

Für die sieben östlichen Provinzen der Monarchie und für West⸗ falen ist die als nothwendig erkannte Reform der gesetzlichen Vor⸗ schriften über die Gründung neuer Ansiedelungen durch die §§. 13 bis 26 des Gesetzes vom 25. August 18756 (Gesetz-Samml. S. 405) erfolgt. Zu einer Ausdehnung des Geltungsbereichs dieser Bestim⸗ mungen auf die übrigen Provinzen lag damals keine Veranlassung vor. Nachdem dieselben jedoch inzwischen durch das Gesetz vom 4. Juli 1887 (GesetzSamml. S. 324) auf die Provinz Hannover, und durch das Gesetz vom 13 Juni 1588 (GesetzSamml. S. 243) auf die Provinz Schleswig⸗Holstein mit einigen Abweichungen über⸗ tragen worden sind, ist gegenwärtig auch in der Provinz Hessen⸗ Nassau das Bedürfniß nach Einführung besonderer gesetzlicher Vor schriften über die Gründung von Ansiedelungen hervorgetreten.

In den verschiedenen Landestheilen, aus welchen der Regierunge⸗ bezirk Kassel gebildet worden ist (Kurfürstenthum Hessen, Baperische und Großherzoglich Hessische Gebietstheile) sind gesetzliche Bestimmungen über Neuansiedelungen abgesehen von den Vorschriften des Gesetzes vom 2. Juli 1875 über die Anlegung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften zur Zeit nicht in Geltung, mit Ausnahme des Artikel 20 §. 160 der Hessischen sogenannten Grebenor nung vom 6. November 1739 (Kulenkamp, Neue Samm⸗ lung de Landesordnungen ꝛc. Hessens Bd. II. S. 95), wonach an slchen Orten, woselbst vorhin keine Wohnhäuser vorhanden, nicht ders als mit obrigkeitlichem Vorwissen gebaut werden darf.“ j

Von besonderer Bedeutung für den waldreichen Regierungsbezirk ist ferner der 5. 47 ff. des Feld und Forst⸗Polizeigesetzes vom 1. April 1880, wodurch die Errichtung neuer Feuerstätten in der Nähe von Waldungen eingeschränkt worden ist. Endlich haben auch noch von der Bezirksregierung erlassene Bau⸗Polizeiordnungen die polizeiliche Erlaubniß für alle Neubauten an die Bedingung geknüpft, daß dieselben nur auf Grundstücken errichtet werden dürfen, welche an einer öffentlichen Straße liegen, oder von einer solchen eine aus reichende Zufahrt haben. . ö

Wenn sich auch bisher die Anwendung dieser Bestimmungen in

den meisten landräthlichen Kreisen des Regierungsbezirks Kassel bei der geringen Neigung zu Ausbauten außerhalb der geschlossenen Ort— schaften ausreichend erwiesen hat, so muß doch der Erlaß gesetzlicher Bestimmungen über Neuansiedelungen für die gebirgigen Gegenden dieses Regierungsbezirks, wo die vereinzelten Niederlassungen haufiger sind, für nothwendig erachtet werden, nachdem auch das Direktorium des landwirthschaftlichen Centralvereins für den Regierungsbezirk Kassel nach Anhörung und in Uebereinstimmung mit einsichtsvollen Landwirthen dieses Bedürfniß ausdrücklich anerkannt hat. Hierbei kommt noch in Betracht, daß in Folge der Durchführung der Sepa— rationen die landwirthschastlichen Verhältnisse im Regierungsbezirk Kassel sich voraussichtlich ebenso gestalten werden, wie im Übrigen preußischen Staatsgebiet, und daß dadurch das Bedürfniß nach An wendung derartiger gesetzlicher Bestimmungen in Zukunft immer fühl barer hervortreten wird. .

Auch im Regierungsbezirk Wiesbaden ist die Gründung neuer Ansiedelungen abgesehen von den Bestimmungen des Straßen und Baufluchtengesetzes vom 2. Juli 1375, sowie des Feld und Forst ⸗Polizeigesetzez vom 1. April 1868690 zur Zeit gesetz licken Einschränkungen nicht unterworfen. Das planlose Bauen, welches hiernach gesetzlich nicht gehindert werden kann, hat in diesem Regierungsbezirk nicht bloß auf dem platten Lande, sondern auch in der Nähe der Städte, namentlich der Stadt Frank— furt a. M, zur großen Benachtheiligung öffentlicher Interessen bereits eine bedenkliche Ausdehnung gewonnen. Das Bedürfniß nach Regelung fer Ansiedelungsbedingungen ist hiernach im Regierungsbezirk Wies— baden im Laufe der Fahre immer dringender hervorgetreten, wie dies auch von dem Vereine nassauischer Land⸗ und Forstwirthe, sowie von . landwirthschaftlichen Verein zu Frankfurt a. M. anerkannt vorden ist.

Unter diesen Umständen wird die Einführung gesetzlicher Vor⸗ schriften über die Gründung neuer Ansiedelungen in der Provinz Hessen· Nassau nicht länger verzögert werden dürfen. Da die Verhaͤltnisse dieser Provin; in vieler Hinsicht mit denen des südlichen Bezirks der Provin; Hannover gleichartige sind, so empfiehlt es sich, die entsꝑrechenen Bestimmungen des Gesetzes vom 4. Juli 1857 söeseß. Samml. S. zz4), welche im Wesentlichen auch, mit den Vorschriften des astländischen Gefetzes vom 25. Äugust 1876 (Hesetz Samml. S. Kö) übereinstimmen, auf die Provinz Hessen⸗Nassau zu übertragen. Dieselben haben sich in der Praxis bewährt; die freie Gründung neuer Ansiedelungen wird dadurch nicht weiter eingeschränkt, als zum Schr z wichtiger, namentlich öffentlicher Interesfen erforder⸗ lich ist, und p. iin zielle Eigenthümlichkeiten, welche eine Abweichung in den materiellen Vorschriften bedingen würden, sind nicht vorhanden. Der vorliegende Gesegentwurf schließt sich daher den s8,. bis za des Gesetzes vom 4. Juli 1887 eng an und läßt nur diejenigen Be⸗ stimmungen dieser Paragraphen unberücsichtigt, welche lediglich mit Rücksicht auf die eigenthümlichen Perhältnisse der umfängreichen Haide und Hochmoordistrikte in der 9 n Hannover getroffen sind (6. Ib letzter Absatz dez erwahnten Gefetzes).

