1908 / 134 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Jun 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Asien. Das neue persische Kabinett ist nunmehr gebildet worden. Es besteht, „W. T. B.“ zufolge, aus dem Premier⸗ minister und Minister des Innern Muschir Saltaneh, dem Minister des Auswärtigen Alaslasteh, dem Justizminister Mugyid Saltaneh, dem Minister der öffentlichen Arbeiten Mustaschar Dauleh und dem Unterrichtsminister Muschir Dauleh. Das Kriegs⸗, Finanz⸗ und. Handelsministerium bleiben unverändert. 8 8. Der Schah hat, nachdem er die Verhaftung einiger her⸗

voorragender Persönlichkeiten angeordnet hatte, wie ein Londoner

Blatt meldet, Hajibed Dauleh, der der reaäktionären Partei angehört, zum Gouverneur von Teheran ernannt und eine Bekanntmachung erlassen, wonach alle Aufwiegler bestraft werden. Das Parlament bemüht sich, eine Katastrophe abzu⸗ wenden und rät zu einer Versöhnung.

Afrika.

Einer Meldung aus Fes vom 3. d. M. zufolge hat Mulay Hafid Mekines verlassen und befindet sich auf dem Marsch nach Uladdkil und Ulanzier.

Aus Mogador wird, „W. T. B.“ zufolge, vom 5. d. M. h he⸗ daß der Gesandte des Machsen Hadjomar Tazi,

eer am 30. v. M. dort eingetroffen ist, eine Expedition gegen Marrakesch ausrüste, die Muley Boubeker führen soll. Die Zusammenkunft Tazis mit den Anflus hat zu be⸗ friedigenden Ergebnissen geführt. Wie der Admiral Philibert telegraphisch meldet, herrscht in allen Hafenplätzen Ruhe. Dagegen meldet der General Lyautey, daß in Tafilelt sich wieder eine Gärung bemerkbar mache und er Verteidigungsmaßregeln getroffen habe.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

3 In Trier sind, der „Köln. Ztg.“ zufolge, die Holzarbeiter in eine Lohnbewegung eingetreten. 100 Arbriter, die der cheistlichen Gewerkschaft angehören, haben am Sonnabend, weil ihnen die Forde⸗ rung höheren Lohnes nicht bewilligt worden war, das Arbeitsverhältnis gekündigt.

In Mannheim haben, nach demselben Blatte, die vereinigten

Holzindustriellen bekannt gegeben, daß die Aussperrung der Holzarbeiter beendet sei. Eine Versammlung der Holzarbeiter hat die Wiederaufnahme der Arbeit nach dem alten Tarif bis vpen 1909 mit kleinen Lohnerhöhungen, für die nächsten zwet Jahre

beschlossen.

Das Bremer Maurergewerbe schloß, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, einen zweijährigen Tarifvertrag ab, mit 65 Stunden⸗ lohn und neunstündigem Arbeitstag. 8

In Paris wurde, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern morgen der XIX. Internationale Bergarbeiterkongreß, der von 130 Vertretern, darunter 17 deutschen, besucht ist, eröffnet. Der Vor⸗

sittzende des Kongresen, der englische Deputierte Ed ward, betonte, die Arbeiterklasse habe alles zu gewinnen, wenn sie am Frieden fest⸗ halte. Der französische Delegierte Cordier hieh die ausländischen

Vertreter willkommen. Etwa 3000 Mitglieder der Arbeiter⸗ syndikate hielten am 7. d. M. eine Protestversammlung gegen die Vorgänge in Vigneux (vgl. Nr. 133 d. Bl.) ab. Rach Schluß der Versammlung kam es zu heftigen Zusammen⸗

stößen zwischen der Polizei und Teilnehmern der Versamm⸗

luung, bei denen zwölf Polizeibeamte und mehrere Ruhestörer verletzt wurden. Ein Café wurde geplündert. Gegen Mitternacht war die

Ruhe wiederhergestellt. S

Aus Parma wird dem „W. T. B.“ vom 7. d. M. gemeldet:

Ausschüsse der Besitzer und der streikenden Landarbeiter, die

unter dem Vorsitz des Bürgermeisters tagten, beschlossen, den Bürger⸗

meister, die Abgeordneten der Provinz und den Präsidenten der

Deputation des Provinzialrats zu erfuchen, eine Einigungsformel auf⸗

zustellen, die den Parteien zu unterbreiten ist und auf die die Antwort der Parteien bis Freitag erfolgen soll.

