1892 / 275 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 19 Nov 1892 18:00:01 GMT) scan diff

steuer, das ist vollkommen selbstverständlich, meine Herren. Dieser ganze Einwand, der aus der sogenannten Nententheorie genommen wird, kann unter solchen Umständen hier in keiner Weise zutreffend sein.

Aber, meine Herren, man kann doch auch nicht behaupten, daß durchgängig die Grundsteuer bereits zu einer Rente geworden ist. Daß sie sich im Laufe der Jahrhunderte als Rente incrustiren würde, das glaube ich selbst. Da sie aber erst in den sechziger Jahren neu ver⸗ anlagt ist und doch noch eine sehr große Anzahl von Besitzungen wir werden Gelegenheit haben bei einer anderen Frage, das näher zu sehen sich nicht bloß in der Hand der Erben, sondern noch der⸗ selben Personen sich befindet, kann man auch hier doch von einer noth⸗ wendigen Charakterisirung der Grundsteuer als einer Rente nicht sprechen. Dann, meine Herren, ist aber auch bisher die Grund- und Gebäudesteuer Gegenstand der Zuschläge in den Communen gewesen, und diese Zuschläge waren wechselnder und verschiedener Natur und haben auch die Verwandlung der Steuer in eine Rente verhindert bezw. vermindert. In den neuen Provinzen endlich, meine Herren, wo die neu veranlagte Grundsteuer noch ganz jungen Datums ist, tritt der Rentencharakter noch in viel geringerem Maße in den Vorder⸗ grund.

Meine Herren, man sagt nun: Die Verwandlung dieser Steuer in eine Communalsteuer ist bei den Gemeinden ja möglich, und da ist die Widerlegung der Rententheorie auch richtig; sie trifft aber nicht zu bei den Gutsbezirken, denn das sind keine Gemeinden, und sie heben keine Steuern; da tritt also der Charakter eines Geschenks wie die Herren von der freisinnigen Partei sagen, der agrarische Charakter der ganzen Reform in den Vordergrund. Nun, meine Herren, wir haben auch eine große Anzahl von Gemeinden, die garkeine Steuern erheben; wie steht denn da die Sache? wollen Sie die auch von der Beseitigung der Realsteuern ausschließen? Wir haben eine andere Anzahl von Gemeinden, welche nur sehr unbedeutende Steuern zu er⸗ heben brauchen und längst nicht genöthigt wären, um ihre communalen Bedürfnisse zu befriedigen, die ganzen Realsteuern weiter in Hebung zu setzen; was wollen Sie da anfangen, meine Herren? Endlich aber, wir wollen nicht vorschreiben, meine Herren ich glaube, das wird von keiner Seite verlangt werden daß irgend eine Gemeinde verpflichtet sein soll, die gesammten vom Staat aufgegebenen Real⸗ teuern weiter zu erheben, sondern wir wollen nach der besonderen Be⸗ schaffenheit jeder einzelnen Gemeinde prüfen, nach ihrem sonstigen Vermögen, nach ihren Aufgaben und Ausgaben, für welche Zwecke sie verwendet werden, um das richtige Verhältniß zwischen Real- und Personalsteuern in den Gemeinden festzustellen. Wir werden also Tausende und aber Tausende von Gemeinden haben, wo nicht entfernt die gesammte aufgegebene Realsteuer in Zukunft wieder zur Erhebung gelangt. Wo ist da ein principieller Unterschied gegen die Lage der Gutsbezirke, die zwar die Ausgaben für öffentliche Zwecke auch zu leisten haben, aber es nicht gerade in der Form einer Steuer thun?

Meine Herren, wenn Sie einmal von dem Grundsatz ausgehen: es ist eine Prägravation der Grundbesitzer vorhanden, welche neben der vollen Personalsteuer ohne Rücksicht auf ihre persönlichen Ver⸗ hältnisse, ohne Rücksicht auf ihre Schuldenbelastung in der Grund⸗ steuer belastet sind, so können Sie natürlich nicht diejenigen Grund⸗ besitzer ausnehmen und nicht diejenigen Grundbesitzungen mit der Steuer belastet lassen, die zufällig in Gutsbezirken liegen. Das wäre doch eine völlig unmögliche Ungerechtigkeit! Meine Herren, diese Reform kann die historische Thatsache des Vorhandenseins großer, in einer Hand befindlicher Grundbesitzungen neben unbedeutendem, kleinem bäuerlichen Besitz nicht beseitigen; das kann nicht ihre Aufgabe sein. Diese Frage der Gutsbezirke ist gelöst worden durch die Landgemeinde⸗ ordnung; sie liegt auf politischem, aber nicht auf steuerlichem Gebiet. Wenn Sie sagen, die Gutsbezirke haben zu wenig Lasten, nun, meine Herren, so liegt auch diese Frage nicht auf dem Gebiet der Erhebung der Steuern, sondern auf dem Gebiet der Gemeindeorganisation; hier können Sie diese Frage nicht lösen.

Meine Herren, was hat aber diese ganze Frage für eine Be⸗ deutung gegenüber der gesammten Entlastung des Grundbesitzes in ganz Preußen? Glauben Sie, daß der hannoversche, der schleswig⸗ holsteinische Bauer zufrieden ist, diese Communalbelastung weiter zu tragen, bloß damit nicht auch die Gutsbezirke davon frei werden? (Sehr gut!) Ich glaube nicht, meine Herren, daß dieses Anklang im Volke finden wird. In einer Zeitung, in einer agitatorischen Rede hört sich das sehr schön an (sehr richtig! und Bravo), aber wenn die Frage praktisch gestellt wird, hat die Sache ein ganz anderes Gesicht.

