1887 / 62 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 14 Mar 1887 18:00:01 GMT) scan diff

8 * —4 *

a.

EEEE.u“

EEEEEb—

ee— ge.

EE““

* 8

ö

7 ¹ 87 4 4

e*

Haus zu Haus der Schneemassen halber verhindert war. An⸗ fangs wurden die Schulkinder von den Vätern auf dem Rücken ins Schulhaus getragen bezw. aus demselben abgeholt. Schließlich ging aber auch das nicht mehr und der Unterricht fiel aus, weil die Kinder fehlten. Die Bewohner der einzelnen Häuser waren vollkommen auf sich selbst angewiesen. Auch in den rechts der Saale gelegenen Dörfern Doboreuth und Götten⸗ grün soll der Schnee einen ähnlichen Nothstand veranlaßt haben.“

In Thüringen finden wir eine Zone, welche mehr als 1 m mittlerer Schneehöhe aufweist. Dieselbe wird nach Nord begrenzt durch eine Linie, welche von der Gegend südlich von Altenburg ausgehend in westlicher Richtung an die Saale herantritt (Wetzdorf 102 cm), von dort aus dem Laufe der Saale folgt (Saalfeld 150 cm) und den Thüringer Wald fast in seiner ganzen Ausdehnung umfaßt. Bis in die Nähe von Erfurt hatte die Schneedecke 1m Höhe, auf dem Bahnhofe wurde thatsächlich 1 m gemessen, auf dem Inselsberg 150 cm, in Oberhof 100, in Neustadt am Rennstiege 106, in Groß⸗ breitenbach 100, in Katzhütte 100, in Scheibe, nahe dem Kamm des Gebirges gelegen, 163 cm, in Neuhaus am Rennstieg 100 -cm. Aber auch in dem südlichen Vorlande des Gebirges wurde die Höhe von 1 m gemessen, wie in Eisfeld. Im Harz⸗ gebirge erreichten weder der Brocken (90 cm), noch die um⸗ liegenden Stationen die Höhe von 1 m, obwohl die ermittelten Werthe von Scharfenstein (80 cm), Schierke (70 cm), Brau⸗ lage (74 cm), Klausthal (90 cm), Harzburg (88 cm), Wieda (70 cm), Hohegeiß (70 cm), Tanne (80 cm), Hasselfelde (75 cm), Allrode (75 cm) wenig hinter 1;m zurück blieben. Allein an der östlichen Abdachung des Gebirges wurde 1 m überschritten (Horbeck 116 cm), oder erreicht (Kloster Mansfeld 100 em) Vom Riesengebirge meldete die Schneekoppe zwar eine Schnee⸗ höhe von 2m, Kirche Wang indeß nur 97 em, Schreiberhau 75 em; aus dem Glatzergebirge liegt nur vom Glatzer Schneeberge eine Meldung von 1 m vor, Landeck hatte 80 cm.

Diese Zonen größter Schneehöhe, von welchen ein großer Theil, weil im hohen Gebirge gelegen, weniger für Eisenbahn⸗ Verkehrsstörungen, als für Behinderung des Lokalverkehrs in Frage kommt, waren nun allenthalben von Gegenden nur wenig geringeren Schneefalls umgeben. Nehmen wir als obere Grenze 100, als untere 50 cm an, so finden wir derartige Schneehöhen in folgenden Gebieten: Das ganze Thüringer Becken bis zur Unstrut und Ilm, der Südrand des Thüringer Waldes bis zur Werra, das Rhön⸗Gebirge, die Halle⸗Leipziger Tieflands⸗ bucht, die Gegend der Hainleite und Finne, das ganze Harz⸗ gebirge, der Elm und seine Umgebung; ferner die Niederungen der oberen Mulde, Elbe und Schwarzen Elster, der Fläming, die Nieder⸗Lausitz, Nieder⸗Schlesiet bis zur Oder; auch in der Eifel lag über 50 cm Schnee. Eine Decke von 25 —50 cm lag in dem östlichen Theile der Rheinprovinz und dem Groß— herzogthum Hessen, dem südlichen Werrathale, im Herzogthum Sachsen⸗Coburg, dem Eichsfelde, dem Fürstenthum Lippe, der Leine⸗ und Unstrut⸗Niederung, der Goldenen Aue, der Thüringer Grenzplatte, der Halberstädter Niederung und Börde, im Herzogthum Anhalt, der südöstlichen Altmark, Prignitz, Havel⸗ und Spree⸗Niederung, mittleren’ Oder Niederung, östlichen Uckermark, Warthe⸗ und Netze⸗Niederung, Nieder⸗Schlesien östlich von der Oder und Ober⸗Schlesien.