Kunst und Wissenschaft.

Im Neuen Museum sind die Säle des Hauptgeschosses, in denen früher die Abgüsse nach Bildwerken der italienischen Renaissance und die deutschen Bildwerke aufgestellt waren, dem allgemeinen Besuch wieder geöffnet worden. Sie enthalten jetzt die Gipsabgüsse der bei den Ausgrabungen des Deutschen Reichs in Olympia gefundenen Bildwerke und was als Dubletten von Originalfundstücken von dort hierhergekommen ist. Diese sehr wichtige Sammlung hat nacheinander im 3 ampo Santo des Doms, in einem Schuppen auf dem Gelände hinter der Säulenhalle der Nationalgalerie, in einem Anbau an einen Getreidespeicher des ehemaligen Packhofes ein verborgenes Dasein geführt und war, nur auf besonderen Wunsch zugänglich, der Masse der Museums⸗ besucher unbekannt. Jetzt zum ersten Male hat sie in den organischen Zusammenhang mit den übrigen Gipsabgüssen antiker Bildwerke ein⸗ gereiht und an einer Stelle untergebracht werden können, wo kein Museumsbesucher an ihr vorbeigehen wird. Auch hier handelt es sich nur um eine vorläufige Aufstellung, bis die geplanten Neubauten wirklich angemessene Räume für diesen hervorragend wichtigen Teil der Abguß⸗ sammlung gebracht haben werden. Eine Ano dnung, die der ursprünglichen Wirkung der großartigen Monumentalskulpturen gerecht würde, ist in den jetzigen Räumen unmöglich, insbesondere tönnen die riesigen hier nicht in ihrem vollen Zusammenhang zur Anschauung gebracht werden. Dafür ist jetzt Gelegenheit zu einer so eengehenden Einzelbetrachtung gegeben, wie sie bei einer auf die Gesamtwirkung ausgehenden Aufstellung nicht zu ermöglichen ist. Dem Mangel wird durch Modelle in verkleinertem Maßstabe einiger⸗ maßen begegnet. 2 Von den berühmtesten in Olympia gefundenen Einzelstatuen, dem Hermes des Praxiteles und der Nike des Paionios, sind außer den Originalabgüssen auch ergänzte Abgüsse aufgestellt, ebenso ein in Originalgröße in bemaltem Gips ausgeführtes Modell, das die Verwendung der in zahlreichen Originalproben ausgestellten Ver⸗ kleidungsstücke aus gebranntem Ton zum Schmuck des Dachgebälks veranschaulicht.

Giebelgruppen

Der antike Brief. In der im Verlage der Gebrüder Paetel in Berlin erscheinenden Zeitschrift „Deutsche Rundschau“ hat Otto Seeck eine dzitracftung über den antiken Brief veröffentlicht, aus der das „Archiv für Post und Telegraphie“ folgendes wiedergibt. Einleitend bemerkt Seeck, daß die Fähigkeit, sich schriftlich unge⸗ zwungen auszudrücken, eine hohe Kunst sei, die nur deshalb gegen⸗ wärtig nicht mehr als Kunst empfunden werde, weil sie unter den Ge⸗ böildeten fast allgemein verbreitet sei, daß aber diese Kunst, ebenso wie 1 e heute den weniger Gebildeten, Dienstboten usw, meist fremd

leibe, auch den ersten geschichtlichen Zeitaltern gänzlich gefehlt habe.