An Stelle der Orts⸗Polizeibehörde, welche nach dem Gesetz vom 25. Auguft 1578 und nach dem Gesetz für Hannover vom 4. Juli 1887 die erste Instanz für Prüfung und Genehmigung des Ansiede⸗ lungsantrags bildet, ift für die Landkreise der Landrath gesetzt worden. In den alten Provinzen, sowie in Schleswig⸗-Holstein liegt die Orts- Polizeiverwaltuͤng in den Händen der Amtsvorsteher, in Hannover in denjenigen der Landräthe, Behörden, denen die zur Beurtheilung der bei Neuanstedelungen in Frage kommenden gesetzlichen ꝛc. Bestimmungen möglich ist, während von den die örtliche Polizei bandhabenden Bürgermeistern der Landgemeinden in der Pro⸗ vinz Heffen⸗Rasfau diefe Gesetzeskenntniß in dem gebotenen Um- fange nicht verlangt werden kann. Daju kommt noch, daß nach 5. 65 der Kreisordnung für die Provinz Hessen; Nassau vom 7. Juni 1885 diejenigen Zweige der örtlichen Polizeinerwaltung, welche bei Erlaß jenes Gescks auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder von der Auffichtsbehörde erlassener Verfügungen von anderen Behörden, als dem Bürgermeister, verwaltet werden, fortan von. dem Landrat wahrzunehmen sind. Hierzu gehört auch die polizeiliche Genehmigung zu Neubauten ꝛc., sodaß schon aus diesem Grunde dem Landrathe auch die hier in Frage stehende Befugniß zu übertragen sein wird. Dies ist in den 55. 1, 4 und 8 des Gesetzentwurfs ge schehen. Die übrigen Bestimmungen dieses Gesetzentwurfs, welche mit den entsprechenden Vorschriften der Gesetze vom 4. Juli 188 und 13. Juni 1888 übereinstimmen, werden mit Rücksicht hierauf einer besonderen Begründung nickt bedürfen.

Der Provinzial⸗-Landtag von Hessen⸗Nassau, welchem der Gesetz⸗ entwurf zur Begutachtung vorgelegt worden ist, hat sich mit dem= selben nach Annahme einiger Ir rn. zu den S8. 3 und 4 einverstanden erklaͤrt. Von Aufnahme der Letzteren wird jedoch abgesehen werden müssen. Wenn der Provinzial ⸗andtag zunächst wünscht, daß nicht nur den betheiligten Gemeindevorständen, sondern auch den Gemeinde⸗ vertretungen ein Einspruchsrecht gegen beabsichtigte Ansiedelungen gewahrt, und daß dieses Einspruchsrecht auch auf den FJall einer zu befürchtenden Gefährdung der Gemeindeinteressen schlechthin ausgedehnt werde, so ist ein provinziellez Bedürfniß zur Einführung dieser Vorschrift, welche von den fuͤr die übrigen Provinzen geltenden gesetzlichen Bestimmungen abweichen würde, nicht ersichtlich gemacht worden. Eine Beeinträchtigung der Gemeindeinteressen allgemein und ohne jede nähere Bestimmung als fakultativen Grund zur Ablehnung der Ansiedelungsgenehmigung einzuführen, würde zudem gegenüber den Bestimmungen des Freizügigkeitsgesetzes vom 1. November 1867 unzulässig sein. ( ; .

Der vom Provinzial Landtage ferner zu 5. 3 befürwortete usatz: .

. Erklärt der Gemeindevorstand, daß für die Ansiedelungs⸗ stelle die Aufstellung eines Bebauungsplans beabsichtigt werde, so ist die Entscheidung über das Gesuch um Ansiedelungsgenehmigung auszusetzen bis zum Ablauf einer dem Gemeindevorstande zu bestimmenden Frist für den Beginn der Offenlegung des Be⸗ bauungs plans“ .

erscheint entbehrlich, da die Ansiedelungsgenehmigung nach s. 1 des

Entwurfs die polizeiliche Bauerlaubniß nicht einschließt und hinsichtlich

der Ertheilung der Letzteren bei projektirter Anlegung oder Verände⸗

rung von Straßen die richtige Handhabung der Bestimmung des

§. 11 des Straßen. und Baufluchtengesetzes vom 2. Juli 1876

(Gesetz⸗Samml. S. 561) den erforderlichen Schutz gewährt.

Dem Hause der Abgeordneten ist der nach stehende Antrag des Abg. Muhl zugegangen: ö.

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, folgendem Gesetz⸗ entwurf seine Zustimmung zu geben:

Entwurf eines Gesetzes, ö betreffend die nachträgliche Berücksichtigung der nach §. 15 Nr. 3 des Gesetzes vom 11. Februar 1870 (Gesetzsamml, S Z5) erloschenen Ent⸗ schädigungsansprüche in der Provinz Schleswig-Holstein.

§8. 1. Diejenigen Ansprüche auf Entschädigung für frühere Grundsteuerbefreiungen und Grundsteuerbevorzugungen in der Provinz Schleswig-Holstein, welche nach 5. 15 Nr. 3 Absatz 2 des Gesetzes vom 11. Februgr 1870, betreffend die Ausführung der anderweiten Regelung der Grundsteuer ꝛc., (Gesetz⸗Samml. S. 85) als erloschen anzusehen waren, sollen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen noch berücksichtigt werden. ö .

§. 2. Diese Ansprüche sind bei dem zuständigen Kreis landrath bis zum Ablauf des Jahres 1890 schriftlich oder protokollarisch an— zumelden. .

§. 3. Diese Frist ist alsbald nach der Publikation des gegenwärtigen Gesetzes und spätestens bis zum 1. September d. J. durch das Regierungs- Amts- und durch das Kreisblatt bekannt zu machen. Dieselbe ist außerdem innerhalb der einzelnen Gemeinden und selbständigen Gutsbezirke in ortsüblicher Weise zu veröffentlichen.

§. 4. Die Ansprüche, welche bis zu dem vorbezeichneten Termine nicht in der vorgeschriebenen Form oder nicht am richtigen Orte an⸗ gemeldet werden, sind als endgültig erloschen anzusehen.

§. 5. Im Uebrigen finden die in dem Gesetz vom 11. Februar 1870 gegebenen und in Bezug genommenen Vorschriften sinngemäße Anwendung.

Bei dem Hause der Abgeordneten ist von den Abgg. Freiherrn von Huene und von Strombeck der , Antrag zu der zweiten Bergthung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten und zwar zu den Dauernden Ausgaben, Kap. 116, eingebracht worden:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:

Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen: :

1) Ermittelungen darüber anzustellen, ob und welche katholis che Seelsorgestellen, deren Unterbaltung von der Staatsregierung auf Grund rechtlicher Verpflichtungen geleistet wird, zur Zeit ihren In— habern ein standesgemäßes Einkommen nicht gewähren;

2) eventuell im nächstjährigen Etat durch entsprechende Erhöhung des in Kap. 116 ausgeworfenen Fonds die Mittel zur Aufbesserung ungenügenden Stelleneinkommens zu gewähren.

Rekursentscheidungen, Bescheide und Beschlüsse des Reichs⸗Versicherungsamts.

