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Vermuthung geschöpft hat. Das Gegentheil ist in den Motiven ausgeführt. Der Zentralverband der deutschen Industriellen hatte in seinen Vorschlägen von 1882 ausdrücklich den Wunsch ausgesprochen, es möge der Handels kammerbezirk und der Regierungsbeztrk zusammenfallen. Ich habe mich nicht auf diesen Standpunkt gestellt, sondern ich habe von vornherein an die Handelskammern die Frage gerichtet: ist es richtig, mehr die Zusammengehörigkeit zu dem Verwaltungsbezirk oder die Zusammengehörigkeit der Interessen zu berücksichtigen? Schon aus der Frage war ersichtlich, daß meinerseits die Zu— sammengehörigkeit der wirthschaftlichen Interessen für die Hauptsache gebalten würde. Die Beantwortungen gingen meistentheils dahin, daß dieser Gedanke für richtig gehalten wird, und deshalb hat er auch in den Motiven ganz ausdrücklich Anerkennung gefunden.
Meine Herren, es ist nicht die Absicht dieser Vorlage, die be—⸗ stehenden Handelskammern alle zu streichen, dann einen Zirkel zu nehmen und aus dem Staatsgebiet nach dem Zirkel neue Handels kammerbezirke zu machen. Diese Absicht liegt mir vollständig fern; ich hatte geglaubt, das wäre in den Motiven so deutlich ausgesprochen, daß ich mich gegen diese Vermuthung geschützt glaubte. Meine Herren, die Gestaltungen, die nach dem Gesetz den Handelskammern gegeben werden, werden garnicht so er— heblich von dem abweichen, was wir augenblicklich vor uns haben. Wenn die Herren beschließen sollten, das Gesetz einer Kommission zu überwelisen, so werde ich Ihnen für jeden Bezirk mittheilen, wie ich mir ungefähr die künftige Gliederung denke, und wir werden uns dann eingehend darüber unterhalten. Es liegt nicht in meiner Absicht, die Handelskammern, die an sich leistungsfähig sind, die einen Bezirk umfassen, der ihnen die Auswahl der geeigneten Persönlichkeiten zur Vertretung ihrer Interessen geftattet, zu beseitigen.
Meine Herren, der Herr Abg. Stengel hat erwähnt, man könne Handel und Industrie überhaupt nicht örtlich organisieren, sondern man könne sie nur auf Grund der Berufsgenossenschaften und in freien Vereinigungen organisieren. Meine Herren, das ist eine Verurtheilung des bisherigen Vertretungssystems. Meine Herren, die Genossen der einzelnen Industriezweige haben sich zur Vertretung ihrer speziellen Interessen bei uns in ausgedehntestem Maße in den freien Ver— einigungen zusammengefunden und das ist meines Erachtens ein voll⸗ ständig richtiger Weg. Hier finden sie völlig freie Bewegung und sind befreit von jeder Rücksichtnahme auf andere Interessen.
Wir haben heute keinen bedeutenden Industriezweig, der sich nicht in einer freien Vereinigung seiner Genossen zusammengefunden hätte, die sich meistens über das ganze Reich erstreckt. Es ist auch seitens der Regierung nicht versäumt worden, in Fragen, die solche Interessenzweige betreffen, sie zu Rathe zu ziehen. Aber, meine Herren, die Handelskammern haben seit ihrem Bestehen eine absolut andere Bedeutung gehabt. Als man sie gründete, hatte man den Gedanken, daß man in bestimmten, abgegrenzten Bezirken Handel und Industrie vereinigen wollte, um die örtlichen Interessen dieser Bezirke in geeigneter Weise wahrzunehmen. Dieser Gedanke hat sich immer weiter ent- wickelt; er hat sich gestärkt und wird heute seitens der Betheiligten als richtig festgehalten. Will man Handel und Industrie nicht anders behandeln, wie man die Landwirthschaft behandelt hat, wie man das Handwerk behandeln will, so kann man doch meines Erachtens billiger Weise ihnen die Organisation nach örtlich abgegrenzten Bezirken nicht versagen. Auch ich halte übergroße Handelskammerbezirke nicht für richtig. Ich bin deshalb garnicht der Meinung, daß man überall den Regierungsbezirk als die Grenze des Handelskammer— bezirks machen soll, obgleich es ja auch Handelskammern giebt — das muß ich gegenüber dem Herrn Abg. Stengel betonen —, die einen ganzen Regierungsbezirk umfassen und ihre Aufgabe bisher in höchst dankenswerther Weise gelöst haben. Ich will bloß an den Regierungsbezirk Oppeln mit seiner entwickelten Industrie erinnern, in dem die Wahrnehmung der wirthschaftlichen Interessen durch eine den ganzen Bezirk umfassende Handelskammer in einer durchaus sachgemäßen Weise vor sich geht. Ich habe nicht be— merkt, daß die Verhandlungen dieser Kammer unter dem Mangel an Interesse ihrer eigenen Mitglieder litten.
Nun, meine Herren, wende ich mich zu einem weiteren prinzipiellen Ginwand, dem des Herrn Abg. von Eynern, welcher der Meinung ist, daß die Kammern nicht im Partikularstaate, sondern durch das ganze Deutsche Reich hätten gebildet werden sollen. Meine Herren, ich habe mir auch die Frage vorgelegt, ob es richtiger ist, die Handelskammer Organisation im Wege der Reichs gesetzgebung zu versuchen oder ob ich sie für Preußen allein in Angriff nehmen soll. Mich haben zwei Erwägungen zu dem letzteren Wege geführt: zunächst die Besorgniß, daß die Anschauungen und Interessen über und an dieser Frage im Reich noch sehr weit auseinandergehen, und zweitens die Erwägung, daß die nicht zum Deutschen Reich gehörigen Staaten, mit Ausnahme einiger kleineren Staaten, bereits eine völlig abgeschlossene Organisation in örtlich abgegrenzten Handels« oder Gewerbekammern haben. Preußen allein ist es, wo große Landstriche einer solchen Organisation nicht unterliegen und wo die Bildung der Handelskammerberirke so außerordentlich verschieden sowohl in Bezug auf ihre Ausdehnung wie auf ihre Leistungsfähigkeit erfolgt ist. Auch die Handel kammern haben sich diesen Erwägungen angeschlossen.