Meine Herren, Sie sollten doch auch nicht die Belastung der Gutsbezirke allzu gering anschlagen; denn nach der Anlage zur Land⸗ gemeindeordnung tragen die Gutsbezirke doch sehr bedeutende und erhebliche Lasten. (Sehr richtig Darnach betragen die Kreis- und Communallasten in den östlichen Provinzen allein 17 536 000 (, während die gesammten in den Gutsbezirken aufkommenden Grund⸗ und Gebäudesteuern nur 9 387 000 betragen. (Hört! Hört! Hier haben wir allerdings für öffentliche Lasten auch noch eine sehr erheb⸗ liche verbleibende Ausgabe selbst nach dem Verzicht des Staats auf die Realsteuern. Meine Herren, diese Lasten aber werden gerade in den östlichen Provinzen in Zukunft sehr erheblich steigen (sehr richtig); wenn die Ueberweisung aus der lex Huene, die ja auch zu zwei Dritteln nach Grund⸗ und Gebäudesteuer vertheilt wurde, auf⸗ hört; so werden die Kreissteuern gerade in den östlichen Provinzen, wo der Kreis gewissermaßen die Urgemeinde bildet und ganz in dem Vordergrund steht gegenüber den kleinen vielfachen Zwerggemeinden, sehr erheblich steigen, und die Kreissteuern haben die Gutsbezirke genau so gut zu tragen wie die einzelnen Gemeinden. Also nach dieser Richtung hin findet sich Ausgleichung bedeutender Art.

Nun ist dem ganzen Programm vorgeworfen, es sei agrarischer Natur, namentlich käme das platte Land viel besser dabei weg als die Städte. Meine Herren, ich würde auf diesen Vorwurf auch nicht das geringste Gewicht legen, wenn darin nicht auch enthalten wäre, daß die Reform zu einer ungerechten Vertheilung der Staatslasten führe. Wenn eine Reform auf richtigen Principien beruht, die die Gerechtig—⸗ keit dictirt, dann ist es gleich, meine Herren, wem die Reform zu gute kommt; sie wird immer demjenigen zu gute kommen, der bisher überlastet war. (Bravo! War das Land bisher überlastet, nun, so wird die Reform dem Lande zu gute kommen; waren die Städte überlastet, nun, so wird die Reform den Städten zum Vortheile ge⸗ reichen; waren die Städte weniger belastet im Verhältniß zum Lande, so muß die Reform dem Lande mehr zu gute kemmen. Nun, meine Herren, das Beste an der Sache ist, daß, wenn man mal irgend einen Maßstab nimmt, beispielsweise doch den vielleicht allein mög⸗ lichen der Kopfzahl in den Städten und auf dem Lande, die Wahr⸗

heit gerade das Gegentheil zeigt. (Sehr richtig) Dann könnte man viel eher behaupten: diese ganze Reform ist nicht agrarisch, sondern urbanisch. ((Große Heiterkeit.) .

Meine Herren, ich kann den Beweis leicht führen, und ich mache den Herrn Abg. Rickert vor allem auf diese Zahlen aufmerksam. Wenn er den Satz vertreten will, den ich vorher ausgesprochen habe, so bitte ich, diese Zahlen zu beachten. Nun, in den Städten kommen auf an Grundsteuer in der ganzen Monarchie 29 3 pro Kopf, an Gebäudesteuer 2, 23 M, macht zusammen 2,52 4 Auf dem platten Lande kommen auf an Grundsteuer 2 S6, an Gebäudesteuer 47 , in Summa 247 S. durchschnittlich 2,49 M im ganzen Staat; folglich bleibt in dieser Beziehung das Land gegen den Durchschnitt nur um 2 3 zurück, r

Nun kommt aber die Gewerbesteuer. Da stellt sich heraus nach einer sehr sorgfältigen, allerdings nicht absolut genauen Zusammen⸗ stellung das ist bei der Gewerbesteuer nicht möglich, weil sie größere Bezirke umfaßt es würden nach der Veranlagung von 1892,93 im ganzen auf den Kopf der Bevölkerung 64 fallen, und davon nur 24 auf das platte Land; alles Uebrige fällt den Städten zu. (Hört! Hört) Wie kann man nun da, meine Herren, von einer bedenklichen Vorbegünstigung (Abg. Richter: Einkommensteuer!) Herr Richter, darauf werde ich gleich kommen, auf Ihren Einwand, ich danke Ihnen sehr, daß Sie ihn machen (Heiterkeit) nun, wie kann man da von einer agrarischen Tendenz dieser ganzen Reform überhaupt sprechen?!

Aber, meine Herren, was bekommt nun das Land? eine bis dahin fixirte Steuer! Was bekommen die Städte? eine wachsende Gebäudesteuer! (Sehr richtig! rechts). Was bekommen die Städte weiter? eine gleichfalls wachsende Gewerbesteuer! (Sehr richtig! rechts.)

Nun sagt Herr Richter: ja, die Einkommensteuer! Ja, meine Herren, es ist mir lieb, daß dieser Einwand hier gleich gemacht wird. (Heiterkeit. Kann denn Berlin sich darüber beklagen, daß dort viele steuerkräftige, reiche Leute wohnen, die nach ihren Kräften im Staate steuern müssen? (Heiterkeit. Ich bin erstaunt gewesen, daß eine politische Partei ein Wahlflugblatt zur Empfehlung ihres Candidaten in Berlin herum versendet, wo es heißt: wir müssen einen Candidaten wählen, der dafür sorgt, daß Berlin nicht zu viel Vermögenssteuer zu bezahlen hat. (Hört! Hört!)