792.) Im Anschluß an den Bescheid 641 (Amtliche Nachrichten des . 1888 5 349) hat das Reichs⸗Versicherungsamt in einer Rekurzentscheidung vom 15. November 1889 ausgeführt, daß eine Molkerei, in welcher im Allgemeinen lediglich die in dem land— wirthschaftlichen Betriebe des Unternehmers gewonnene Milch zu Butter und Käse verarbeitet wird, dadurch noch nicht ihren S tarakter als landwirthfchaftlicher Betrieb verliert, daß darin gelegentlich oder in einem im Verbaͤltniß zu der selbstgewonnenen Milch unbedeutenden Ümfange auch zugekaufte Milch verarbeitet wird. Im vorliegenden Falle handelte es fich bei einem festen Bestande von 96 eigenen Milch— kühen um die Mitverarbeitung der Milch von 15 fremden Kühen. (Zu vergleichen Bescheide 648 und 6658, auch 712. „Amtliche Nach- richten des RV. A.“ 1889 Seite 118, 139, 321.)

793.) In einer landwirthschaftlichen Unfall versicherungssache, in meld ö ö Seltionsvorstand und das Schiedsgericht an⸗ genommen hatten, daß der bei der Feldarbeit in Folge Blitzschlages eingetretene Tod eines landwirthschaftlichen Arbeiters als Betriebs unfall nicht angesehen werden könne, hatte der Landesdirektor der be⸗ treffenden preußischen Provinz in der Rekursinstanz Namens des Vor standes der beklagten , chaft die Verpflichtung der Beklagten zur Entfchädigung der Hinterbliebenen des Arbeiters nach Maßgabe des 5.7 des kandwirthschaftlichen Unfallversicherungsgesetzes anerkannt. Diesem Anerkenntnisse gemäß hat das Reichs ⸗Versicherungsamt

mittels Rekurgentscheidung vom 7. Oktober 1889 die Beklagte ver⸗ urtheilt. Es wurde hierbei erwogen, daß, wenn auch nach dem Statut der betreffenden Genossenschaft die Feststellung der Entschädigungen gemäß S8. öff. des landwirthschaftlichen Unfall versicherungs gesetzes den Sertiong⸗ vorständen obliege, doch nach dem mit dem 5. 65 Absatz 1 des Unfall⸗ versicherungsgesetzes übereinstimmenden §. 68 Absatz 1 des landwirth⸗ schaftlichen Unfallversicherungggesetzes der Genossenschaftsvorstand das- jenige Organ sei, welches allein die Genossenschaft in dem Rekurt⸗ derfabren zu vertreten habe Gu vergleichen Bescheide 255 Absatz 2 und 785, „Amtliche Nachrichten des R. V. A.“ 1887 Seite 11 und 1890 Seite 130). Als SGengssenschaftsvorstand fungire nach dem Statut der Provinzialausschuß. Das ausdrücklich Namens dieses Vorstandes von dem Landesdirektor abgegebene Anerkenntniß des kläͤgerischen Anspruchs hilde jedenfalls dann eine ausreichende formelle Grundlage für die Entscheidung, der gegenüber eine sachliche Prüfung nicht erforderlich erscheine, wenn dasselbe, wie hier, über zweifelhafte Thatfragen disponire und gegen zwingende Vorschriften des Gesetzes nicht verstoße Gu vergleichen 8. 17 Abfatz 1 der Kaiser⸗ lichen Verordnung, betreffend das Verfahren u. s. w. Vor dem Reichs⸗ Versicherungsamt vom 5. August 1885/13. November 1887, 5. NS der Civilprozeßordnung und der oben angeführte Bescheid 256).

( 94) Im Anschluß an die Entscheidung 668 (. Amtliche Nach⸗ richten des R..: A. 1889 Seite 1566) hat das Reichs. Versicherungs= amt in einer Rekursentscheidung vom 7. Januar 1890 einen Unfall, welcher dem sogengnnten . Garbenaufbinder, auf der Maschine eines gewerblichen Dreschmaschinenbesitzers zugestoßen war, für einen folchen erachtet, der sich in dem landwirthschaftlichen Betriebe des die Maschine miethenden Landwirths, nicht aber in dem gewerblichen Be⸗ triebe des Maschinenbesitzers ereignet hat. Letzterer hatte, wie in dem Falle der Entscheidung 668, nicht den ganzen Dreschakt in eigenen Akkord übernommen.

(796.) Ein statutarisch versicherter landwirthschaftlicher Unter- nehmer verunglückte, als er bei einem Nachbarn zu seinem eigenen Bedarfe Kirschen pflückte, wozu ihm die Erlaubniß hauptsächlich des⸗ halb ertheilt worden war, weil die Familie des Nachbarn sich ihm für die unentgeltlich gewährte Hülfeleistung bei Viehkrankheiten ver⸗ pflichtet fühlte. Das Reichs⸗Versicherungsamt hat, indem es das Kirschenpflücken vorliegendenfalls nach Maßgabe des Bescheides 625 (Amtliche Nachrichten des R. Vr -A. 1888 Seite 343) als eine land⸗ wirthschaftliche Thätigkeit ansab, in Uebereinstimmung mit dem Schiedsgericht einen Betriebsunfall angenommen und den Rekurs der . durch Entscheidung vom 3. Februar 1890 zurück⸗ gewiesen.

(96) In einer Rekursentscheidung vom 3. Februar 1890 bat das Reichs⸗Versicherungsamt ausgesprochen, daß die Beköstigung des versicherten Personals eines landwirthschaftlichen Betriebes jedenfalls dann, wenn die Beschaffung und Bereitung der Mahlzeiten in dem örtlichen Bereiche des betreffenden Betriebes durch das Betriebs personal vorgenommen wird, zu dem landwirthschaftlichen Betriebe zu rechnen, und daher ein Unfall, welcher sich hierbei ereignet, nach dem land⸗ wirthschaftlichen Unfallversicherungsgesetz zu entschädigen ist.

(797.) Aus Anlaß einer zwischen einer Berufsgenossenschaft und einer Ortspolizeibehörde entstandenen Meinungsverschiedenheit hat das Reichs ⸗Versicherungsamt unter dein 19 Februar 1890 sich folgender⸗ maßen geäußert: Die Pflicht der Ortspolizeibehörde, gemãß 5. 53 Ziffer 5 des Unfallversicherungsgesetzes im Wege der polizeilichen Ünfalluntersuchung die Hinterbliebenen eines durch Unfall Getödteten von Amtswegen festzustellen, erstreckt sich nicht auch auf die Er—⸗ mittelung der nach §. 7 Absatz 2 a. a. O. rentenbezugsberechtigten Angehörigen des zum Zwecke der Kur und Verpflegung in einem Krankenhause untergebrachten Verletzten. Wenn auch im Falle der Tödtung durch Unfall ein Bedürfniß vorliegt, daß die Hinter⸗ bliebenen des Getödteten, welche nicht selten vom Orte des Unfalls entfernt wohnen und ohne behördliche Vermittelung oft lange Zeit der ihnen gebührenden Entschädigung entbehren würden, von Amtswegen ermittelt werden, so trifft dies offenbar nicht zu im Falle des 5. J a. a. O. In diesem Falle wird vielmehr der in dem Krankenhause Untergebrachte in der Regel selbst seine und seiner An⸗ gehörigen Rechte genügend wahrzunehmen in der Lage sein.