Nun, meine Herren, was die Einzelheiten betrifft, so möchte ich mich augenblicklich nur auf wenige Dinge beschränken.
Es ist als ein Bedenken von dem Herrn Abg. Stengel hervor⸗ gehoben worden, daß der Handelskammer-⸗Sekretär vermuthlich in der Zukunft ein Mann sein müßte, der seine zwei juristischen Prüfungen abgelegt hätte. Auch hier, meine Herren, weiß ich nicht, aus welchem Paragraphen des Gesetzes oder aus welchem Theil der Motive der geehrte Herr Abgeordnete diese Vermuthung schöpft. Das Gegentheil ist auch hier ausgesprochen worden! Es ist ausdrücklich ausgesprochen worden, daß ich es nicht für richtig halten würde, im Gesetz die Qualifikation der Handelskammer⸗Sekretäre vorzuschreiben. Es ist ausdrücklich der Handelskammer die Wahl des Sekretärs überlassen worden, und entgegen dem Vorschlage, den früher der Zentralverband der deutschen Industriellen gestellt hatte, die Handelskammer⸗Sekretäre der Bestätigung der Regierung, der Aufsichts behörde zu unterwerfen, ift dieses Bestätigungsrecht nicht aufgenommen, um den Handels— kammern völlige Freiheit in der Wahl ihrer Sekretäre zu geben.
Meine Herren, die Frage der Wahlabtheilungen möchte ich im gegenwärtigen Augenblick auch nicht näher berühren. Ich will auch hier nur darauf aufmerksam machen, daß das Gesetz den Handels⸗ kammern es überlassen hat, die Wahlabtbeilungen ihrem Interesse gemäß zu gestalten, und daß nur für den Fall, daß eine solche Ge—
staltung nicht zu stande kommt, dann die Bildung zweier Wahl- abtheilungen platzgreifen soll.
Meine Herren, es sind dann Bedenken hervorgehoben worden gegen die Möglichkeit, daß die Handelskammern ihre Mit- glieder mit 1069 der Gewerbesteuer ohne Zustimmung des Ministers besteuern dürfen. Ich halte diese Bestimmung nicht für eine der wesentlichsten; wenigstens ist die Frage, ob hier 109 gegriffen werden sollen oder nicht, eine Sache, über die wir untz, glaube ich, unschwer verständigen.
Der Herr Abg. Kircher, der sich ja sonst in sehr freundlicher Weise ju dem Gesetz geäußert hat, hat es als einen Fehler des Ge⸗ setzes bezeichnet, daß in dem Gesetz nicht die Pflicht der Staats behörden ausgesprochen sei, die Handelskammern über solche Gesetze und Verordnungen, die ihre Interessen betreffen, zu hören. Meine Herren, es lag sehr nahe, diesen Paragraphen genau so zu formu—⸗ lieren, wie er im Landwirthschaftskammergesetz formuliert ist — die Fassung ist genau dieselbe.
Nun, meine Herren, hat besondere Bedenken, besonders auch bei dem Herrn Abg. von Eynern, der 5 22 erweckt. Er hat eine ziemlich be—⸗ ängstigende Schilderung von den Folgen dieser gesetzlichen Bestimmung gemacht; er hat sich unter anderem vorgestellt, daß, wenn der Geheim⸗ Rath“, den er ja vor allen Dingen auf dieser Erde fürchtet (Wider⸗ spruch des Abg. von Eynern) — nicht fürchtet, ich bitte um Ent— schuldigung (Heiterkeit, das ist wohl ein unrichtiger Ausdruck: den er aber für einen der bedenklichsten Persönlichkeiten dieser Erde hält — also wenn ein solcher Geheim⸗-Rath mal eine statistische Arbeit zu machen hat, daß er dann den Handelskammern anbefehlen könnte, ihm dazu das geeignete Material zu schaffen. Das war wenigstens nicht meine Absicht, eine solche Bestimmung in das Gesetz zu bringen. Ich habe den § 22 deshalb aufgenommen, weil die Handelskammern häufig selbst darüber geklagt haben, daß die von ihnen an ihre Mitglieder gerichteten Fragen überhaupt nicht beantwortet werden. Sie halten diesen Zustand für durchaus unerfreulich und haben ihrerseits eine Remedur gewünscht; im übrigen erkläre ich, daß ich diese Bestimmung nicht für eine kapitale halte, und soll te seitens des Abgeordnetenhauses sie für bedenklich und nicht acceptabel gehalten werden, so würde ich mich darin zu finden wissen.