Hierfür bringt er zahlreiche Beispiele aus den uns überlieferten brief⸗ 8 b.n g des dllrer mg. e ältesten uns erhaltenen Briefe tragen, wie Seeck nachweist, 8 deutlich die Spuren jener Zeit, in der die Schrift noch eie nach 81 doch sehr wenig verbreitet war, und in der Mitteilungen an Abwesende daher mündlich bestellt werden mußten. Diese ältesten Briefe stammen von dem berühmten Gesetzgeber Hammurabi, der gegen Ende des dritten Jahrtausends v. Chr. in Babylon herrschte. In ihnen wird zu Anfang der Brief selbst angeredet, als ob er ein menschlicher Bote Hwäre, dem die Bestellung der Königsworte aufgetragen würde, z. B. Zu Sinidinnam sage: Also spricht Hammurabi“. Später

urde

dann allerdings die Anrede an den Brief fortgelassen, doch die Empfindung, daß der Brief der Vertreter einer mündlichen Mitteilung sei, kam noch Jahrtausende hindurch in den Anfangsworten zum Aus⸗ druck. Ein persischer Brief des fünften Jahrhunderts v. Chr., der uns in griechischer Uebersetzung erhalten ist, beginnt noch: „Also spricht König Perxes zu Pausanias“.

Sehr bezeichnend für die Unbeholfenheit des Absenders im schrift⸗ lichen Ausdruck ist der älteste griechische Brief, den wir kennen. Er stammt aus der Zeit der Perserkriege; eine Abschrift von ihm wurde im Nachlasse des Pausanias, des Siegers von Platää, gefunden, als man ihm wegen seiner hochverräterischen Verbindungen mit Perxes den Prozeß gemacht hatte. Seiner Eigenartigkeit halber bringen wir den Brief in der von Seeck gegebenen Uebersetzung wörtlich hier zum Abdruck. Er lautet: „Pausanias, der Führer Spartas, schickt Dir diese (nämlich persische Kriegsgefangene ohne Lösegeld) zurück, um Dir einen Gefallen zu tun, sie mit dem Speere gefangen habend, und ich hege die Meinung, wenn es auch Dir scheint, Deine Tochter zu heiraten und Dir Sparta und das andere Griechenland untertänig zu machen. Dies auszuführen, glaube ich die Macht zu haben, mit Dir Rat pflegend. Wenn Dir nun etwas hiervon gefällt, so schicke einen zuverlässigen Mann an das Meer, durch den wir weiter unsere Reden führen werden.“ Seeck hebt den außerordentlich plumpen Stil dieses Schriftstücks hervor und bemerkt dazu. vergleichend, daß heute Eltern, die einen Brief des kurzen Inhalts erhielten: „Ich hege die Meinung, wenn es auch Ihnen scheint, Ihre Tochter zu heiraten“, wohl ein wenig freundliches Gesicht machen würden. An weiteren Beispielen zeigt Seeck, daß in Sparta der Briefstil, auch in späteren Jahren nicht höher entwickelt war, während man es in Athen um die gleiche Zeit darin erheblich weiter gebracht hatte. In Athen führte die planmäßige Ausbildung der Redekunst in der Mitte des fünften Jahr⸗ hunderts auch zu einer früheren Vervollkommnung der Fähigkeit, sich schriftlich auszudrücken. Ein aus jener Zeit erhaltener Brief eines Atheners, ein Bericht des Feldherrn Nikias über die Belagerung von Syrakus, der die Not des Heeres und ihre Gründe klar und schlicht ohne überflüssigen Wortschwall, aber doch erschöpfend darlegt, beweist deutlich, daß der Schreiber anders mit der Feder umzugehen verstand als ein Spartaner. Der Brief läßt aber anderseits er⸗ kennen, daß sich auch in Athen damals noch keine festen Formen ent⸗ wickelt hatten, die Brief und Rede klar voneinander schieden, denn er enthält im ersten Satze die eingeschobene Anrede: „o Athener“, wie sie in öffentlicher Versammlung von den Rednern gebraucht wurde. Der Brief ist also offenbar der Volksrede nachgebildet.