(798.) Auf Anrufen einer Ortspolizeibehörde hat das Reichs⸗ Versicherungsamt unter dem 10. Februar 1890 darauf hingewiesen, daß, soweit ein Genossenschaftsorgan Veranlassung hat, außerhalb der Unfalluntersuchung und zwar gestützt auf das ihm durch §. 101 des Unfallversicherungsgesetzes eingeräumte Requisitionsrecht eine behörd⸗ liche Mitwirkung in Anspruch zu nehmen, zur Vermeidung zeitraubender Weitläufigkeiten und unnöthigen Schreibwerks thun lichst unmittelbar die Rechtshülfe derjenigen Behörde nach—⸗ zusuchen sein wird, welche die zu beantragende Handlung selbst vorzunehmen in der Lage ist. Wenn daher insbesondere über die im Rahmen der Unfalluntersuchung von der Ortspolizeibehörde von Amtswegen zu bewirkenden Feststellungen hinaus die Einholung standesamtlicher Urkunden erforderlich ist, so wird hierzu nicht die Ver⸗ mittelung der Ortspolizeibehörde anzurufen sein, welche sich in der Regel erst wieder ihrerseits an die oft weit entfernten Standesämter wenden müßte, sondern es wird im Allgemeinen das Ersuchen um Ausfertigung der k Urkunden direkt an die betheiligten Standesämter zu richten sein.

(7I99.) Anläßlich eines Einzelfalles hat das Reichs ⸗Versicherungs⸗ amt ausgesprochen, daß die Berufsgenossenschaften nicht verpflichtet sind, den unteren Verwaltungsbehörden dasjenige Porto zu ersetzen, welches durch Erhebungen und Mittheilungen zur nachträglichen Er⸗ gänzung unvollständiger (dem S 35 des Unfallversicherungsgesetzes nicht genügender) Anzeigen entsteht. Die unteren Verwaltungsbehörden sind nach 5§. 366 Absatz 1 a4. a. O. verpflichtet, den Berufsgenossen⸗ schaften Anzeigen im Sinne des §. 35 a. a. O, also vollständige An⸗ zeigen, zu übermitteln, und haben demgemäß vor Weiterbeförderung der Anzeigen diese auf ihre Vollständigkeit zu prüfen und die Vervollständigung nöthigenfalls unter Anwendung der in §. 35 Absatz? und §. 11 Absatz 3 des Unfallversicherungsgesetzes auch für diesen Fall gewährten Strafbefugniß herbeizuführen. Auch die nachträgliche Vervollständigung mangelhafter Anzeigen erfolgt mithin auf Grund des §. 36 Absatz 1 a. a. O., und die nach 5. 101 4. a. O. bestehende Verpflichtung der Berufsgenossen⸗ schaften zur Erstattung von Kosten tritt dann nicht ein, wenn jene nachträglichen Erhebungen u. s. w. auf Ersuchen des Genossenschafts⸗ vorstandes erfolgt sind. Vergleiche Bescheid 110 (Amtliche Nachrichten des R. V. A. 1886 Seite 5), auch das eine ähnliche Rechtslage behandelnde Rundschreiben des Reichs-Versicherungsamts vom 18. Oktober 1887, betreffend die den Berufsgenossenschaften nach 55. 53, 54 und 101 des Unfallversicherungsgesetzes zustehende Befugniß zur Einwirkung auf die ortspolizeilichen Unfalluntersuchungen (Amtliche Nachrichten des R. V.. A.“ 1887 Seite 336).

500.) Ein als Beauftragter des Reichs ⸗Versicherungs amts mit der, Leitung von Schiedggerichtsbeisitzerwahlen befaßter Schieds⸗ gerichtsporsitzender hatte die in der erstgedachten Eigenschaft an Privatpersonen und öffentliche Behörden, welche nicht Reichs⸗ behörden sind, gerichteten Briefsendungen zwar mit der Bezeichnung iReichedienstsache⸗ versehen, jedoch mit dem ihm anderweit zustehenden staatlichen Siegel verschlossen. Die Portofreiheit der . Sendungen (vergleiche Bescheid 147, „Amtliche Nachrichten des R. V. Ar 18386. Seite 72) war postamtlich nicht anerkannt worden. Das Reichs⸗Versicherungßamt hat nunmehr im Sin- vernehmen mit dem Reichs⸗Postamt den Wahlbeauftragten ersucht, in Zukunft die gedachten Sendungen mit dem von ihm gefuhrten Schieds⸗ gerichtssiegel zu verschließen.

Statistik und Volksmirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Einer Correspondenz der Köln. Ztg.“ aus Saarbrücken vom 16. März entnehmen wir Folgendes: Wahrend sich die Berg arbeiter des Saargebiets anfänglich mit der Einführung von Arbeiterausschüssen sowie mit den für die Wahl der Vertrauengmänner hierzu erlassenen Vorschriften zufrieden zeigten, wurden sie inzwischen durch den Vorstand des Rechtsfchutz⸗ vereins und einen Theil der Presse gegen die Neuerung aufgestachelt. Zwar. leugnete man auch von dieser Seite nicht, daß die Arbeiterausschüsse ein geeignetes Mittel feien, die gewünschte 3 Fühlung zwischen Arbeitern und Verwaltung herzustellen, die Abfaffung indessen der Wahlordnung ingbesondere wurde im Einzelnen als einer Aenderung dringend bedürftig be⸗ zeichnet,. Daß der Vorstand der genannten Vereinigung also verfährt, ist begreiflich; ihr Bestehen ist für einzelne Mit⸗ glieder desselben zur Lebensfrage geworden, nachdem sie sich durch willkürliches Verhalten, die Kündigung zugezogen und damit den anständigen Erwerb ihres Unterhaltes abgeschnitten haben. So leben diese denn vergnügt von den anfehnlichen Brocken, die von ibrer Kameraden Tische fallen... . Durch die Unterstellung, als seien gewisse Maßnahmen der Verwaltung gegen den „Rechtsschutzverein“, den verzogenen Liebling der Arbeiterbevölkerung, gerichtet, haben es diese uneigennützigen Leute wieder einmal fertig gebracht, einigen Fluß in die Bergarbeiterbewegung zu bringen, die ihnen beängstigend stockte. Dies die Veranlassung zu einer Reihe von Zusammenkünften der Bergarbeiter, deren Wichtigkeit stark übertrieben wurde insofern, als sie, nur von Angehörigen ein—⸗ zelner Inspektionen besucht, lediglich einen vorbereitenden Charakter trugen. Erst der heutigen großen Bergarbeiter⸗Versfamm⸗ lung zu Dudweiler, woran sich zahlreiche Bergleute betheiligten, kann mit Rücksicht auf die Meinung eines überwiegenden Theils der Saarkohlenarbeiter Werth beigemessen werden. Die Versammlung faßte die Arbeiterausschüfse als Schiedsgericht auf. Dieses verlangt Lohnerhöhung. Es wurde eine Anerkennungsdepesche an die dem ,, angehörigen Landtags⸗Abgeordneten Dasbach und Fuchs abgesandt.