Nun möchte ich nur noch den Schlußworten des Herrn von Eynern einige Schlußworte entgegenstellen. Er hat gesagt: dieses Gesetz ent⸗ spricht der vorhandenen Organisations⸗ und Schablonisierungswuth. Meine Herren, wenn das wirklich so ist, dann theile ich diesen Fehler mit fast allen Handelskammern unserer Monarchie; denn sie alle haben sich, vordem dies Gesetz vorgelegt ist, dahin ausgesprochen, man möge den Handelskammern eine obligatorische Organisation geben, und nachdem dies Gesetz ihnen vorgelegt ist, haben sie sich mit wenigen Ausnahmen durchaus zustimmend ausgesprochen. Also ich habe wenigstens den Trost, daß diese Schablonisierungswuth von den bei diesen Fragen Nächstbetheiligten getheilt wird. Nun, meine Herren, liegt doch die Sache so: Ich habe mir bereits gestattet, darauf hin⸗ zuweisen, daß dies Gesetz einem alten Wunsche von Handel und Industrie entspricht. Für mich liegt die prinzipielle Bedeutung des Gesetzes darin, daß es einen Fortschritt bedeutet in der korporativen Organisation unserer Berufestände, ein Anspruch, der bisher nach meiner Kenntniß der Dinge doch auch von den konser⸗ vativen Parteien erhoben worden ist. Meine Herren, ich finde den Werth einer solchen Organisation erstens darin, daß die Einzel⸗ kräfte zusammengefaßt werden zu einer gemeinsamen Kraftäußerung, die sich durch die zusammengefaßten Kräfte erheblich potenziert. Der Herr Abg. von Eynern hat getadelt, daß den Handelskammern neue Aufgaben zugewiesen worden seien. Ja, meine Herren, darauf lege ich allerdings einen recht erheblichen Werth, und ich möchte nur be— merken, daß doch eine Reihe von Handelskammern ihre Aufgaben recht ernstlich auffassen. Ich will nur an die Handelskammer in Halberstadt erinnern, die jetzt in einer ganz umfassenden Weise den Unterricht der Lehrlinge in die Hand genommen hat. Das ist ein Beispiel, welches, wie ich hoffe, günstig wirken wird, und das zeigt, daß die Zusammenfassung der Kräste in einen größeren Bezirk ganz andere Resultate erzielen kann, als wenn man die Einzelkräfte sich selbst überläßt.
Zweitens finde ich den Werth der korporativen Organisation der Berufsstände darin, daß sie in der Organisatien in ganz anderer Weise in der Lage sind, ihre Interessen der Staatsregierung gegen— über zu vertreten. Kleine Handelskammern, die sich auf den Bezirk kleiner Städte beschränken, mit einem Etat von 500 und 600 , sind keine genügende Interessenvertretung; von einer Geltendmachung ihrer Anschauungen kann nicht die Rede sein. Den Herren, die sich dafür interessieren, würde ich den handgreiflichsten Beweis durch die Vor— legung einiger Berichte führen können; es giebt sogar Handels kammern, von denen überhaupt keine Jahresberichte herausgegeben sind. Meine Herren, darnach glaube ich doch, daß man zugeben muß, daß grundsätzlich die Einrichtung der obligatorischen Handelskammer ein richtiger Gedanke ist. Daß er im gegenwärtigen Augenblick vor die Häuser gebracht wird, liegt daran, daß die Arbeit jetzt fertiggestellt worden ist, und daß es mir allerdings richtig erscheint, nachdem man der Landwirthschaft in den Landwirthschaftskammern eine solche Organisation gegeben hat, nachdem man, wie ich es erwarte, dazu kommen wird, demnächst sie dem Handwerker zu geben, auch Handel und In— dustrie mit gleichem Maße zu messen.
Abg. Dr. Eckels (ul.): Es giebt verschiedene Wege, die Gesetz⸗ entwürfe vorzubereiten. Das Bürgerliche Gesetzbuch ist der Oeffenk—= lichkeit übergeben worden; die Steuerreform ist entstanden, nachdem vorher durch offiziöse Artikel und Broschüren die Stimmung er— forscht worden war; über andere Vorlagen befragt man die Inter⸗ essenten, und zuweilen bereitet man die Vorlagen ganz im Ge— heimen vor und überrascht die erstaunte Welt damit. Das gilt von dem , . Die Befragung der Interessenten
hat der Vorlage zum Heil gereicht. Die Handelskammern sollen obligatorisch sein, aber sie werden eine viel freiere Stellung haben
als die jetzigen. Die je ige Vertretung von Handel und Industrie
giebt ein ganz falsches wirthschaftlicheg Bild, denn auf Rheinland und Weftfalen entfallen von 74 Handelskammern über 40, auf Han⸗ nover 10; die übrigen vertheilen sich auf die andern Provinzen. Die Handelskammern sollen jetzt der Botmäßigkeit des Ministers entjogen und unter das Gesetz gestellt werden. Konflikte zwischen ihnen und der Staatsregierung werden selten sein; aber derartige Konflikte haben wir gehabt, als Fürst Bismarck sein neues Zoll. system einführte; 6 wurden damals unter Zensur gestellt, und da sie sich dagegen auflehnten, wurden sie zwar nicht aufgelöst, aber die Behörden wurden angewiesen, keine Beiträge für sie einzuziehen. Der Minister soll in Zukunft nicht berechtigt sein, in die inneren Angelegenheiten der Kammern einzugreifen; die Schablonisierung wird vermieden dadurch, daß die Regelung vieler Dinge den Statuten überlassen wird, und dazu gehört auch das Wahl⸗
recht, das aktive wie das passive. Die Verpflichtung der Kammern zur Erhebung von Statistiken bat Bedenken erregt.