Ja, meine Herren, dem Staat ist es gleichgültig, wo die steuer⸗ pflichtigen Censiten wohnen. Heute wohnen sie in Berlin, morgen wohnen sie in Köln, übermorgen in Frankfurt; sie werden vom Staat herangezogen nach ihrer Leistungsfähigkeit, wo sie sich aufhalten, zu welcher Gemeinde sie gehören; und die Gemeinde mag glücklich sein, die viele solche steuerkräftige Elemente in sich birgt. (Sehr wahr! rechts.) Es würden wohl manche Städte und manche Gemeinden im Lande in dieser Beziehung mit Berlin tauschen mögen. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, wir haben allerdings vorschlagen müssen,“ daß die Entschädigungen für die Aufhebung der Steuerfreiheit, welche auf Grund des Gesetzes von 1861 gewährt worden, zurückzuzahlen sind, soweit die betreffenden Grundbesitzungen noch nicht durch Singularsuccessionen in eine andere Hand übergegangen sind. Daß die Entschädigungen in diesem Falle nicht zurückgefordert werden können, brauche ich wohl nicht auszuführen, denn der jetzige Besitzer hat die Entschädigung nicht bekommen, als er das Grundstück erwarb, und umgekehrt der— jenige, der die Entschädigung bekommen, hat von der Aufhebung der Grundsteuerfreiheit keinen Vortheil. Dagegen in dem anderen Falle, wo es sich entweder noch um denselben Besitzer handelt, um dasselbe Fideicommiß, oder um Vererbungen, wenigstens in denselben Familien, hat die Staatsregierung es für richtig gehalten, diese Entschädigungen jetzt wieder zurückzuziehen, welche doch gegeben sind dafür, daß die betreffenden damaligen Steuerfreien oder Bevorzugten sich unter das allgemeine Staatsgesetz der Heranziehung zur Grundsteuer stellten. Fällt nun die Grundsteuer weg, so fällt naturgemäß auch die Voraus⸗ setzung der damaligen Entschädigung. Richtig ist gewiß, meine Herren, daß eivilistisch vom Standpunkte des Privateigenthums hier eine Ver— pflichtung zur Zurückzahlung der Entschädigung nicht zu construiren ist. Aber staatsrechtlich hat die Sache eine andere Bedeutung, und wir haben geglaubt, daß es wenigstens in hohem Grade der Billigkeit entspräche, wenn in einer angemessenen, nicht drückenden Form, wie wir dies vorgeschlagen haben, die Entschädigungen zurückgezahlt werden.

Meine Herren, wenn wir die Realsteuern aus dem Staatssteuer⸗ system ausscheiden, dann beruht das Staatssteuersystem vorerst lediglich auf der Einkommensteuer. Ein sehr bedeutender Grund zur Un— zufriedenheit, ein weit verbreitetes Gefühl ungerechter Belastung durch die Doppelbesteuerung wird von nun an aus dem preußischen Staat verschwunden sein.

Meine Herren, werfen Sie nur einen Blick auf die Entwickelung unseres Communalwesens! Der Staat hatte die Realsteuern im wesentlichen in Beschlag genommen, um so mehr mußten die Ge— meinden bestrebt sein, in angemessener Weise die mit der Gemeinde auf Gedeih und Verderb verbundenen Objecte, diejenigen Objecte, welche von einer größeren Anzahl ven Gemeindeausgaben Werth⸗ steigerungen erfahren, diejenigen Objecte und Betriebe, welche einen großen Theil der Gemeindeausgaben verursachten, in angemessener Weise heranzuziehen. Die Bestimmungen der Reichsgesetze haben in Preußen, namentlich durch das Verbot der Getränkeaccise auf Wein, die Entwickelung des indirecten Steuersystems hintangehalten.

Es bleibt, wie gesagt, den Gemeinden bei den steigenden Aus— gaben aller Art kaum etwas Anderes übrig, als das Schwergewicht der Communalbesteuerung auf die Personalsteuern, auf die Zuschläge zur Einkommensteuer zu legen. Meine Herren, dies ist eben so un— gerecht in der Gemeinde, wie das Nebeneinanderbestehen der Real⸗ steuern und der Personalsteuern im Staat; denn die Gemeinde ist neben ihrer Eigenschaft als Glied des Staats, auf welches der Staat all⸗ gemeine staatliche Aufgaben überträgt, auch wesentlich ein wirthschaft⸗ licher Körper, gewissermaßen ein gemeinsames Unternehmen zur Stärkung der wirthschaftlichen Kräfte der einzelnen Gemeinden. Das Arbeitseinkommen und das reine Kapitaleinkommen, was mit der Ge⸗ meinde garnicht unzertrennlich verbunden ist und dauernde Vortheile vielfach von den Gemeindeausgaben und ⸗Verwendungen nicht hat, vor— zugsweise heranzuziehen, stellt die Sache geradezu auf den Kopf. Der Grundgedanke der ganzen neuen Reform besteht darin, die Ungerechtig⸗ keiten, die die Realsteuern darstellen, im Staat dadurch zu beseitigen, daß man sie an die richtige Stelle setzt, und in den Gemeinden eine andere Ungerechtigkeit, die übermäßige Belastung des Arbeits⸗ einkommens und des Einkommens von reinem Kapital vermindert.

Nun, meine Herren, bei dieser Communalbesteuerung, wie sie sich

in den letzten Jahren entwickelt hat, bei der alle Ausgaben auf dem bequemen Weg der erhöhten Zuschläge zur Einkommensteuer gelegt sind, wo in den preußischen Städten, darunter in sehr großen, über⸗ haupt die Realobjecte und Gewerbebetriebe nicht herangezogen worden sind, da liegt nicht bloß eine Ungerechtigkeit vor, eine schlechte Ver⸗ theilung der Gemeindelasten, sondern zugleich eine große Gefahr für das Finanzwesen der Gemeinden. Ich habe schon vorher gesagt: dieses Schwergewicht der Gemeinde⸗Einnahmen aus der Steuer auf die Personalsteuern zu legen, heißt, sich auf ein schwankendes, unsicheres Rohr verlassen. Von Zufälligkeiten hängt es ab, ob ein Betrieb, auf dessen Gedeihen die Wohlfahrt der Gemeinde beruht, nicht im Rück⸗ gang befindlich ist, vom Zufall hängt es ab, ob ein reicher Mann lebt oder stirbt, ob er bleibt oder zieht; und je höher die Zuschläge werden, wird er aus kleinen und mittleren Gemeinden, wenn seine Verhältnisse es ihm gestatten, auswandern in die Kapitalcentren der großen Städte, wo wegen der Concentrirung des Kapitals die Zu⸗ schläge verhältnißmäßig geringer sind. (Sehr wahr!)

Meine Herren, ich habe jahrelang mich mit diesen Communal⸗ fragen beschäftigt, jahrelang die Entwickelung unseres Communalwesens verfolgt, und ich habe mit steigender Sorge dieser Entwickelung zu⸗ gesehen. Ich bin überzeugt: wenn hier nicht Wandel geschaffen wird, so können wir in schwierigen Zeiten zu den größten Katastrophen kommen. (Sehr richtig Sie sehen wohl, die vorgeschlagenen Re⸗ formen sind, wenn auch ein Product der Wissenschaft und im großen und ganzen durch die heutige volkswirthschaftliche Wissenschaft ver⸗ treten, doch wesentlich hervorgegangen aus der praktischen Nothwendig⸗ keit, schwere Uebelstände und Gefahren aus unserem Volksleben zu beseitigen.