Von 25 bis 10 cm Schneehöhe fand sich im größeren Theile der Rheinprovinz, der Provinzen Hessen und Westfalen, dem Großherzogthum Oldenburg, Herzogthum Braunschweig, mittleren Altmark, unteren Elbniederung, Großherzogthum Mecklenburg, Schleswig⸗Holstein, der Provinz Brandenburg, Vorpommern, der Küste von Hinterpommern und West⸗ und Ostpreußen.

Unter 10 cm Schneehöhe fanden wir in einem Streifen der Rheinprovinz und Westfalens zwischen Aachen, Köln und Münster, im größten Theile der Provinz Hannover, im süd⸗ lichen und westlichen Holstein, in Mecklenburg⸗Strelitz, Hinter⸗ pommern, Westpreußen, Posen und dem südlichen Theile von Ostpreußen.

Gänzlich schneefrei war kein

Monarchie geblieben. Nehmen wir 25 em als Grenze zwischen einer starken und einer mäßigen Schneedecke an, so finden wir diese Grenze, abgesehen von kleineren Abweichungen, von der Gegend bei Trier her nach Nordost bis nach der Uckermark und von dort nach Südost bis nach Ober⸗Schlesien bei Oppeln verlaufen; südlich von dieser Linie lag eine starke bis sehr starke, nördlich derselben eine nur mäßige bis schwache Schneedecke.

Wie aus den weiter oben mitgetheilten Niederschlagsmengen hervorgeht, gehörte das Königreich Sachsen, sast ganz Südwest⸗ Deutschland, ein Theil von Böhmen und Nieder-Oesterreich zu dem Gebiet mit starker Schneedecke.

Versucht man eine ungefähre Schätzung der über Deutsch⸗ land in jenen 3 Tagen ausgeschütteten Schneemassen, indem man für das oben umrandete Gebiet starken und sehr starken Schneefalls im Mittel eine Menge von 30 mm Niederschlag, entsprechend 30 cm Schneehöhe, für das Gebiet mäßigen und schwachen Schneefalls eine solche von 10 mm annimmt, was den thatsächlichen Verhältnissen ziemlich nahe kommen dürfte, so wird man folgendermaßen zu rechnen haben: 1 mm Nieder⸗ schlag giebt auf 1 gm eine Wassermenge von 1 kg Gewicht, 1 qkm demnach eine solche von 1 Million Kilogramm gleich 20 000 Centnern; bei 30 mm Niederschlag würden also 30 Millionen Kilogramm = 600 000 Centner auf 1 qkm entfallen. Nehmen wir das Gebiet mit 30 mm auf ungefähr die Hälfte des Deutschen Reichs und gleich 300 000 qkm an, so würden wir eine Wassermenge von 180 Tausend Millionen Centnern für das Gebiet starken Schneefalls und 60 Tausend Millionen Centnern für dasjenige schwachen Schneefalls, im Ganzen also 240 Tausend Millionen Centner Wasser auf ganz Deutschland erhalten. Man bezeichnet in der Physik diejenige Wärmemenge, welche erforderlich ist, um 1 kg Wasser von 0 Grad auf 1 Grad zu erwärmen, als eine Wärme⸗Einheit. Zur Schmelzung von Eis, d. h. Verwandlung desselben in Wasser von 0 Grad, sind aber 80 Wärme⸗Einheiten erforderlich, daher beansprucht die Schmelzung eines Kilogramms Eis (oder Schnee) 80 Wärme⸗ Einheiten. So würden, um die über Deutschland gefallene Schneemenge von 240 Tausend Millionen Centnern, gleich 12 Billionen Kilogramm, zu schmelzen, 960 Billionen Wärme⸗ Einheiten nöthig sein.