ie Gewerbetreibenden sind doch keine Polizisten; sie werden nicht solche Fragen stellen, welche lastig werden können füuͤr den Ge— werbetreibenden. Nach der Vorlage und nach den Mollven nimmt der Handels⸗Minister das Recht in Anspruch, die Handelskammerbezirte abzugrenzen; es wird dabei immer Bezug genommen auf die Land wirthschafte kammern. Sonst soll das Werk den Meister loben, hier laben die Meister ihre Werke, und dabei wissen wir noch gar nicht, ob die Landwirthschaftskammern sich bewährt haben. Eine Handelg— kammer für jede Provinz würde nur Volkswirthschaftsräthe mit langen Reden und langen Diner schaffen, arbeiten würde der Handelskammer— Sekretãr. J bitte den Minister, der Kommisston die Etats der einzelnen Handelskammern mitzutheilen. Wenn man alte Handelskammern, die der Bevölkerung lieb geworden sind, auf⸗ heben will, wird man großen Unmuth erregen, wenn man nicht eine gewisse Mittelstraße verfolgt. Daß eine Handelskammer bloß einen Etat von 50 bis 60 Æ hat, habe ich gar nicht gewußt. Dafür kann kaum ein Jahresbericht hergestellt werden. Eine solche Handelskammer hätte keine Berechtigung. Vor der Annexion hatte Hannover 20 Handelskammern; sie haben sich selbst auf 10 reduzirt nach der Einverleibung. Kammern mit großen Bezirken können nur schwer regelmäßig Sitzungen abhalten; aber die mündlichen Besprechungen sind gerade die en Die großen Handelskammern, in denen die, Großhändler überwiegen, haben die Fuͤhlung verloren' mit dem kleinen Geschäft und seinem Interesse. Die Befeitigung der kleineren Handelskammern würde den kleinen Kaufleuten ihre Vertretung ent— ziehen. Die kleinen Kammern haben auch mehr Fühlung mit der Landwirthschaft; diejenige meines Wahlkreises hat sich für die Korn—⸗ zölle ausgesprochen; eine große wird das nicht thun. Bezüglich der alten Korporationen sollte in der Kommission mit möglichster Schonung vorgegangen werden.
Abg. Gothein (fr. Vg): Vor 4 Jahren hat sich die Handelt ⸗ kammer von Barmen noch gegen die obligatorische Einführung der Handelskammern ausgesprochen. Der Zweck des Gesetzes ist die kor= porative Gestaltung der Berufsstände. Die ere , n g? sprach von den Leuten, welche mit der Hornbrille vor den blöden Augen die neue Zeit nicht sehen. Ich kann unter der korporativen Gestaltung mir nichts denken; ich halte das für eine Phrase. Wenn man dit Berufsstände korporativ organisieren will, dann kann man sich nicht bloß auf Landwirthschaft, Handwerk, Handel und Industrie be schränken, dann ist das Nothwendigste eine Organisation der Arbeiter, deren Interessen mehr solidarisch sind als die anderer Berufẽ⸗ stände. Aber dadurch fördert man den Gegensatz zwischen den einzelnen Berufsständen, nicht zum Besten des Staatsgedankene und der sozialen Entwicklung. Darin sehe ich schwere Ge— fahren für die Zukunft. Was man dem einen Stand gewährt, muß auch dem anderen gegeben werden. (Zuruf des Grafen Limburg⸗ Stirum: Die Arbeiter sind kein Stand) Die Industrie und das Handwerk sind auch kein Berufsstand! Die Majorltät der Handels. kammern hat sich allerdings . für obligatorische Kammern erklärt; aber ursprünglich war eine Mehrheit dagegen. Man hat sich nämlich überlegt, daß man dann einzelne Bezirke, die sich jetzt sträuben, in die Handelskammern hineinzwingen könnte. Bie Handelskammer Schweidnitz will die Grafschaft Glatz einbeziehen, die sich dagegen sträubt. Min der Bildung von Handelbkammern würde man schon weiter gekommen sein, wenn der Minister nicht mit Rücksicht auf die bevor= stehende Organisation die Gesuche abgeschlagen hätte. Für die In« dustrie haben wir die großen Berufsbereine; der Kleinhändler bat gar nicht den Wunsch nach einer Handelskammer und nach einer neuen Besteuerung. Die Handelskammer in Oppeln erstreckt sich auf den ganzen Regierungsbezirk; die Geschäfte wickeln sich dort so ab, daß nur wenige Plenarsitzungen stattfinden; das Meiste wird im Wege der Korrespondenz erledigt, und schließlich bekommt der Sekretär den überwiegenden Einfluß. Anerkennungswerth ist, daß den Handels— kammern die juristische Persönlichkeit verliehen werden soll. Für die Abgrenzung der Kammern giebt die Vorlage eine Blanko— vollmacht für den Minister, der keine Wünsche der bestehenden Kammern zu berücksichtigen braucht. Wenn die Handelskammer Breslau erweitert werden sollte durch Hinzuziebung der Grafschaft Glatz, welche nach der Gewerbesteuer ein Fünftel der Mitglieder zahl Breslaus wählen würde, so würden die neuen Mitglieder majorisiert werden und sich gar nicht wohl fühlen; sie würden an der en kaum theilnehmen können. Es wäre bedenklich, in die historische Entwicklung einzugreifen, bloß weil der Etat einer Handels- kammer zu klein ist. Wenn sie gar keinen Bericht erstattet, dann liegt überhaupt kein Interesse für eine solche Kammer vor. Wenn die Handelskammern aufgelöst werden können, was soll dann aus den Handelsgerichten, aus den Börsen und den Sachverständigen werden? Mit dem Wahlrecht hat der Entwurf allerdings dat Richtige getroffen, denn ein einbeitliches Wahlrecht paßt nicht für alle Kammern. In Bezug auf ihre Befragung bleibt es beim Alten; es ist nicht nothwendig, daß sie befragt werden müssen. Die Bestim⸗ mung, daß sie verpflichtet sein sollen, Erhebungen anzustellen, muß gestrichen werden. Es hätte ausgereicht, wenn man am bestehenden Dandeltkammergesetz einige Aenderungen vorgenommen hätte durch Verleihung der juristischen Persönlichkeit und Aenderung des Wahl⸗ rechts. Ein weiteres Bedürfniß liegt nicht vor. Hoffentlich gelingt es, das Fel in diesem Sinne abzuändern. Ich bitte, eine Kommission von 21 Mitgliedern zu wählen, damit meine politischen Freunde auch die Möglichkeit haben, an der Kommission theilzunehmen—
Abg. Böttinger (n) erklärt sich für die Vorlage und bat nur in dem einen Punkte Bedenken, daß eine zu große Zentralisation stattfinden werde. Erfreulich sei es, daß der Minister auf den § 2 über die Erhebungen, welche die Handelskammern anzustellen ver— pflichtet sein sollen, keinen großen Werth lege.