In einem Punkte, meint Seeck, seien die Alten richtiger verfahren als wir, nämlich darin, daß sie den Namen des Absenders an den Anfang ihrer Briefe setzten, wo er vernünftigerweise auch hingehöre. Wenn man einen Brief von unbekannter Handschrift empfange, so lese man zuerst die Unterschrift; der Inhalt eines Briefes gewinne meist erst seine Bedeuturg, wenn man wisse, von wem er ausgehe. Diesem Bedürfnis habe die Schreibweise der Alten entsprochen, bei der es später allgemein üblich wurde, daß die Anfangsworte zunächst den Absender, dann den Empfänger nannten und beide durch eine Grußformel im Griechischen Tabpeevn, im Lateinischen „salus“ verbanden. Allerdings seien die Alten dafür nicht in der Lage gewesen, den Grad der Fremdheit oder Vertraulich⸗ keit, der kühlen Höflichkeit oder Verehrung usw. schon im Eingang eines Briefes so zum Ausdruck zu bringen, wie dies bei unserem heutigen Briefstile durch die einleitenden Worte, z. B. „Euer Hoch⸗ wohlgeboren“, „Lieber Herr Professor“, „Lieber Otto“, „Mein Herr“, vefrie „Hochverehrter Herr Professor“, „Verehrter Freund“ usw., der Fall sei.

Der Aufsatz enthält weiter Angaben über die äußere Gestalt des antiken Briefes. Die ältesten erhaltenen Briefe stehen auf Tontafeln; die Schrift wurde in den weichen Ton eingedrückt und dann durch Brennen unzerstörbar gemacht. Als Umschlag diente ebenfalls eine Tonhülle, auf der der Absender vor dem Brennen einen Abdruck seines Siegels anbrachte. Die griechischen und römischen Briefe be⸗ standen anfangs aus zwei innen mit Wachs ausgegossenen dünnen Brettchen 3sdIro oder codicilli —, die durch eine Art Scharnier miteinander verbunden waren, sodaß man sie gleich einem Buche zusammen⸗ oder auseinanderklappen konnte. se Schrift wurde mit einem scharfen Griffel in die wächsernen Innenflächen geritzt; sodann wurden die Täfelchen zusammengeklappt und mit einer Schnur umwunden, auf die man in Wachs oder plastischem Ton das Siegel drückte. Diese Täfelchen gewährten aber nur einen sehr beschränkten Raum. Sehr früh schon kam daher daneben die Verwendung des Papyros auf, den man in beliebig lange Streifen schneiden konnte, die dann gerollt und mit einem Faden umschlungen wurden, auf dessen Knoten das Siegel seinen Platz fand.

Hinsichtlich des Inhalts der Briefe belehrt uns Seeck darüber, daß die antiken Briefe sich von den heutigen Briefen namentlich da⸗ durch wesentlich unterschieden haben, daß in ihnen die Erzählung der neuesten Ereignisse, die bei uns den größten Teil des Inhalts zu bilden pflege, nur einen verhältnismäßig geringen Raum einnehme, ja in den meisten Fällen sogar ganz fehle. Dies erklärt er aus der im Altertum üblich gewesenen Verbindung schriftlicher und mündlicher Berichterstattung, die dem Empfänger die mündliche Ueber⸗ lieferung der wichtigsten Neuigkeiten gewährleistete. Eine Post, die jedem Privatmanne zur Verfügung gestanden hätte, war im Altertum nicht vorhanden. Die Ueberbringung der Briefe erfolgte durch besondere oder gelegentliche Boten, durch Freunde, die eine Reise unternahmen usw. Der mündlichen Berichterstattung durch den Ueberbringer wurde dabei eine ganz besondere Bedeutung bei⸗ gemessen. Dafür wird in dem Aussatz als bezeichnendes Beispiel die Ausgestaltung des bekannten römischen cursus publicus ange⸗ führt. Als Augustus zur Herrschaft gelangt war, sorgte er vor allem dafür, auch mit den entferntesten Teilen des weiten römischen Reichs durch schnellen Nachrichtendienst in steter Verbindung zu bleiben. Er errichtete daher an den großen Heerstraßen in kurzer Entfernung voneinander Stationen, an denen bei Tag und Nacht kräftige Läufer bereitstanden, um Briefe an den Kaiser schleunigst zur nächsten Station weiterzubringen. Sehr bald aber wurde diese Art der Beförderung durch eine andere ersetzt. In den Posthäusern wurden statt der menschlichen Läufer Pferde und Maulliere bereit⸗ gehalten, um mit dem Briefe auch den ersten Ueberbringer nach Rom zu befördern. Dies geschah nicht etwa, weil der frühere Post⸗ dienst dem Kaiser zu langsam gewesen wäre, sondern weil er nicht nur den Brief lesen, sondern den Boten, der unmittelbar vom Orte der Ereignisse kam, ausfragen wollte. Lediglich diesem Be⸗ streben nach Vereinigung der schriftlichen mit der mündlichen Bericht⸗ erstattung verdankte daher die erste römische Posteinrichtung mit regel⸗ mäßigem Pferde⸗ usw. Wechsel ihrer Entstehung.