Meine Herren, die Ueberweisung von Realsteuern an die Ge—⸗ meinden, ihre zweckmäßige Verwendung innerhalb der Gemeinde⸗ besteuerung, berührt zugleich auch ein großes Staatsinteresse. Meine Herren, wenn der Staat in Zukunft allein auf die Personalsteuer an⸗ gewiesen werden soll, dann muß er auch sicher sein, daß nicht durch solche ungemessene Zuschläge bis 600 hin die Richtigkeit der Ver⸗ anlagung der Personalsteuer unwiderbringlich in Gefahr gestellt wird. Das kann doch gar kein Zweifel sein, meine Herren, und ich glaube das nicht weiter darlegen zu müssen, daß, ob bewußt oder unbewußt, eine Veranlagung, die schließlich zu einer Belastung des Einkommens, auf welches der Staat dann in Zukunft wesentlich angewiesen ist, durch die Communen bis zu 24 G führt, daß eine solche Veranlagung schließlich, ob bewußt oder unbewußt, eine unrichtige oder ungenügende wird. Wir haben es also hier mit einem concurrirenden, wichtigen Staatsinteresse zu thun, aber nicht mit einem Staatsinteresse, welches mit den Gemeindeinteressen in Widerspruch steht, sondern vollkommen mit ihm harmonirt, wie wir überhaupt das will ich hier ein⸗ schalten durch den, möchte ich fast sagen, glücklichen Umstand, daß wir genöthigt sind, gleichzeitig die Staats- und die Gemeindesteuern zu reformiren, überall Ausgleichung finden. Wer im Staat mehr belastet wird, wird in der Gemeinde minder belastet, und wer im Staat entlastet wird, wird in der Gemeinde herangezogen.

Meine Herren, jetzt komme ich auf die Frage des finanziellen Er⸗ satzes. 35 Millionen fehlen uns; diese 35 Millionen müssen aufgebracht werden. Sie sollen nur das ersetzen, was der Staat den Steuer⸗ pflichtigen gegeben; sie belasten nicht neu. In dieser Beziehung ist die Ergänzungssteuer keine neue Steuer, sondern eine Ersatzsteuer. Diese 35 Millionen sind nothwendig, weil nach unserer Meinung und nach den Erfahrungen der Vergangenheit über die Einwirkung der Berufungen und Beschwerden auf die erste Veranlagung der Ein⸗ kommensteuer auf mehr als 40 Millionen definitiv an Mehreinnahmen nicht zu rechnen ist. Bei der ersten Veranlagung dürfen wir nicht, wenn wir gewissenhaft verfahren wollen und das müssen Sie thun sowohl wie ich; Sie repräsentiren nicht den Gegensatz gegen die Staatskasse, Sie repräsentiren den Staat das Mehraufkommen der Einkommensteuer höher veranschlagen als auf 40 Millionen.

stun sagt man: Diese 40 Millionen werden sich in 45 im nächsten Jahre, in 50 im folgenden Jahre, in 100 Millionen mindestens bei Ausgang dieses Jahrhunderts verwandeln. Ja, wenn diese Propheten nur Glauben hätten, meine Herren, oder Glauben verdienten! Woher wissen denn diese Propheten das? (Abg. Richter: Woher wissen Sie es denn?) Ich behaupte das Gegentheil gaknicht, Herr Richter; ich will das gleich erklären. Gewiß wissen wir auch, daß mit dem steigenden Wohlstand die Einkommensteuer steigt: das wollen wir alle erwarten, hoffen und glauben. Denn wenn wir nicht mehr an den steigenden Wohlstand unseres Volkes glaubten, dann wäre es um den Staat bedenklich bestellt. Aber wozu sind denn diese steigenden Einnahmen vorhanden? Doch um die steigenden Ausgaben zu decken? Wer kann hier auftreten und die Behauptung aufstellen, daß es wahr⸗ scheinlich sei, daß auch die Ausgaben des Staats sich vermindern?

seine Herren, wir können die culturellen Aufgaben des Staats heute schon nicht mehr in vollem Maße erfüllen, das weiß niemand besser als ich, der ich fortwährend den rothen Stift in der Hand haben muß; aber daß die Ausgaben des Staats im Steigen bleiben werden mit der wachsenden Cultur und den wachsenden Culturaufgaben, darüber kann nicht der mindeste Zweifel sein. Wir können also nur ausgehen von dem Verhältniß der jetzigen Ausgaben und der jetzigen Einnahmen.

Nun sagt man: Ja, die lex Huene, die Ueberweisungen aus den Vieh⸗ und Getreidezöllen, sind doch viel höher, als bei der Rechnung angenommen ist, als 24 Millionen! Ich verweise in dieser Beziehung auf die Denkschrift. Ich glaube, es ist dort überzeugend nachgewiesen, daß, wenn man abwägen will, welchen vermuthlichen Durchschnitts⸗ werth diese Ueberweisungen in Zukunft haben werden, man nicht verant⸗ worten kann: sie höher als 24 Millionen einzuschätzen. Meine Herren, lassen Sie das letzte Jahr aus dem Spiel; denn alle Welt weiß, daß das ein ganz extraordinäres Jahr war. Nehmen Sie die Jahre 1889 bis 1891, so können Sie auf einen Durchschnitt von 39 Millionen, während das Jahr 1889, das später eine besonders gute Ernte brachte, schon aber neben der Erhöhung der Zölle von 1887 doch nur 29 Millionen ergab. Jetzt sind die Zölle auf 3,50 (6 reducirt und daher würden wir, wenn wir den Satz von 29 zu Grunde legten, schon heute nicht mehr kommen auf den Durchschnittssatz von 24 Millionen.