Abg. Noelle (nl): Ich erkenne an, daß die Vorlage manche Besserung bringt, aber ich bezweifele, daß es um dieser Verbesserung willen nothwendig ist, eine neue Organisation zu schaffen. Sedenklich ist, daß der Minister über Bezirk, Sitz und Zahl der Mitglieder der Handelskammern sich die Bestimmung borbehalten hat. Diese Dinge hätte man in das Gesetz aufnehmen müssen. Wo ein Bedürfniß vor⸗ liegt, bestehen jetzt schon Handelskammern. Man spricht von leistungefähigen r,, ,, . In kleineren Bezirken kann der Präsident den Bericht selbst erstatten, der mündliche Meinungaus tausch ist leicht möglich. Bei größeren Bezirken wird der Ninisler einen Bericht erhalten, der nicht direkt den Anschauungen der In⸗ teressenten entsprungen ist, sondern der durch die Anschauungen des Sekretärs beeinflußt ist. In theoretischen und volkswirthschaft⸗ lichen Fragen sollen sich die Handelskammern nicht äußern; dazu sind die Regierung und das Parlament da. Auch für die Bildung der jungen Leute können die kleinen Handelskammern besser sorgen als die großen. Wenn eine Fachschule oder ähnliche Einrichtung für mehrere Handelskammern zusammen errichtet werden soll, dann , . ja mehrere kleinere Handelskammern zusammenthun, nachdem sie die Rechte der juristischen Persönlichkeit erhalten haben. Wenn ie kleineren beseitigt werden, dann müssen die Leute, die Ursprungszeugnifse haben wollen, sich nach dem Sitze der Kammer begeben oder für ein polizeiliches Zeugniß Gebühren und Stempel bezahlen. Durch Zu— sammenlegung mehrerer kleineren Kammern werden Kosten auch nicht erspart werden. .
Abg. Weygrbusch sfr. kons.): Als Vertreter des Industriebenirte Elberfeld und Barmen theile ich doch nicht die Ansichten meines ,, Stengel, vielmehr glaube ich, daß die Vorlage manche
Besserung mit sich bringt.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
zum Deutschen Reichs⸗Anzei
M 99.
Zweite Beilage
Berlin, Sonnabend, den 25. April
ger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
r 2 n
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Abg. von Brockhausen (kons.): Die Konservativen sind Gegner der Vorlage; es kann . werden, ob das bestehende Gesetz einiger Aenderungen bedarf; deshalb soll die Vorlage nicht von , abgelehnt, sondern einer Kommission überwiesen werden. Handel und Industrie sollten, wie in Frankreich, gesondert organisiert werden. Die Handelskammern haben sich gegen die Margarine vorlage und die Zuckersteuer ausgesprochen, und da follen Molkereigenossen. , und, Zuckerfabriken noch Beiträge für die Handelskammern be⸗ sahlen? Die korporatirve Organtsation der Berufsstände fordern wir seit langen Jahren. Für die Arbeiter muß schließlich auch eine Organisation geschaffen werden, aber die Arbeiter als solche sind kein Berufsstand, denn Arbeiter sind wir schließlich Alle.
Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:
Nach den Ausführungen des Herrn Vorredners muß ich allerdings zu meinem Bedauern konstatieren, daß eine Mitwirkung der konser⸗ vativen Partei bei der Ausgestaltung dieses Gesetzes ausgeschlossen ist; denn das, was er in Aussicht gestellt hat, nämlich die Bereit- willigkeit, zu untersuchen, ob bei einzelnen Paragraphen hier und da wohl eine Aenderung des Nebengesetzes nothwendig ist, kann kaum für mich das Ziel sein, das ich bei Vorlegung des Entwurfs verfolgte. Die Bedeutung dieses Gesetzentwurfs liegt, wie ich mir gestattete zu bemerken, nach meiner Auffassung in der korporativen Ausgestaltung von Handel und Gewerbe in obligatorische Handelskammern. Lehnt man diesen Grundgedanken ab, dann lohnt es sich nicht der Mühe, in die Berathung dieses Ge⸗ setzes einzutreten und es in eine Kommission zu verweisen.
Nun möchte ich mir doch noch gestatten, den Herrn Vorredner auf einige Momente aufmerksam zu machen, die ihn vielleicht be⸗ stimmen könnten, von seinen Anschauungen zurückzutreten.
Er hat ausgeführt, daß die geschichtliche Entwickelung der Organi⸗ sation unseres Handels und unserer Industrie zu anderen Resultaten führten als zu denen, die ich mir jetzt gestattet habe Ihnen in dieser Vorlage zu unterbreiten. Er hat sich dabei berufen auf die Organi- sation, die sich — übrigens ja ohne wesentlichen Erfolg — in den Gewerbekammern der einzelnen Provinzen voll⸗ zogen hatte, und auf den Volkswirthschaftsrath. Er hat gesagt: da war Landwirthschaft, da waren Handel und Industrie und Handwerk, jeder einzelne Theil vertreten, und das ist der Weg, der auch hier einzuschlagen ist. Der Herr Vorredner verwe hselt dabei jwei Dinge, die man meines Erachtens bei dieser Frage nicht ver— wechseln darf. Er verwechselt nämlich die Spitze einer solchen Organisation mit dem Unterbau. Die Gewerbekammer bildete in jeder Provinz eine Zusammenfassung der verschiedenen Berufsstände, die hervorgehen sollte aus den Wahlen der landwirth⸗ schaftlichen Vereine, der Handelskammern, der Handwerker. Der Volkswirthschaftsrath war die höhere, die darüber stehende Spitze, bei der auch durch Wahlen der verschiedenen Interessentengruppen die Vertretung stattfinden sollte. Aber die Unterlage der mittleren und höheren Organisation war die Sonder— organisation des einzelnen Berufs. Wie diese für die Landwirthschaft geschehen ist, wie sie für das Handwerk geschaffen werden soll, so will die Vorlage sie auch für Handel und Industrie haben. Hat man den Gedanken, den Sonderorganisationen eine Spitze in einer gemein⸗ samen Vertretung zu geben, so müssen diese für die großen Berufs⸗ jweige als Unterbau zunächst gegeben werden. Die Ausführungen, die der geehrte Herr Vorredner, um mich zu widerlegen, aus den Eisenacher Resolutionen gemacht hat, sind mir nicht recht verständlich gewesen. Er hat verlesen, daß man eine obligatorische Vertretung der wirthschaftlichen Interessen für das ganze Reich wünschte. Das entspricht auch meiner Auffassung, nur daß ich mich auf Preußen beschränkt habe, jetz in Uebereinstimmung mit der Industrie. Er hat ferner zitiert, daß Handel, Fabrikation und Handwerk zur Bildung lokaler Körperschaften herangezogen werden sollen. Das will ich auch, nur mit dem Unterschiede, daß ich das Handwerk nicht hineinziehen will. Auch das wollen heute die Handelskammern nicht, ebenso wenig wie das Handwerk selbst.