Aus der allgemeinen Bergarbeiter-Versammlung in Alt enessen vom letzten Sonntag, über welche gestern telegraphisch berichtet wurde, ist noch bemerkenswerth, daß schließlich auch noch die Forderungen des Verbandes zur Sprache kamen, und daß der ‚Rh. Westf. Ztg. zufolge die Festsetzung einer bestimmten Frist, bis zu welcher die Gewährung einer Lohnerhöhung gefordert werden sollte, angestrebt wurde. Zu diesem Zweck hätten die Deputirten mehrerer Zechen, wie Prinz von Preußen, Vollmond und, wie gesagt worden sei, auch von Mont Cenis, die Unterschriften der Belegschaften bereits in Händen. Nachdem sich noch mehrere Redner in der bekannten Weise uͤber die Vertreter und die Nothwendigkeit der Einführung der achtstündigen Schicht geäußert hatten, wurde die Versammlung, ohne über die letzteren Punkte Be⸗ schluß gefaßt zu haben, geschlossen.

Ueber eine von etwa 1000 bis 1200 Bergleuten besuchte Ver⸗ sammlung, welche am letzten Sonntag in Waldenburg stattfand, entnehmen wir einem Bericht der „Schles. Ztg.“ Folgendes: Der größere Theil der Erschienenen waren Mitglieder der Knappenvereine. Der Führer der Bewegung unter den Bergleuten des Waldenburger Reviers, der gemaßregelte Berghauer Franz, eröffnete die Versamm⸗ lung mit einem dreifachen „Glück auf!“ auf den obersten Berg⸗ herrn, Kaiser Wilhelm II., und versuchte sodann sich gegen die Vorwürfe zu vertheidigen, als wolle er nicht arbeiten, sondern sich von den Bergleuten erhalten lassen, begegnete indeß dabei dem lebhaften Widerspruch eines Theiles der Versammelten; überhaupt scheint keine Einigkeit unter den Bergleuten zu herrschen und ein Theil derselben, besonders die Belegschaften der Fürstensteiner Gruben, mit der Führerschaft des Bergmanns Franz nicht zufrieden zu sein. Bei der Berathung über die acht stündige Schicht dauer kam es zeitweise zu sehr erregten Auftritten. Die Verwal⸗ tungen des Waldenburger Reviers haben sich bereits zur Herabsetzung der Arbeitszeit auf acht Stunden vom 1. Juli d. J. an entschlossen, diesen Beschluß aber davon abhängig gemacht, daß die Konkurrenzreviere bis zu diesem Zeitpunkt ebenfalls die Achtstundenschicht einführen und daß nicht inzwischen sich die Mehrheit der Bergleute für Beibehaltung der jeßigen Arbeitszeit erklärt. Berghauer Hermann beleuchtete die Verhältnisse im niederschlesischen Bergrevier und unterzog sodann die Rede des Abg. General⸗Direktors Dr. Ritter vom 14 d. M. einer eingehenden Kritik, wobei er die Unparteilichkeit der Unter— suchungskommission für die Beschwerden der Bergarbeiter vollauf anerkannte! Er mußte auch zugestehen, daß ein sehr großer Theil dessen, was Abg. Dr. Ritter in seiner Rede erwähnt, wahr ist, besonders die Charakteristik der jüngeren Berg— mannsgeneration; er bestritt aber, daß der Ausstand vom Mai 1889 die enorme Preissteigerung der Kohle um 100 o0½g veranlaßt habe; daran sei einzig und allein der Zwischenhandel schuld. Die Löhne der hiesigen Bergleute seien nur um 25 9s gestiegen, und dies auch nicht bei der Gesammtheit, sondern nur bei Einzelnen. Vor— urtheilslos stehe heute eigentlich nur Se. Majestät der Kaiser den Bestrebungen der Bergleute gegenüber. Er habe die Lage der Arbeiter klaren Auges durchschaut und sei ohne Zweifel von dem Gedanken durchdrungen, daß nur ein kräftiges Bürgerthum und ein tüchtiger Arbeiterstand die eigentlichen Stützen des Thrones bilden können. Die Bürgerschaft handle darin aber sehr kurzsichtig,, wenn sie den Bergleuten wegen ihrer berechtigten Bestrebungen ihre Sympathien entziehe. Nach längerer Er— örterung wurde ohne Widerspruch der Antrag angenommen: „Da die Grubenverwmgltungen erklären, nicht schon am 1. April d. J. die achtstündige Schicht einführen zu können, so sind die versammelten Bergarbeiter zufrieden, wenn diese Schichtdauer erst am 1. Juli d. J. eintritt, vorausgesetzt, daß die Grubenverwaltungen sich schriftlich dazu verpflichten und daß einschließlich je einer Viertelstunde Cin und Ausfahrt die Schichtdauer höchstens 87 Stunden beträgt.“ Die Versammlung ertheilte gleichzeitig den Deputirten den Aufttag, sich schriftlich von den Verwaltungen das Versprechen geben zu lassen, daß diese Arbeitszeit von dem genannten Zeitpunkt ab eingeführt werden soll. Im weiteren Verlaufe der Verhandlungen wurde aus der Mitte der Versammlung Klage geführt über das rohe Benehmen eines großen Theils der jüngeren Bergarbeiter und energisches Ein—⸗ schreiten der Beamten und der älteren Arbeiter dagegen gefordert.

In Halle wurde am Sonntag ein Bergmannstag der Provinz Sachsen abgehalten, welcher der Madb. Ztg.“ zufolge so zahlreich, besonders von Bergleuten aus dem Mansfeldschen, besucht war, daß der Saal die Zuhörer nicht zu fassen vermochte. Auf der Tagesordnung stand Berathung über die Organisation der Berg⸗ arbeiter in der Provinz, über welche der bekannte Regierungè⸗ Baumeister a. D. Keßler Bericht erstattete. Die beabsichtigte Sr⸗ ganisation fußt demnach besonders auf §. 152 der Gewerbeordnung und auf 5. 8 des preußischen Vereinsgesetzes. Nach dem vorgelegten Statut steht an der Spitze des Ganzen der Provinzialaußschuß mit dem Sitz in Halle a. S. Er hat die Aufgabe, die Organisation zu leiten, siatistische Erhebungen über Lohn⸗ und Arbeiterverhältnisse anzustellen, bei Streitigkeiten wegen Lohn und Arbeit zu vermitteln und ein friedliches Uebereinkommen anzubahnen ꝛe. Jede Politik ist zu vermeiden; nur die besonderen Angelegenheiten der Bergarbeiter sind zu überwachen. Daneben werden Bezirksausschüfsse ge⸗ bildet, sogenannte Lohnkommissionen. In diese darf jeder Betrieb oder jedes Werk nur einen Vertreter entsenden. Die Ausschüsse konstituiren sich selbst, doch üben besondere Revisoren die Kontrole aus. Der Zwed der Bezirksausschüsse ist namentlich, Sammlungen zum Generaffonds zu veranstalten, etwaige Uebelstände aufzudecken und abzustellen, Streitigkeiten zu schlichten und an den Provinzialausschuß Bericht zu erstatten. Auch diese Ausschüsse sollen keine politische Thätigkeit entwickeln, sondern nur vermitteln zwischen Betriebsführern und Arbeitern. Die öffentlich abzuhaltenden Generalversammlungen ernennen den , ziglausschuß auf ein Jahr, überwachen die Bezirksausschüsse, treffen Be⸗