Nun sagt man: Ja, die Bevöllerung wächst, die Getreideeinfuhr

wird auch wachsen. Mag sein, meine Herren. Aber die ländliche Production von Getreide kann auch wachsen (Widerspruch links), kann auch wachsen, und hervorragende Sachverständige ich nenne z. B. den Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Rath Thiel, von dem ich glaube, er weiß von Landwirthschaft mindestens so viel, wie die Herren, die mich da unterbrechen (Heiterkeit rechts, sagen: Allerdings würde

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in den nächsten Jahren bei fortschreitender landwirthschaftlicher Cultur die Getreideproduction sich durchschnittlich erheblich erhöhen. Aber, meine Herren, nehmen Sie an, durchschnittlich stiegen die Einnahmen,

so werden Sie mir doch das nicht bestreiten, daß sie in Jahren guter

Ernten auch erheblich niedriger sein können, und der Staat muß die niedrigeren Jahre auf die besseren übertragen.

Es ist mir ja von vorsichtigen Finanzmännern geradezu zum Vorwurf gemacht, daß ich sichere, feste Einnahmen aus Grund- und Gebäudesteuer weggäbe gegen schwankende, unsichere, ja möglicherweise in ihrem Bestande bedrohte Ueberweisungen aus den Getreide- und Viehzöllen. Dieser Einwand hat etwas für sich, meine Herren. Es ist das ein gewisses Risiko für den Staat, was ich garnicht leugne. Aber ich kann keinen Unterschied machen, wenn ich die gesammten Interessen des Landes ins Auge fasse, zwischen den finanziellen Interessen des Staats und den finanziellen Interessen der Glieder. Dann sage ich: Ist das Risiko vorhanden, nun, so kann der Staat das Risiko noch eher tragen, als die kleine Gemeinde oder der einzelne Kreis; Risiko aber bleibt es, meine Herren, und zwar liegt das Risiko vielleicht doch nicht ausschließlich in den schwankenden Ernten.

Meine Herren, wie diese Ernteausfälle wirken, das will ich Ihnen einmal aus den Erfahrungen der letzten Monate zeigen. Wir hatten im April noch eine Einnahme von 8413000 S, im Mai von 8181 00 M, im Juni von 6 528 000 4, im Juli, wo allerdings die Abrechnungen aus den Lagerbeständen hinzukommen das ist also unregelmäßig 16074000 ½ Nun kommt der August mit 4593 000 4, und der September mit 3 127 000 6 Und so wird aller Wahrschein⸗ lichkeit nach wir können das jetzt schon ziemlich übersehen der Oktober noch ungünstigere Ergebnisse in den Einnahmen bringen.

Wenn Sie nun mit den beiden letzten Monaten August und

September die correspondirenden Monate des Vorjahres vergleichen,

so ergab im Jahre 1891 der August 8 Millionen, gegen 4 Millionen heute, und der September 10 Millionen, gegen 3 Millionen heute. Da können Sie, meine Herren, die Wirkung der Ernten sehen. Bis die neue Ernte auf den Markt kam: starke Importe und auch ver— hältnißmäßig noch höhere Preise; sowie die neue Ernte concurrirt auf dem Markt: ein plötzliches Zurückgehen um über 100 0.

Das, meine Herren, werden Sie unter solchen Umständen billigen, daß wir die dauernden durchschnittlichen Erträgnisse dieser Ueber— weisungen auf nicht höher als 24 Millionen annehmen dürfen.

Nun bleiben übrig die 35 Millionen, und hier, meine Herren, komme ich an die piece de résistance (Zustimmung und Heiterkeit). Nehmen thut ja jeder gern, das Geben ist schon schwieriger; aber hier geht Nehmen nicht ohne Geben. Ich habe das schon auseinander— gesetzt, die 35 Millionen müssen wieder einkommen.

Nun streiten wir uns über die Art und Weise, wie wir das Geld erheben, und da hat nun die Staatsregierung Ihnen die Ergänzungs— steuer vorgeschlagen. Gleich bei dem Namen auch das Wort hat eine Bedeutung hat freilich die „Freisinnige Zeitung“ mich sehr verhöhnt; sie hat gesagt: das ist ein schämeriger Ausdruck; man wagt nicht, zu sagen Vermögenssteuer. Ja, das ist eine vollständige Ver— kennung der Sachlage. Gewiß, meine Herren, diefe Ergänzungssteuer hat die Form einer Vermögenssteuer; ihr Zweck und ihre Bedeutung im Steuerfystem ist aber der der Ergänzungssteuer nach mehreren Richtungen. Sie soll Lücken ausfüllen, die die Einkommensteuer noth— wendig lassen muß, und sie soll die Steuerkraft des fundirten Ein— kommens gerechter erfassen, was die Einkommensteuer nicht leisten kann. Infolge dessen ist der wesentliche Charakter der der Ergänzung.

Aber noch mehr, und vielleicht trägt das zur Beruhigung mancher ängstlichen Gemüther bei sie steht ihrer inneren Natur nach auch in einem bestimmten Verhältniß zur Einkommensteuer. Um welchen Betrag das fundirte Einkommen steuerkräftiger ist als das nicht fundirte, ja, meine Herren, das kann man nur mit einem generellen Satze bemessen. Hat aber mal die Gesetzgebung diesen Zu⸗ schlag von 1e pro Mille vom Vermögen in gewissen Steuerklassen gleich 1,4 C des Einkommens als ein richtiges Verhältniß der größeren Steuerkraft des fundirten Einkommens zum nichtfundirten firirt, so muß dies Verhältniß auch bleiben. Eine einseitige Erhöhung bei steigender wachsender Noth an Einnahmen und bei eintretender Nothwendigkeit der Steuererhöhung, eine einseitige Erhöhung dieser Vermögenssteuer in ihrer Eigenschaft als Ergänzungssteuer würde ich für völlig unzulässig halten. (Lebhafte Zustimmung rechts) Den⸗ jenigen, meine Herren, die in dieser Hinsicht ängstlich sind, trotz der Gewähr, die in der Natur der Sache liegt, und die viel bedeutender ist als alle Paragraphen, will ich gern entgegenkommen; meinerseits habe ich nichts dagegen, wenn dies sogar in einem Paragraphen aus⸗ gesprochen wird.

Ich glaube also, der Herr Abg. Richter wird jetzt wohl zugeben, daß es sich hier nicht bloß um eine Verdeckung der wahren Natur der Steuer handelt, sondern um einen durchaus berechtigten Namen, um der neuen Vermögenssteuer gleich die richtige Stellung in unserem Steuersystem anzuweisen.