Endlich hat er sich auf die Nummer 12 der Eisenacher Reso⸗ lution berufen, worin es heißt:
Die Vertheilung der Mitgliederzabl auf die einzelnen Erwerbs⸗ ruppen hat die höhere Verwaltungsbehörde des Bezirks unter Zuziehung ven Notabeln der verschiedenen Erwerbsgruppen vor⸗ zunehmen.
Dieser Vorschlag geht bezüglich des bureaukratischen Einflusses weiter als die Vorlage. Nach dieser soll die Bildung der Wahlabtheilungen von der Vertretung der Interessenten vorgenommen werden. Ich kann nicht erkennen, worin die Berichtigung meiner Anführungen durch die Zitate des geehrten Herrn Vorredners liegt.
Er sagt dann, man hat sich zu sehr an ein System gehalten, ohne es zu verstehen. Ich weiß nicht recht, was er damit hemeint hat (Heiterkeit linke); vielleicht hat er die Güte, das noch etwas näher zu erläutern. Ich habe mir ein— gebildet, daß ich wenigstens das System, das ich mir gestattet habe vorzuschlagen, verstehe; ja nicht nur das, sondern daß s auch im allgemeinen verständlich ist. Ich habe mir gestattet, den Han li zu machen, daß Handel und Industrie in örtlich abgegrenzten
ezirken zu Interessenvertretungen zusammengefaßt werden sollen. Das Abweichende von dem bisherigen Zustand liegt nur darin, daß bis ietzt diese Bildung der Freiwilligkeit, der Initiative der einzelnen Interessenten überlassen ist, während nach der Vorlage in Ausführung e konservativen Gedankens einer korporativen Berufsgliederung diese Bildungen nicht dem Zufall zu überlassen sind, mit dem sie kommen und gehen, sondern gesetzlich festgelett werden und be— stinmt wird, daß innerhalb bestimmt abgegrenzter Bezirke jedermann, der Handel und Gewerbe treibt, der in das Firmenregister eingetragen ist und Gewerbesteuer zahlt, genöthigt ist, sich an der Interessenvertretung zu betheiligen, wenigstens durch Zahlung eines Beitrags zur Bestreltung der Kosten. Der Kernpunkt der Ausführungen des geehrten Herrn Abgeordneten
ist wohl der, daß er nicht will, daß Handel und Industrie gemeinsam organisiert werden, und er hat auch hierfür — muß ich annehmen — die Bemerkung gemacht, daß die geschichtliche Entwickelung unserer gewerblichen Berufsarten dem widerspräche.
Meine Herren, ich habe mir bereits gestattet zu bemerken: bisher ist Handel und Industrie ständig gemeinsam organisiert gewesen, und wenn dieses Gesetz nicht zu stande kommt, so bleiben Handel und Industrie ständig gemeinsam organisiert; es wird nur der Unterschied eintreten, daß man hier und da gar keine Vertretung hat, daß man an einer Stelle eine sehr schwache und unbedeutende, an einer anderen Stelle wieder eine sehr bedeutende Verttetung hat. Also ob dies Gesetz zu stande kommt oder nicht — es wird an sich an der Sache nichts geändert, daß Handel und Industrie gemeinsam organisiert werden.
Nun, meine Herren, muß ich doch auch sagen: ich halte die Bedenken, die der Herr Abgeordnete in dieser Beziehung äußerte, nicht für zutreffend. Ich habe mir gestattet, schon vorhin darauf hinzuweisen, daß doch Handel und Industrie in örtlich abgegrenzten Bezirken in so naher Berührung stehen, daß ich der Meinung bin: es ist fast unmöglich, sie nicht gemeinsam zu organisieren. Ich glaube sogar, daß es sehr bedenklich wäre, nur den Handel eines Bezirks unter sich zu organi— sieren; Sie würden da sofort auf die große Schwierigkeit der Ver⸗ schiedenheit des Großhandels auf der einen Seite und des Klein⸗ handels auf der andern Seite stoßen, die meines Erachtens unter Um⸗ ständen sehr viel weniger Berührungspunkte untereinander haben als z. B. der Großhandel mit der Grohßindustrie.