F. seinen weiteren Ausführungen untersucht Seeck ein⸗

fehend die Frage, seit wann und aus welchen Gründen im ltertum Briefe veröffentlicht wurden. Der erste, dessen Briefe gesammelt und durch den Buchhandel verbreitet wurden, ist hier⸗ nach der griechische Philosoph Platon gewesen. Bemerkens⸗ wert ist die von Seeck gegebene Erklärung für die Entstehung dieser Briefsammlung. Platon hatte sich theoretisch viel mit Politik be⸗ schäftigt, in seiner Helmatstadt Athen aber für die Verwirklichung seiner Lehren vom Staate keinen geeigneten Boden gefunden. Durch Vermittlung eines seiner Schüler, Dion, war er dann in späteren Lebensjahren zweimal einem Rufe an den Hof des Tyrannen Dionys II. nach Syrakus gefolgt, ohne daß er jedoch auch dort seine Hoffnung erfüllt sah, politischen Einfluß zu gewinnen. Nach dem Sturze des Tyrannen konnte sich Platon zu einer dritten Reif nach Syrakus nicht entschließen und beschränkte sich darauf, seinen Freunden brieflich Ratschläge zu erteilen. Die Rolle, die der Philosoph am Tvrannenhofe gespielt hatte, war wenig ruhmvoll gewesen und hatte zu manchen Mißdeutungen Veranlassung gegeben. Anscheinend zu seiner eigenen Rechtfertigung hat daher Platon gegen die Sitte der Zeit von, allen seinen Briefen an den Tyrannen und die späteren Machthaber von Syrakus Abschriften zurückbehalten. Die Zahl dieser in seinem Nachlasse vorgefundenen Briefe genügte, nachdem man sie durch einige minder 8 ve dücg Freunden 1 Briefe ve r

um ein

Buch, wenn auch nur ein sehr kleines, zu füllen. So entstand die erste Briefsammlung, die wir kennen, durch ganz besondere Umstände. Damit aber war der Brief in die eigentliche Literatur eingeführt, und der große Reiz dieser Sammlung bewirkte, daß ihr bald andere folgten. Der nächste, von dem uns eine Briefsammlung erhalten ist, war der Philosoph Epikur, der seine Lehren durch Briefe verbreitete, die er wahrscheinlich später selbst herausgegeben hat. Zu der Gattung der Lehrbriefe gehören aus späterer Zeit nament⸗ lich die Briefe des Seneca und vor allen anderen die Episteln des Paulus und seiner Genossen im Apostelamte. Bei den Römern wird schon von dem alten Cato eine epistula ad filium erwähnt. Doch scheint dies eine kleine Abhandlung gewesen zu sein, die nur nach dem Muster Epikurs in Form eines Briefes gekleidet war. Eine Sammlung wirklicher Briefe wurde zuerst am Ende des zweiten Jahr⸗ hunderts v. Chr. veröffentlicht, und zwar rühren diese von einer Frau, Cornelia, der Mutter der Gracchen, her. Von Cicero hat man nach seinem Tode fast jeden Zettel gesammelt und herausgegeben. Später wurden außer Lehrbriefen und poetischen Episteln häufig auch andere Briefe von vornherein in der Absicht der späteren Veröffentlichung geschrieben. Der erste, dem dies nachgewiesen werden kann, ist nach Seeck der jüngere Plinius gewesen, der seine Briefe selbst herausgab⸗ Jeder einzelne Brief ist so geschrieben, daß er stets nur einen Gegen⸗ stand behbandelt und ein wohlabgerundetes, sorgsam gefeiltes Kunst⸗ werk darstellt. Aber man muß dem Verfasser des Aufsatzes wohl darin beistimmen, daß der Wert dieser Briefe gerade durch die Tat⸗ sache verliert, daß sie in der Absicht der späteren Veröffent ichung ge⸗ schrieben wurden. Als Beispiel führt Seeck einen Brief an, den Plinius an seine dritte Frau geschrieben hat, wobei er in wohlgesetzten Worten „der unglaublichen Sehnsucht, von der er besessen sei“, Aus⸗ druck verleiht und stilistisch vollendete Betrachtungen über die Gründe dieser Sehnsucht anstellt. Seeck sagt mit Recht, daß dieser Ausdruck glühender Gattenliebe, so hübsch er ja an sich sei, uns frostig anmuten müsse, wenn wir bedächten, daß er von dem feurigen Liebhaber nicht nur selbst veröffeatlicht worden, sondern schon bei der Niederschrift für die Veröffentlichung bestimmt gewesen sei.