Nun habe ich gesagt, sie soll Lücken ausfüllen, die nothwendig, wenn wir den Steuerpflichtigen nach seiner eigentlichen Steuerkraft, nach seiner Leistungsfähigkeit heranziehen wollen, die Einkommensteuer lassen muß. Meine Herren, wenn ein Gewerbtreibender, der sein ganzes Vermögen in seinem Gewerbe stecken hat, zwei Jahre hinter einander eine Unterbilanz hat, vielleicht mit einem Vermögen von zehn Millionen Mark, so ist der Mann steuerfrei, die Einkommen— steuer kann ihn nicht heranziehen, er hat kein Nettoeinkommen in den entscheidenden Jahren. Wenn ein Grundbesitzer mit 20 000 Morgen schuldenfreien Besitzes, der ein paar schlechte Ernten gehabt hat, oder durch andere besondere Umstände kein Nettoeinkommen aus seinem Grundbesitz entnommen hat, so ist er nach dem Einkommensteuergesetz steuerfrei. Ist dies nun richtig, meine Herren, frage ich Sie? Verliert der Gewerbtreibende, der vielleicht Millionär ist, seine Steuerkraft und seine öffentlichen Pflichten dem Staat und der Gemeinde gegenüber denn auch die Gemeindezuschläge hören in einem solchem Falle auf bloß weil er in einem Jahre lein Einkommen hat? (Sehr richtig! rechts) Dies ist, glaube ich, nicht zutreffend. Wenn jemand absichtlich aus irgend welchen Gründen, sei es aus speculativen Gründen oder aus Luxusgründen, nutzbare Theile seines Vermögens, die der Production dienen könnten, außer Production setzt, hört er dadurch auf, steuerkräftig zu sein?

enn von zwei Brüdern ich rede von praktischen Fällen, die Herren haben es mir selber erzählt die beide 200 000 erben, der eine . Geld in preußischen Consols anlegt, so zahlt er Einkommensteuer. er andere, ein speculativer Kopf, legt den größten Theil seines Ver⸗ nögens in Bauplätzen in Rirdorf an und ist heute weit reicher, wie

der andere, aber er zahlt nichts, weder an den Staat, noch an die Gemeinde. Ist das richtig? Bedarf nicht die Einkommensteuer in dieser Beziehung einer Ergänzung, die freilich erst heute möglich ist, bei der ersten Einbringung noch gar nicht möglich war?

Meine Herren, man kann selbst sagen, eine gewisse Ausgleichung ist auch berechtigt in dem Verhältniß eines sehr wohlhabenden Mannes, der eben, weil er sehr wohlhabend ist, einen großen Theil seines Ver— mögens zu niedrigen Zinsen anlegt, weil er Sicherheit vorzieht, gegen⸗ über einem anderen, mit geringerem Besitz, der auf die Zinsen an— gewiesen ist und daher nicht so sehr in der Lage ist, auf die Sicherheit zu sehen, und höhere Zinsen empfängt. Auch hier liefert die Ver= mögenssteuer einen einigermaßen entsprechenden Ausgleich.

Ich will nun abwarten, ob Sie mit irgend einer anderen Form diese Ergänzung der Einkommensteuer bewirken werden. Diese Sache hat doch bei wachsender Cultur und wachsendem Wohlstand und Reichthum eine wachsende Bedeutung. Denn das kann nicht bestritten werden, wenn der Wohlstand wächst, so sind immer mehr Steuer— pflichtige in der Lage, Theile ihres Besitzes außer Production zu setzen. Wir brauchen nicht nach dem alten Rom und Griechenland hin— zusehen, um das zu begreifen, wir haben die Beispiele auch heute in England sehr und in Deutschland auch nicht gering vor Augen.

Meine Herren, das ist keine ungerechte Behandlung der reichen Leute, nein, es hat nur den Zweck, die reichen Leute nicht günstiger zu behandeln, wie die weniger reichen Leute. Meine Herren, wenn das bisher schon bedenklich hervortritt und zu großen Mißstimmungen führt ich kann Ihnen sagen: ich habe einen ganzen Schrank voll Zuschriften über das Mißbehagen, das Gefühl der Begünstigung, was gegenüber solchen steuerkräftigen, reichen Censiten besteht wie wird das erst in Zukunft sein, meine Herren? Diese Parks, diese Bauplätze, diese Villen, die waren doch bisher besteuert: sie zahlten die Grundsteuer und die Gebäudesteuer; jetzt nehmen Sie ihnen die Grund- und Gebäudesteuer ab, ziehen sie vielleicht zum theil doch nur in der Gemeinde wieder heran und sie bleiben in der Einkommensteuer nach wie vor frei, da wird das Uebel ja noch größer.

Aber, meine Herren, dieses ist nicht der entscheidende Grund für die Vermögenssteuer. Der entscheidende Grund ist der, daß in dieser Form nach der Ueberzeugung der Staatsregierung allein, wenigstens allein zweckmäßig und zutreffend, die Unterscheidung zwischen fundirtem und nichtfundirtem Einkommen gemacht werden kann. Ich weiß, daß Sie, als Sie diese Unterscheidung verlangten, als Sie darin einen weiteren nothwendigen Act ausgleichender Gerechtigkeit erblickten, als Sie sahen: auf die Dauer kann der Arzt, der Gelehrte, der Literat, der Advocat, der kleine Bauer, der wenig Besitz hat, der Hand— werker, nicht nach demselben Satz besteuert werden wie der, der vererbliches Vermögen besitzt und daneben doch auch im Er— werbe nicht behindert ist meine Herren, wenn ein Arzt mit fünf Kindern 7000 ½½ι, häufig unter Gefahr seines Lebens und mit großen Anstrengungen, erwirbt und davon nichts erübrigen kann, mit Sorge auf die Zukunft seiner Kinder sehen muß, und wenn er selbst dienstunfähig wird und stirbt, können Sie auf die Dauer mit der Gerechtigkeit das vereinigen, daß ein Censit, der 200 250 000 M Vermögen hat, daraus die Einnahmen bezieht, sicher ist, es seinen Kindern hinterlassen zu können, gleichmäßig besteuert werde wie der erstere? Das geht gegen das Gerechtigkeitsgefühl, und dem kann sich schließlich in Deutschland niemand entziehen. Und wenn wir nun auf diese Personalsteuer unsere ganzen staatlichen Steuern allein stützen wollen, dann dürfen Sie diesen Stachel nicht stecken lassen, meine Herren, wir müssen ihn herausziehen.