Ich glaube, wenn man die Verhältnisse etwas aus der Nähe ansieht, dann wird man doch zu der Ueberzeugung kommen müssen, daß diese absolute Trennung und die Gestaltung einer verschiedenen Interessenvertretung für Handel und Industrie nicht das Richtige ist. Seine Bemerkungen und, wie ich glaube, auch die Bemerkungen des Herrn Abg. Stengel gehen aus der Meinung hervor, daß in unseren jetzigen Kammern der Handel das überwiegende Element ist, und darin sehen die Herren eine bedenkliche Entwickelung der Interessen⸗ vertretung. Sie glauben, daß diese Interessenvertretung, weil der Handel das prädominierende Element sei, sich in Gegensatz setzen könnte zur Landwirthschaft. Darin sieht der Herr Abg. von Brock⸗ hausen wohl die mögliche Schädigung der Landwirthschaft. Die An— schauung, daß in unseren Handelskammern der Handel durchweg oder auch nur in der Hauptsache das dominierende Element sei, ist nicht zutreffend. In den Handelskammern ist die Industrie das stärkere Element. Es giebt ja natürlich Ausnahmen, z. B. hat in unseren großen Seestädten die Sache sich anders gestaltet. In Königsberg, Danzig und Memel ist der Handelsstand ganz überwiegend, darüber dürfen Sie sich nicht wundern; aber schon in Stettin liegt die Sache anders, wo die Industrie von Jahr zu Jahr außerordentlich zunimmt und sich in ihrer Bedeutung jetzt schon gleichwerthig neben den Handels stand setzt. In Magdeburg, wo der Bezirk auf das städtische Gebiet abgegrenzt ist, mag der Handelsstand in der Handelskammer besonders stark vertreten sein. Das ist auch in Breslau der Fall. Nach meiner Auffassung würde dieses vielleicht nicht ganz richtige Verhältniß sich auf Grund des Gesetzes alsbald ändern, weil dann durch Zulegung außerhalb der Städte belegener Gebiete der Industrie, die die Herren ganz besonders in Schutz nehmen, eine Verstärkung zugeführt werden würde. Wenn das Gesetz abgelehnt wird, so bleibt der Handel, wo er die dominierende Stellung hat, in dieser. Wenn die mir vorliegenden Notizen zutreffend sind, befinden sich z. B. in der Handelskammer zu Breslau unter 24 Vertretern 17 dem Handelsstande angehörige. Mit dem Augenblick, wo der Bezirk Breslau erweitert und eine nicht unerhebliche Zahl von Industriellen
zugezogen wird, wird das Verhältniß sich ändern. Ich will selbst⸗!
verständlich in keiner Weise behaupten, daß die Interessenvertretung von Breslau nicht eine den Interessen der Stadt durchaus angemessene sei; aber wenn man darauf ausgeht, die Industrie in der Kammer zu stärken gegenüber dem Handel, so glaube ich, thun Sie besser, sich meinem Vorschlag anzuschließen, als es bei dem augenblicklichen Ver⸗ hältniß zu belassen.
Der Herr Abg. Noelle hat sich sehr lebhaft für das Forthestehen der kleinen Handelskammern ausgesprochen, und dasselbe ist auch geschehen seitens des Herrn Abg. Eckels. Ich kann im großen Ganzen wohl annehmen, daß eine sehr starke Stim— mung im Abgeordnetenhause auch für das Fortbestehen der kleinen Handelskammern vorhanden ist. Wir werden uns darüber in der Kommission unterhalten, in welchem Maße das der Fall sein soll. Ich will nur nochmals betonen, es ist nicht meine Absicht, unnöthig bestehende Verhältnisse zu ändern. Es ist auch von Barmen und Elberfeld gesprochen worden, die bei ihrer bekannten nachbarlichen Freundschaft allerdings keine große Neigung haben würden, sich zu einer Handelskammer zusammenzuschließen. An sich wäre das ganz vernünftig, aber ich erkenne vollständig an: wenn die Interessen⸗ vertretungen sich so abgesondert von einander entwickelt haben, würde es unrichtig sein, sie mit Gewalt zusam menzubringen. Aus diesem Bei⸗ spiel können Sie ersehen, daß es nicht in meiner Intention liegt, hier tabula rasa zu machen. (Zuruf links.) — Ich hoffe viel mehr darauf, daß Barmen und Elberfeld mit der Zeit anderen Sinnes werden, als daß ein Minister kommt, der andere Anschauungen in der Sache hätte.
Der Herr Abg. Noelle hätte gewünscht, daß man die Bezirke der einzelnen Handelskammern gleich im Gesetz abgrenzte. Diesen Weg halte ich kaum für gangbar. Wir würden nicht nur die Handels kammern, die jetzt in Frage kommen, sondern künftig jede einzelne Handelskammer durch Gesetz abgrenzen müssen. Ich halte das für keine Aufgabe der parlamentarischen Körperschaft und würde an— heimgeben, Grundzüge für die Abgrenzung zu finden und in das Gesetz aufzunehmen; aber ich halte es nicht für richtig, jede einzelne Handels⸗ kammer durch Gesetz festzulegen.
Der Herr Abg. Dr. Eckels hat einen Punkt berührt, der ganz gewiß sehr wichtig ist, nämlich die Frage der Vertretung des Detail
handels. Thatsächlich hat der Kleinhandel bis jetzt in der
Handelskammer eine geringe Vertretung gefunden, und es ist auch zutreffend, daß er bisher diese Vertretung nur selten gesucht hat. Der Herr Abg. Gothein beruft sich mit einem gewissen Recht darauf, daß bis dato in Breslau der Wunsch det Kleinhandels bis jetzt noch nicht hervorgetreten sei, in den Handels kammern mitorganisiert zu sein. Nach meiner Auffassung aber ist es allerdings wünschenswerth, daß der Kleinhandel Vertretung in den Handelskammern finde, und auf Grund der Gesesetzesvorlage würde das auch geschehen.
Der Herr Abg. Eckels hat neben dem Wunsch, daß der Detailhandel mehr berücksichtigt werde als bisher, auch den Wunsch ausgesprochen, man möge die alten kaufmännischen Korporationen unter allen Umständen bestehen lassen. Ich mache ihn nur darauf aufmerksam, daß diese beiden Wünsche sich nicht vertragen; eins von beiden muß er aufgeben. Wenn die alten kaufmännischen Korporationen in ihrer jetzigen Ver⸗ fassung bestehen bleiben, so ist eine Vertretung des Detailhandels fast ausgeschlossen. Der Beitritt zu den Korporationen, z. B. in der Stadt Berlin, wo die Frage besonders brennend ist, ist zwar frei⸗ willig; aber er ist an ein so erhebliches Eintrittsgeld und Jahres- beitrag gebunden, daß es für den kleinen Mann ausgeschlossen erscheint, daß er sich freiwillig als Mitglied an den jetzigen Korporationen be- theiligt.