Die Gewohnheit, Briefe zum Zwecke späterer Veröffentlichung zu schreiben, die die ganze Folgezeit beherrschte, führte schließlich zu

immer Heuchelei und machte den Briefstil unnötig wortreich,

schwülstig und unklar. Im letzten Teile seiner Abhandlung weist Seeck nach, daß diese im Briefstile zur Gewohnheit gewordene gezierte Künstelei einen unhellvollen Einfluß auch auf die Form der Gesetz⸗ gebung ausübte, in der an Stelle der früheren schlichten Klarheit allmählich ein Gebilde wortreicher, aber oft halb unverständlicher Redewendungen trat.

Der Aufsatz Seecks beansprucht, wie der vorstehende kurze Aus⸗ zug dartut, lebhaftes Interesse und Geschichte des Briefes im Altertum.

ist ein wertvoller Beitrag zur

1b Buanuwesen. 8 Zur Erlangung von Entwurfsskizten für eine Fried⸗ hofskapelle in Flensburg wird unter be in der Provinz Schleswig⸗Holstein, e und Lübeck wohnhaften sowie den in Schleswig⸗Holstein geborenen Architekten ein Wetibewerb ausgeschrieben. An Preisen sind ausgesetzt 500, 400 und 300 ℳ. Der Erwerb weiterer Entwürfe für je 200 ist in Aussicht genommen. Die Entwürfe müssen bis zum 15. Juli d. J. an das städtische Hochbau⸗ amt in Flensburg verschlossen eingesandt sein. Die Unterlagen sind von dort gegen postfreie Einsendung von 3 zu beziehen, die bei Einreichung der Entwürfe zurückerstattet werden.

Technik.