Wenn ich annehme, daß das Haus damit einverstanden ist dann streite ich höchstens noch mit den verschiedenen Meinungen über die Form, in der wir diesem Postulat der Gerechtigkeit entsprechen. Nun, meine Herren, für mich ist das Wesen der Sache das wichtigste, die Form secundär, aber ich behaupte: die voll— kommenste Form ist die, die wir hier vorschlagen. Man hat von einer Erbschaftssteuer gesprochen. Nun, meine Herren, sie ist gewiß auch eine Form der Heranziehung des fundirten Einkommens, aber doch eine mit schweren Mängeln behaftete, die alle der Vermögens⸗ steuer nicht ankleben. Meine Herren, man hat gesagt: der Finanz— Minister hat ja selber im vorigen Jahre eine Erbschaftssteuer vor⸗ geschlagen. Gewiß, meine Herren, mit oo; das drückt nicht, das war wesentlich eine Controlmaßregel. (Sehr richtig! rechts.) Haben Sie sich aber berechnet, die Herren vom Rhein, die so eifrig für diese Steuer eintreten, was wir eigentlich wohl für Sätze bei einer Erbschaftssteuer erheben müßten, welche 35 Millionen bringt?

Meine Herren, abgesehen von einzelnen Specialbestimmungen in bestimmten Vermögensgattungen in England, hat meines Wissens kein Staat bei Descendenten, Ascendenten und Ehegatten, jedenfalls nicht bei dem wichtigsten Falle der Descendenten, eine höhere Steuer als 10/0. Wir haben die sorgfältigsten Rechnungen angestellt und sind sie der Commission vorzulegen bereit, und dabei kommen wir auf Sätze wie folgt, um diese 35 Millionen zu erlangen: 20 für alle Verwandten in gerader Linie, für Ehegatten 2 0 , für Geschwister 6o / o für Stiefkinder 6 o/, für adoptirte und einkindschaftliche Kinder 400 und für die entfernteren Verwandten 12 0,½. (Hört! hört! Heiterkeit.) Beruhigen Sie sich, meine Herren!

Wenn nun die Wahl ist zwischen der Erbschafts⸗ steuer mit solchen Sätzen und einer Jahr aus, Jahr ein allmählich zu tragenden, gleichmäßig veranlagten Vermögens⸗ steuer, so glaube ich nicht, daß dem Hause die Wahl schwer werden wird. Meine Herren, bedenken Sie wohl, eine Descendenten—« steuer hat einen ganz anderen inneren Charakter (sehr richtig! rechts) als eine Erbschaftssteuer für die Seitenverwandten; da ist die Erb— schaft angenehmer, ein vielfach unerwarteter Gewinn. Bei den De— seendenten aber, meine Herren, in einem Lande, das doch nicht hervor⸗ ragend reich genannt werden kann, wo die weit überwiegende Menge der Erbschaften in die mittleren Klassen fällt, wo die Einnahme aus dem Vermögen zurücktritt und der Erwerb des Vaters noch immer die Hauptsache bildet, da wird die Lage der Kinder meistens un— günstiger beim Todesfall und nicht günstiger, weil die Kinder in un— endlich vielen Fällen noch immer auf den persönlichen Erwerb des Vaters angewiesen sind.

Ja, meine Herren, so hohe Sätze zu nehmen, das kann allerdings

gewaltig drückend sein, um so drückender, weil diese Steuer zufãllig

trifft, weil sie abhängt von der Lebensdauer der Familien, weil in Fa—

milien, in denen Krankheiten erblich sind, sich die Erbfälle sehr

drückend in kurzer Zeitdauer wiederholen können. . . Nun bedenken Sie weiter, meine Herren, wenn wir bei der ge⸗

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ringen Erbschaftssteuer von 40 / von solchen Cautelen absehen konnten, so wäre das ja völlig unmöglich in dem Augenblick, wo Sie solche hohen Steuern erheben; dann müssen Sie, möchte ich sagen, mit Feuer und Schwert die Bestimmungen verfolgen, die eine Umgehung der Steuer verhüten sollen, namentlich die Schenkungen unter Lebenden, von Vater auf den Sohn. In Frankeich, meine Herren, wird in dieser Beziehung ganz gewaltig defraudirt das ist die Meinung aller Kenner der. dortigen Verhältnisse. Ob diese so lästigen und hemmenden Be⸗ stimmungen, die fortwährend in das Verhältniß zwischen Vater und Sohn eingreifen, die unterscheiden müssen zwischen wirklichen Zuwen- dungen und bloßer Gewährung des Unterhalts, die da keine Grenze ziehen, ob diese an sich so schwierigen, schwer zu gontrolirenden, in allen Fällen drückenden Bestimmungen gerade die Vorliebe für diese Erbschaftssteuer erhöhen würden, muß ich sehr bezweifeln.

Aber, meine Herren, ich wiederhole, für mich persönlich ist die Unterscheidung von fundirtem und nichtfundirtem Einkommen die Hauptsache. Wer mir einen besseren Weg zeigen kann, als wir ihn hier vorschlagen, dessen Vorschläge werde ich auf das sorgfältigste prüfen.

Nun, meine Herren, ist man noch auf eine andere Idee gekommen, und die ist mir nicht neu, denn ich habe auch damit angefangen, indem ich erwog, wie kommen wir zu einer zweckmäßigen Unterscheidung zwischen fundirtem und nichtfundirtem Einkommen, ob man nicht diese Unterscheidung treffen kann innerhalb der Einkommensteuer selbst? Ja, meine Herren, das geht nicht, es ist wenigstens ein ganz roher Weg, wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf. Es ist eine Methode, die das Richtige nicht trifft, und ich frage nun, meine Herren, was für ein Unterschied ist zwischen beiden? (Zwischenruf.)