Die wesentlichste Frage, die der Herr Abg. Gothein aufgeworfen hat habe ich bereits berührt. Nur eins will ich erwähnen: er behauptet daß die zustimmenden Aeußerungen, die seitens der Handelskammern zu der Vorlage gemacht worden sind, wesentlich auf persönlichen Momenten beruhen. Meine Herren, da taxiert er die Handelskammern meines Erachtens doch unrichtig; es würde ihm ganz gewiß nicht ge⸗ fallen, wenn man ihm vorwirft, daß er aus persönlichen Momenten, allein aus dem Interesse der von ihm vertretenen Kammer, den Gesetzentwurf angreife. Man könnte ja leicht auf den Gedanken kommen, die Stadt Breslau fühle sich sehr wohl in ihrer Abgrenzung: sie ist eine reiche, in sich abgeschlossene Stadt, in der der Handelsstand das überwiegende Moment ist, und sie fühle sich gestört durch den Gedanken, daß nun durch Einbeziehung von Nachbarkreisen die Gleichartigkeit der Verhältnisse geändert und ein starker Zusatz von Industriellen in die Kammer mit hineingebracht wird. Nach meiner Meinung können solche Erwägungen nicht aus⸗ schlaggebend sein, und sie sind es auch nicht gewesen für diejenigen, die sich für den Gesetzentwurf ausgesprochen haben.
Dann möchte ich, meine Herren, noch kurz, dem Herrn Abg. Eckels folgend, darauf aufmerksam machen, daß doch die Gestaltung des Aufsichtsrechts über die Handelskammern in dem Entwurf eine ganz wesentliche Besserung gegenüber dem bisherigen Zustande dar⸗ stellt. Es ist ja, genau wie in dem Landwirthschaftskammergesetz, dem Minister ein allgemeines Aufsichtsrecht gegeben, und das ist mit Rücksicht darauf, daß es sich in diesem Gesetz um Zwangsorganisationen handelt, meines Erachtens auch unerläßlich. Aber, meine Herren, dieses allgemeine Aufsichtsrecht hat keine Exekutive; nur wenn überhaupt garnichts mehr hilft, kann durch Königliche Verordnung die Handelskammer aufgelöst werden, worauf diese sofort wiedergewählt werden muß, eine Bestimmung, die sich ebenfalls im Landwirthschaftskammergesetz findet; und so wenig man da das Bedenken gehabt habt, daß dadurch große Schwierigkeiten entstehen könnten, gerade so wenig kann man aus dieser Bestimmung hier Bedenken entnehmen.
Im übrigen ist in diesem Gesetzentwurf den Handelskammern eine Bewegungsfreiheit gegeben worden, wie sie sie bisher nicht gehabt haben. Bei allen Bestimmungen habe ich mich bemüht, die Hand der Bureaukratie möglichst von dem Geschäftsgebahren der Handelskammern frei zu halten: sie wählen ihren Vorsitzenden, sie wählen ihre Beamten ohne jede Einwirkung, sie machen ihre Statuten, ihre Wahlabtheilung, ihre Geschäftsordnung, sie entscheiden über die Be—⸗ schwerden, die gegen das Wahlverfahren eingehen, und ähnliche Dinge mehr; sie sind in der Lage, bis zu einem bestimmten Gewerbesteuersatz Abgaben zu erheben, ohne daß die Aufsichtsbehörde
dabei mitzuwirken hat. Kurz, meine Herren, meiner Ansicht nach be—⸗
deutet gerade in dieser Beziehung das Gesetz einen erheblichen Fort— schritt für die Handelskammern.
Ich kann auch nur nochmals wiederholen: ich verstehe nicht, wie man Bedenken für die landwirthschaftlichen Interessen aus diesem Gesetz⸗ entwurf hervorleuchten sehen kann; ich halte es für unrichtig, Handel und Industrie auseinander zu reißen, jedem eine besondere Vertretung zu geben. Nicht nur nach der Art der Geschäftsthätigkeit, sondern auch gerade nach der bisherigen Entwickelung gehören diese beiden gewerblichen Berufsarten zusammen, sie sind zusammen organisiert worden und haben sich in dieser Organisation durchaus wohlbefunden; und ich meine doch, daß man etwas auch auf die Stimmen der Nächst⸗ betheiligten bei dieser Frage hören sollte.
Abg. Mohr (ul.): Ich bin mit der Vorlage im allgemeinen äinverstanden, habe aber Bedenken wegen des S' 33, der von den Korporationen handelt; ich bitte, für das Königliche Kommerzkollegium in Altona eine Ausnahme zu machen.
Abg. Dr. Röepnikowski erklärt sich namens der Polen gegen die Vorlage, da in den kleineren Städten keine Neigung fur Handels. kammern vorhanden sei. Wenn die kleineren Städte mit den größeren zusammengelegt würden für diesen Zweck, dann würden die ersteren doch majorisiert.
Abg. Kirsch SDentr.) hält die Vorlage für überflüssig, wenigstens nach den Verhältnissen in der Rheinprovinz, speziell im Bezirk Düffei⸗ dorf, wo die Handelskammerbezirke ausreichend groß seien. Redner hat serner Bedenken wegen der Bestimmungen über das Wahlrecht und über die Auflösung der Handelskammern.
Damit schließt die Diskussion. Die Vorlage wird einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen.
Schluß 31 Uhr. Nächste 26 Sonnabend 11 Uhr. (Kleinere und hiechnungo vorlagen owie Petitionen.)