Dem Bericht des Verwaltungsrats des Bayerischen Ge⸗ werbemuseums für das Jahr 1907 ist zu entnehmen, daß Ausgaben im Betrage von 253 425,61 246 838,64 Einnahmen gegenüber⸗ standen, sodaß sich ein Fehlbetrag von 6586,97 ergab. Das Rein⸗ vermögen belief sich Ende d. J. 1907 auf 1 520 010,93 und hat sich in diesem Jahre um 19 436,14 vermehrt. Von Wichtigkeit für das Museum war die Entscheidung des vorgeordneten Ministeriums, nach der das Gewerbemuseum im Verein mit Vertretern der acht bayerischen Handwerkskammern die Oberaufsicht über die mit Staats⸗ mitteln durchgeführten gewerblichen Meisterkurse führen soll. Das Mu⸗ seum hat beschlossen, an einzelnen Orten Nebenstellen zu errichten, die den Gewerbetreibenden des betreffenden Kreises die Ausnutzung der Ein⸗ richtungen des Museums erleichtern sollen. Als erste Nebenstelle wurde Landshut ausersehen. Die mechanisch⸗ technische Abteilung wurde in erhöhtem Maße in Anspruch genommen. Die Gesamtzahl der im Berichtsjahr erledigten Aufträge betrug 4931. Von der Material⸗ prüfungzanstalt wurden 205 Prüfungszeugnisse ausgestellt, die ch auf die Untersuchung von 1511 Probekörpern bezogen. Um den Au gaben der Anstalt besser gerecht werden zu können, wurde der Bestand der Prü⸗ fungsmaschinen und Apparate bedeutend vermehrt. Mit der Umregi⸗ strierung der deutschen Patentschriften, nach der vom Kaiserlichen Patent⸗ amt erfolgten Gruppeneinteilung wurde begonnen. Die elektro⸗ technische Abteilung erledigte im Berichtsjahr: 342 amtliche Zählerprüfungen, 54 Untersuchungen, 71 Gutachten für Behörden, 39 für Private, 51 Revisionen, 18 öffentliche und Lehrvorträge, 2629 Auskünfte und allgemeine Arbeiten, 67 Reisen und Besuche von Etablissements, insgesamt 3271 Arbeitsnummern. Die chemisch⸗technische „Abteilung erledigte 3934 Arbeits⸗ nummern; diese verteiten sich auf 1434 Analysen, 299 Versuche, 1105 Auskünfte, 891 Gutachten, 36 Fabrikbesichtigungen, Probe⸗ nahmen und Termine und 169 Vorträge und Unterrichtsstunden. Die Versuchsanstalt für Bierbrauerei erledigte 7177 Arbeits⸗ nummern, die sich verteilen auf 5833 Analysen, 530 Instrumenten. prüfungen, 162 Lieferungen von Reinhefe, 19 Lieferungen von Hausenblaselösung, 44 Lieferungen von Jodlösung, 283 Ratserteilungen, 0 Prüfungen von Sudhaus⸗ und Kellerplänen, 245 Mälzerei⸗ und Brauereibesuche, 35 Zertifikate über Bierausfuhr, 2 Her⸗ stellungen von Ausbeutetabellen und 4 Hessteungen von Febesea. Die Mitgliederzahl der Versuchsanstalt belief

ch auf 2316 am Anfang und auf 2274 am Ende des Jahres 1907. Die Mustersammlung konnte um 35 Inventarnummern vergrößert werden und 1S deren 9000. Die Bibliothek umfaßte bei 341 Zugängen 9078 Nummern. Das Zeichenbureau erledigte 137 Aufträge, in deren Erledigung 281 Blatt Entwürfe und 354 Blatt Werkzeichnungen hergestellt wurden. In den Zeichensälen wurde in 176 Stunden Unterricht an 41 Personen erkeilt. Bei den Meisterkursen für Schreiner, Schlosser, Maler und Lackterer wurde der Fachzeichenunterricht durch Beamte des Zeichenbureaus erteilt und zum Teil auch die praktischen Uebungen geleitet in zu⸗ sammen 400 Stunden. Die Zeichensäle wurden von 3773 ajasen benutzt. Um die Medaillen der König Ludwigs⸗Preissfiftung bewarben sich 6 Aussteller. Es wurden 1 silberne und 3 bronzene Medaillen vergeben; die goldene gelangte nicht zur Vergebung. Der kunstgewerbliche Meisterkurs wurde von 12 Teilnehmern besucht, die Meisterkurse für H

aandwerkern und 81 Gehilfen; atte 31 Teilnehmer.

andwerker von 16 selbständigen der Blitzableiterlehrkursus

Theater und Mufik.

Neues Königliches Operntheater.

Die Gäste von der russischen Hof⸗Oper brachten am Pfingst⸗ sonnabend die Oper „Russalka“ (Die Wassernixe) von Dargo⸗ mischsky, Text von Puschkin, zum ersten Male zur Aufführung. Das Werk hinterließ, trotzdem ihm Sangbarkeit und eine ungesuchte, de chfliehende Melodik nachgerühmt werden müssen, keinen tieferen Eindruck, was weniger in den ungleichen Leistungen der Darsteller, als in der Oper selbs zu suchen ist. Der „Russalka“ fehlt es an dramatischem Leben, die Handlung ist für vier Akte zu dürftig und die Musik nicht charakteristisch und vertieft genug, um die textlich leeren Stellen auszufüllen. Wenn wir im ersten Akt schon den Treubruch des Fürsten an seiner Geliebten, der Müllerstochter