Warum? Höchstens könnte es doch die Declaration sein. Ich habe aber gezeigt, daß bei diesem Wege auch eine viel schärfere Declaration erfor⸗ derlich wäre. Aber, meine Herren, Sie sagen, Sie wollen einen Zuschlag machen zu dem Besitzeinkommen innerhalb der Einkommensteuer. Nun, wie lauten denn die Declarationen? Ich declarire aus Grund— besitz den Betrag, aus Kapital den Betrag, aus Handel und Ge— werbe den Betrag, vom persönlichen Einkommen den anderen Betrag. Dieser Betrag aus dem Grundbesitz, meine Herren, ist denn der fundirtes Einkommen? Mit nichten, meine Herren. (Sehr richtig! rechts) Das ist gemischtes Einkommen. Wo bleibt denn die Intelligenz, wo bleibt die Arbeitsleistung des Grundbesitzers und des Gewerbetreibenden? Jemand kann mit einem kleinen Vermögen aus Handel und Gewerbe große Beträge erzielen, wenn er ein fleißiger und intelligenter Mann ist, und der andere aus einem großen Ver⸗ mögen nur ein geringes Einkommen. Sie können in dieser Form nicht scheiden zwischen dem Arbeitseinkommen und dem Besitzeinkommen. Daran sind ja auch alle Versuche in dieser Frage in allen Ländern gescheitert; in Italien ist man zu einem gewiß ganz willkürlichen Zuschlag gekommen, wovon die italienischen Volksvertreter selbst nichts halten und sagen, es wäre ein trauriger Nothbehelf. Aber, meine Herren, wenn Sie wirklich das Räthsel lösen könnten, Arbeits einkommen und Besihßeinkommen hier zu scheiden, wo ziehen Sie die Schulden ab, auf welchen Theil, nach welchen Grundsätzen? Das ist ja garnicht ausführbar, meine Herren, da kommen Sie wieder vor dieselbe Frage, wie bei den Realsteuern. Sie nehmen hier einen Durchschnittssatz an. Ja, ein Grundbesitzer wird wohl aus seinem Besitz selbst ohne Arbeit so und soviel herausschlagen können. Das ist derselbe Durchschnittesatz, auf dem die Grundsteuern beruhen. Aber Sie unterscheiden auch zwischen den besonderen Verhältnissen, Sie verlassen das Princip der Leistungsfähigkeit des Einzelnen; es ist gewissermaßen ein Rückfall in ein System, welches wir eben wegen derselben Mängel verlassen wollen.

Meine Herren, außerdem begreife ich immer noch nicht, warum man denn wohl dies lieber will als die Vermögenssteuer, wenn ich von der Declarationsfrage einmal absehe; denn, meine Herren, bezahlt wird doch in beiden Fällen, und zwar dieselbe Summe, es sollen ja 35 Millionen aufkommen, und zwar von den Inhabern von Besitz⸗ thum. Wenn man befürchtet, es könnte einmal die Vermöõgenssteuer trotz des Landtags, trotz des Herrenhauses, trotz der Staatsregierung benutzt werden, um sie ganz unverhältnißmäßig bis zur Confiscation zu erhöhen, so könnte das in dieser Form doch ebenso gut geschehen, wie in jener. Ich begreife nicht, warum man gerade dieses Besondere will. Meine Herren, die Vermögenssteuer begreift alle Besitzarten gleichmäßig und löst auf diese Weise die Frage der Kapitalrentensteuer. Zum ersten Mal, meine Herren, wird mit einer Steuer, die bestimmt ist, die Realsteuer zu ersetzen, auch das Kapital herangezogen, was bisher innerhalb des Realsteuersystems einen ganz unberechtigten Vorzug hatte. (Sehr richtig! rechts) Meine Herren, die Vermögens steuer vermeidet alle Klassengegensätze; jede Besitzart nutzbarer Natur, ge⸗ eignet zur Production, wird gleichmäßig herangezogen in Stadt und Land. Sie ergreift Grundeigenthum und Hausbesitz, Gewerbebetrieb und Kapital: mit einem Schlage sind die Gegensätze, die sich aus den verschieden⸗ artigen singulären Belastungen einzelner Besitzarten herausgebildet haben, beseitigt. Vermögenssteuer kann sich nie incrustiren; sie ändert sich mit dem Vermögensbestand und dem Werth des Vermögens. Geht eine bestimmte Besitzform zurück im Werth und in ihren Er— trägnissen, so geht auch die Vermögenssteuer zurück, während die Grundsteuer beim Rückgang der Erträgnisse des Grund und Bodens stabil bleibt. Die Vermögenssteuer ist daher eine Steuer von Dauer; sie hängt nicht von den Veränderungen im wirthschaftlichen Leben ab; sie paßt auf alle Zustände, weil sie allen Zuständen folgt. Die Ver⸗ mögenssteuer endlich berücksichtigt die individuelle Lage des einzelnen Steuerpflichtigen, weil ja jeder in der Lage ist, der ein Object zufällig noch besitzen sollte, welches bei ihm keine Erträgnisse bringt, ein solches Object zu veräußern und sich daraus einen Ertrag zu bilden. Meine Herren, die Vermögenssteuer zieht die Schulden ab und besteuert nur das reine Vermögen. 17 Milliarden, berechnen wir, liegen auf dem Grund und Boden in Preußen, die bisher mit versteuert werden mußten; die Vermögenssteuer wird dieser Thatsache gerecht. Ich glaube, meine Herren, wenn Sie die Sache ruhig erwägen und nicht einfach sich vor den Gedanken einer neuen Steuer stellen, dann werden Sie doch finden, daß diese Form, die, wie alle Berichte bezeugen, in der Schweiz dem Rechtsgefühl des Volkes in hohem Maße entspricht, die noch vor kurzem die sehr nüchternen Holländer sogar an Stelle der Einkommensteuer eingeführt haben, was ich nicht für richtig halte, daß diese Steuer nicht die Erfindung eines Büchergelehrten ist, sondern daß sie thatsächliche Verhältnisse in der That und Wahrheit richtig beurtheilt und heranzieht.

Meine Herren, ist die Vermögenssteuer etwa drückend durch ihre

Höhe? Nun, meine Herren, wenn der Inhaber eines nutzbaren Rein⸗