stimmung über die Gelder und Unterstützungen ꝛc., ziehen überhaupt

Alles, was für Arbeiter Interesse hat, in ihren Bereich. Die öffent⸗ lichen Bezirksversammlungen wählen jährlich auf je 200 Mitglieder höchstens einen Delegirten. Diese Delegirten bilden zusammen dann den Delegirtentag. Letzterer muß vom Provinzialausschuß einmal im Jahre einberufen werden, ist aber an nichts gebunden. Er kann be⸗ sondere Kommissionen einsetzen, um ein gemeinsames Vorgehen der Arbeiter unter sich und mit anderen Arbeitern zu berathen. Die Beschlüsse derselben haben den Charakter von Vorschlägen, die für die Benrks. Ausschüsse nicht bindend sind. Der Provinzial-Ausschuß i auf dem Delegirtentag unbedingt vertreten sein. Zur besonderen Aufbesserun der Lage der Arbeiter werden in allen Bezirken Fach vereine gebildet, die ganz für sich be⸗ 6 und vollkommen unabhängig vom Bezirks- und

rovinzialausschuß sind. Für diese Fachvereine wird ein besonderes Musterstatut ausgearbeitet werden. Auf Grund dieses Organisations⸗ planes soll die Organisation erfolgen. Es wurde zunächst ein Aus⸗ schuß gewählt, welcher den ersten Delegirtentag einberufen und dann sein Amt niederlegen wird.

In Halle bewilligten die Tischlermeister die Lohnmehr— forderung ders Gesellen und die sonst von diesen gestellten Bedingungen, beschlossen aber ihrerseits, die Preise für fertige Arbeiten entsprechend zu erhöhen, wie es die Schlosser⸗ und Klempnermeister in Halle gethan haben. Auch die Mehrzahl der dortigen Schneidermeister haben den Gesellen einen Lohnzuschlag von 10 bewilligt, dagegen den Lohntarif abgelehnt.

Hier in Berlin haben der Nat. Ztg.“ zufolge sämmtliche am Bau des neuen Reichstagsgebäudes beschaͤftigten Zimmerer wegen J höherer Lohnforderungen gestern die Arbeit e ingestellt.

Aus Reichenberg i. B. wird der „‚Voss. Ztg. telegraphirt: Zu Grünwald ist in der Baumwollspinnerei von Mauthner u. Oesterreicher ein großer Arbeiter ⸗Aus st and ausgebrochen. 1000 Arbeiter sind ausständig und fordern zehnstündige Arbeitszeit, 20 9υύCÜ Lohnerhöhung und Entfernung des Fabrikleiters. Gestern fanden Ausschreitungen statt, wobei Letzterer geprügelt wurde. Vier der Ruhestörer wurden verhaftet.

Ueber die große Ausstandsbewegung unter den Berg leuten in England meldet W. T. B. weiter: In einer gestern in London abgehaltenen VBersammlung von Gruben besitzern wurde beschlossen, auf die verlangte Lohn. erhöhung um 5oso jetzt und um weitere 5öo im Juli als unmöglich nicht, einzugehen. Die Versammlung erklärte sich aber bereit, mit einer Deputation der Arbeiter am Donnerstng zu unterhandeln. Die „Voss. Stg= theilt folgenden eigenen Draht bericht vom 17. d. M. mit: Der Ausstand der Grubenarbeiter hat bis jetzt noch nicht die befürchteten gehen Verhältnisse angenommen. 233000 bis 30009 stellten am Sonnabend die Arbeit in Süd und West . Jorkshire ein; in den übrigen Bezirken wird die Arbeit fort gesetzt, bis die endgültige Entschließung der in London abzu— haltenden Konferenz des, Grubenbesitzerverbandes be—⸗ kannt geworden ist. Inzwischen haben in Lancashire 700, in HYorkshire 12090 Arbeiter die beantragte Lohnerhöhung bewilligt erhalten. Die kleineren Grubenbesitzer zeigen sich nach— giebig, die größeren weigern sich jedoch entschieden, Zugeständnisse zu machen. = Dagegen berichtet die Londoner Allg. Corr.“ unter dem gleichen Datum; Der Ausstand der Bergleute in den Kohlen— distrikten ist seit Sonnabend in vollem Schwunge. In Vorkshire haben 60 000, in Derbyshire 20 000. in Süd-Staffordshtre und Ost⸗Worcestershire 12000, in Nord⸗Staffordshire 15 000, in Nottinghamshire 12000, in Nord ⸗Wales 10000 Bergleute die Arbeit eingestellt. Rechnet man hinzu die Kohlenreviere in Lancashire, Leicestershire, Warwicksfhire und den übrigen Binnengrafschaften, so läßt fich wohl annehmen, daß im Ganzen 150 000 bis 206 000 Ar— beiter feiern.

In Liverpool fand gestern Nachmittag eine große Ver- sammlung von strikenden Dockarbeitern statt. In der— selben fragte der Schiffsrbeder Houston, warum die Leute die Arbeit auf seinen Schiffen nicht wieder aufnähmen, nachdem er ihre Forderungen bewilligt habe. Mac Hugh, Sekretär der Arbeiter Association, äußerte sich in ähnlichem Sinne und wurde von der lärmenden Menge mit dem Rufe unterbrochen: „Niemand soll arbeiten, während Andere Hunger leiden?. Mac Hugh erwiderte darauf, er werde, da die Menge vernünftigen Vorstellungen nicht zugäag⸗ lich zu sein scheine, überlegen, ob er seine Entlassung nehmen folle. Während er sprach, fuhr ein großer, mit Getreide belg dener Wagen vorüber. Ein Haufe stürzte sich trotñz der Proteste Mae Hugh's und Anderer auf den Wagen, bemächtigte fich des Getreides und verstreute dasselbe auf die Straße. Der Kutscher erhielt in dem Handgemenge einen Messerstich und mehrere andere Männer wurden durch Fuß— tritte schwer verletzt. Eine Prꝓolizeimannschaft von 6 Offizieren und 50 Konstablern wurde bei ihrem Eintreffen mit Steinwürfen empfangen, zerstreute aber schließlich die Menge. Die Behörden von Liverpool waren unter dem Vorsitz des Bürgermeisters heute Nach— mittag versammelt, um über die Situation zu berathen; u. A. soll die n von 500 Soldaten von Preston hierher beantragt werden.

Aus Belgien liegen wieder zwei sehr bezeichnende fozialistische Kundgebungen vor. Auf Anweisung des Generalraths der belgischen Arbeiterpartei werden am 18. d. M., als dem Jahrestage der Proklamation der Pariser Commune, alle Arbeiterlokale Belgiens die rothe Fahne aufhissen. Der Antwerpener Schankwirth Arcaye, welcher bei der rte Ziehung der Antwerpener Stadtloose 150 000 Fr. gewonnen hatte, hat 20 000 Fr. dem dortigen Arbeiter—⸗ vereine für die sozialistische Propaganda überwiesen.

Zur Lage der Eisenindustrie.

Die Eisenfabrikation bot im letzten Quartal, wie aus Arnsberg geschrieben wird, in allen ihren Zweigen ein erfreuliches Bild dar. Die bestehenden Betriebe erfuhren eine fortgefetzte Er⸗ weiterung, die Zahl der neuen Fabrikanlagen vermehrte sich. Die Preise sämmtlicher Fabrikate zeigten eine noch steigende Tendenz; selbst in der Eisendraht.⸗Industrie, deren Preise in auffallender Weise zurück- geblieben waren, begann ein unverkennbarer Aufschwung.

Was den Eisenerz- Bergbau betrifft, so hielt sich auch dieser während des letzten Quartals nicht nur auf der zu Beginn desselben eingenommenen Höhe, sondern bekundete sogar einen weiteren Fortschritt. Da die Geschäftslage auf dem Eifenmarkt während dieser Zeit eine günstige blieb, und die Erzpreise in Folge verstärkter Nachfrage stiegen, so konnten die Gewinnungsarbeiten auf den Berg⸗ werken flott fortgehen und einen guten Ertrag abwerfen.

Kanalbauten.

Der Neubau des Oder-Spree⸗Kanals ist im Laufe des vergangenen Jahres in erfreulicher Weise gediehen. Dieser 123 Meilen lange Kanal stellt eine neue, den heutigen gesteigerten Ansprüchen an Große und Tiefgang der Schiffe entsprechende Wasserstraße von . berg a. O. über Müllrose nach Fürstenwalde, von dort nach dem Seddin⸗ See und der Dahme bis nach Köpenick her. Es ist möglich gewesen, die Hälfte der Strecke von Fürstenwalde abwärts bis zum Seddin⸗See vollständig fertig herzustellen, sodaß dieser Theil schon am 1. Juli vorigen Jahres dem öffentlichen Verkehr übergeben werden konnte. Auf der oberen Strecke von Fürstenberg bis Fürstenwalde sind die außer⸗ ordentlich umfangreichen Erdarbeiten zumal in der Nähe von Fürstenberg zwar kräftigst gefördert, wegen vielfacher Schwierigkeiten, welche bei der Bauausführung hervorlraten, aber nicht soweit gelangt, wie dies anfänglich in Aussicht genommen war. Namentlich bei Fundirung der Schleusen bei Fürstenberg zeigten sich so erhebliche Schwierig⸗ keiten, daß es unmöglich wurde, diese Bauwerke, wie beabsichtigt war, bereits bis zu diesem Frühjahr zu vollenden; es ist aber sichere AÄussicht, vorhanden, dies bis zum Sommer zu erreichen, sodaß dann, da auf der übrigen Strecke zwischen Fürstenberg und Fürstenwalde die Erd arbeiten nahezu und die Bauwerke vollständig fertiggestellt find,

voraussichtlich am 1. Oktober d. J der ganze Kanal von Für te bis Köpenick für die Schiffahrt freigegeben werden kann. nn. Zwei weitere Neubauten größeren Umfangs, welche vorhandene Wasserstraßen den erhöhten Verkehrsansprüchen der Jetztzeit ent⸗ sprechend umgestalten sollen, sind in der Ausführung begrsffen. Die eine dieser Arbeiten. die Kanalisirung der Unterspree von der Berliner Weichbildgrenze bis Spandau, steht in unmittel⸗ barem Zusammenhange mit den zur Zeit in der Ausführung begriffenen , der Spree innerhalb Berlins und dem Neubau der Schleuse an den ehemaligen Dammmüblen daselbst. Letztere soll die gleichen Abmessungen, wie die Schleusen des Oder⸗Spree⸗Kanals erhalten, um das Durchfahren von Kähnen mit 8 m Breite, 2 m Tiefgang und S0b0 Ctr. Tragfähigkeit zu ermöglichen, und dementsprechend muß auch das Fahrwasser der Unterspree bis Spandau vertieft werden. Nach Durchführung dieser Anlage können Kähne mit der angeführten Tragfähigkeit von Schlesten bis Berlin, beziehungsweife bis Hamburg geführt werden, ohne umladen zu müssen. Die andere Bauausführung betrifft den Saecrow⸗Paretzer Kanal, welcher durch, Baggerungen erheblich vertieft wird und an Stelle der, jetzt borhandenen, weit in den Kanal hinein- reichenden, flachen Böschungen neue Deckwerke und damit ein wefentlich breiteres Fahrwasser erhält? Beide Arbeiten, sowohl die Kanalisirung der Unterspree als auch die Vertiefung und Verbreiterung des Saerow ⸗Paretzer Kanals können im Laufe dieses Sommers voll ständig beendet werden.

Literatur.

r Geschichtsdramen!“ von Peter Lohmann. Ausgabe in einem Bande. Leipzig. Verlagsbuchhandlung von J. J. Weher. 18909. Es ist die dritte Auflage dieses Werkes, wölchè uns vor⸗ liegt. Die anziehende Macht seines Inhasts, für welche die so freundliche Aufnahme und so schnelle und weite Verbreitung desselben wohl die besten Zeichen sind, deutet genügend der Titel des Werks an. Es ist eben das wirklich „volle Menschenleben“, welches ven, den. „Brettern, die die Welt bedeuten, hier packend auf den Leser einwirkt, gleichviel ob seine Darstellungs⸗ formen die Gestalten eines Mafaniello'“, Essexr, Savonarola“, eines „Schmieds von Rubla“, „Appius Claudlus“, „Strafford oder die letzten Mauren, Karl Stuarts Ende und Wider den Stachel als Gegenstand wählen. In der. Darstellungsweise verschmäht der Autor jeden unnöthigen Aufwand an Kunstmitteln, jeden übermäßigen Schwung der Phantafie, heden Zauber einer pbrasenbaften Aufbauschung, ist dabingegen in der Ausgestaltung aller seiner . Geschichtsdramen? unausgesetzt und mit bestem Erfolge bemüht, seine Helden und Hel dengenoffen ganz in dem Lichte ihrer Fe in den Farben ibrer Zeitumstände, in dem Impulse F. Zeitgedanken, austreten, handeln, siegen oder unterliegen zu assen.

Von dem in Frankfurt a. M. lebenden Dichter Dr. Arthur

Pfung st liegt uns der erste Theil einer epischen Dichtung ‚Laskarit“ vor (Leipzig, Verlag von Wilhelm Friedrich, K. R. Hofbuchhändler). Der Verfasser, der sich durch eine unter dem Titel , Lose Blätter“ (im selben Verlage) erschienene Sammlung lyrischer Gedichte bereits vortheil haft bekannt gemacht hat, bekundet, wie in diefen, fo auch in dem obigen noch unvollendeten Epos eine tief ernste, gereifte Welt- anschauung. Ja, die eingeflochtenen, ausgedehnten und gedankenreichen Lebensweisheits-Lehren geben der Dichtung geradezu einen philoscphisch⸗ didaltischen Charakter. Der erste Theil des Epos, dem eine neu⸗ griechische Sage zu Grunde zu liegen scheint, betitelt sich ‚Laskaris' Jugend“ und pielt auf den Inseln Cypern und Rhodos in mittelalter⸗ licher Zeit. Der Held ist ein vornehmer Jüngling, erfüllt von dem glühenden Drange in die Welt hinaus, während Philalethes, ein lebenzerfahrenr Weiser und Alchymist, sich beflissen zeigt, ihm die Gefahren, denen er sich aussetzen werde, und die Eitelkeit alles Irdischen zu schildern. Als sich Lasfaris dennoch nicht von seinem Vorhaben abbringen läßt, will ihm Philalethes wenigstens den Weg zum wahren Glück zeigen, und der Jüngling erklärt sich bereit, auf diesem be— sckwerlichen Pfade ihm zu folgen. In Rhodos mit Laskaris an gekommen, übergiebt der Weise ihn der Obbut des Prälaten eines Klosters, wo Laskaris nun, den edlen Thaten der Johanniter-Ritter nach—⸗ eifernd, sich unter Anleitung der Mönche der Bereitung von Arzeneien für die Kranken widmet. Eines Tages im Walde, wo er nach heilbringenden Kräutern suchte, ermüdet eingeschlafen, wird er durch einen Schrei aufgeweckt. Diesem nachgehend, findet er eine hülflose, von einer Schlange gebissene Jungfrau. Laskaris errettet sie durch Aussaugen der gifterfüllten Wunde vom sicheren Tode und geleitet das Mädchen dann heim nach ihrem Dörfchen. Ihr Bild aber hat sich ibm aufs Tiefste eingeprägt; von Sehnsucht getrieben übersteigt er Nachts die Klostermauern, um in ihre Nähe zu eilen und vernimmt nun an ihrem Lager, daß sie dennoch dem Tode verfallen, weil sie die Veraiden geschaut, elfengleiche Fabelwesen, die „Abends aus den kühlen Quellen steigen, um auf den Blumen, unter Sternenlicht zu tanzen ihren wundersamen Regen“. Sie verlangen nach ihr und nur durch irdisches Gold kann sie sich aus ihrer Gewalt befreien. Dicses beschließt ihr der liebende Jängling um jeden Preis zu verschaffen. Er nimmt Ur laub vom Kloster und eilt zu seinem erfahrenen väterlichen Freunde. Philalethes, im Besitze einer „Panacee, auf die die Welt geharrt, die jed' Metall, das sie durchdringt, zu Gold läßt werden“, vererbt ihm dieses Wundermittel und legt sich dann zum Sterben nieder. Laskaris übergiebt die Leiche dem Feuer und sammelt die Alsche, um sie nach Rhodos zu bringen, wie es der Sterbens ihm vorgeschrieben. Damit schließt der erste, 12 Gesänge umfassende Theil der Dichtung, auf deren Fortgang er uns recht gespannt macht. Als Versform sind 5 füßige gereimte Jamben gewählt, nach Art der Stanzen, aber um zwei Verse erweitert. Von wenigen Stellen abgesehen, hat der Dichter auch stets Sorgfalt auf die regelrechte Gestaltung von Vers und Reim verwandt, trotzdem er durch die schon oben hervorgehobene Fülle und Tiefe der Gedanken sich feine Aufgabe nicht leicht gemacht hat. Als Proben in dieser Beziehung seien einige Verse mitgetheilt. So beißt es im 4. Gesange: ‚Das was vergangen sieht der Mensch ver⸗ klärt, Die Zukunft sieht er nur im ros'gen Licht, Jedoch der heut'ge Tag, der ihm gehört, Er findet stets zu leben werth ihn nicht. Dies Sxiel des Lebens Alle spielen müssen Nicht Jeder weiß es Keiner will es wissen!“ Im letzten Gesange aber legt er dem Philalethes folgende Worte an Laskaris in den Mund: „Dich kann und wird allein das Leben heilen, Denn nur, wer es gelebt, kann düster sagen; Die Güter sind nicht werth der schweren Müh'n, Die kämpfend ich geduldig hab' ertragen, Für die ich freudig gab mein Dasein hin! Rur der, dem Alles ward, was er begehrte, Dem nicht ein leiser Wunsch mehr blieb zurück, Sagt endlich; eitel, eitel ist die Erde Was ist ihr Hoffen und was ist ihr Glück?“ Ueber diesen lehrhaften Stellen, die allen denkenden, besonders aber den älteren Lesern die Dichtung werth machen werden, sind jedoch auch die Schilderungen der Natur und Wirklichkeit keineswegs vernachlässigt; im Gegentheil finden wir solche in farbenreichster Ausführung bei Sonnen⸗ und Mondschein meistens mit gedankentiefen ethischen Be⸗ trachtungen allegorisch verbunden. Nach alledem kann man dem Dichter wohl Glück zu seinem schönen, gehaltvollen Werke wünschen und ibn nur um baldige Fortsetzung desselben bitten.

Dag seeben erschienene Märzheft der „Deutschen Rund schau zeichnet sich wiederum durch seinen ebenso abwechslungsvollen wie gediegenen Inbalt aus. Wir nennen hier nur die hauptfächlichsten Beiträge: Unter dem Katalpenbaum. Erzählungen von Konrad Mähly. Ueber den Zufall. Akademische Abhandlung von G. Rüä⸗ melin. Ernst von Wildenbruch als Dramatiker. Von Hermann Conrad. Frauenarbeit in der Archäologie. Von Franz Xaver Kraug. Ole Denkwürdigkeiten des Herzogs von Sachsen. Coburg⸗ Gotha. Von Gottlob Egelhaaf, Die Berliner Märztage 1845. Ein Brief Graf Rudolf's von Stillfried Alcantara. Mitgetheilt von Bernhard Kugler, Franz Dingelstedt. Blätter aus feinem Nachlaß. Mit Randbemerkungen von Julius Rodenberg. VI. Der kosmo⸗ politische Nachtwächter und Geheime Rath 1841 = 1851). IJ. Stutt-

art (1843 -= 1851). Aus dem Berliner Musikleben. Von Theodor ru Politische Rundschau. Mori Carriere. Von Hermann

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