Eine noch deutlicher in die Augen springende Vorstellung von der gewaltigen Wärmemenge, welche zur Schmelzung des gefallenen Schnees verbraucht wird, erhält man aus folgender Ueberlegung.

1 kg Steinkohle erzeugt beim Verbrennen eine Wärme⸗ menge von ca. 8000 Wärme⸗Ejnheiten, d. h. man könnte 80001 (kg) Wasser mit demselben von 0 Grad auf 1 Grad C. erwärmen. Demnach würden jene 960 Billionen Wärme⸗

Theil der preußischen

Einheiten, welche wir als zur Schmelzung nothwendig ge⸗ funden haben, durch 120 Tausend Millionen Kilogramm oder 2400 Millionen Centner Steinkohlen erzeugt werden können. Den jährlichen Verbrauch an Steinkoylen in England hat man auf ca. 1200 Millionen Centner berechnet und demnach würde man mit der für die Schmelzung des Schnees noth⸗ wendigen Kohlenmenge ganz England auf 2 Jahre versorgen können. Da ferner 1 chm Steinkohle rund 900 kg wiegt, würde dieses Quantum über 133 Millionen Kubikmeter, oder einen Berg von 1 km Grundfläche und 143 m Höhe darstellen; in einer Höhe von 1m ausgebreitet, würde es eine Fläche von 115 qkm bedecken. Würde man diese Kohlenmenge in ööö von 200 Centnern Inhalt, wie gebräuchlich, verladen, so würden hierzu deren über 12 Millionen erforderlich sein, und der aus diesen zusammengestellte Eisenbahnzug würde eine Länge von 1732 km haben, d. h. von Memel bis nach Nizza reichen.

Die Folgen des Schneefalles.

Unter den direkten Folgen des gewaltigen Schneefalles stehen im allgemeinen Interesse obenan die außerordentlichen Störungen des Verkehrs, besonders des Eisenbahnverkehrs.

Dieselben wurden in der Weise ermittelt, daß den sämmt⸗ lichen unter der Verwaltung des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten stehenden Eisenbahn⸗Direktionen der preußischen Monarchie durch Se. Excellenz den Herrn Minister ein Frage⸗ bogen zur Ausfüllung zugesandt wurde, auf welchem 1) die Zahl der innerhalb der Tage vom 19. bis 24. Dezember im Schnee stecken gebliebenen Bahnzüge, 2) der Ort des Stecken⸗ bleibens zu nennen, 3) die Fragen, ob die Störung auf freiem Felde oder in einem Einschnitte eingetreten sei, und 4) welches die Höhe des Schnees an der Störungsstelle ge⸗ wesen sei, zu beantworten waren.

Hierauf liefen bis zum 5. Februar von 64 Direktionen Berichte ein, welche das dem Folgenden zu Grunde liegende thatsächliche Material lieferten.

In 36 Direktionsbezirken waren überhaupt keine, oder nur unerhebliche Verkehrsstörungen durch den Schneefall ein⸗ getreten, besonders war eine völlige Unterbrechung des Zug⸗ laufes durch Steckenbleiben von Zügen nicht vorgekommen.

Dieselben sind folgende:

Hollandsche Yzeren Spoorweg⸗Maatschappij, Nordbrabant⸗ Deutsche Eisenbahn, Niederländische Bahnen, Grand Central Belge Aachen⸗Mastricht, Dortmund⸗Gronau⸗Enschede, Bröl⸗ thaler Eisenbahn⸗Gesellschaft, Eisern⸗Siegen, Kerkerbachbahn (bei Limburg a. d. Lahn), Georgs⸗Marienhütter Bahn (bei Osnabrück). Ferner die Hoyaer Bahn, Direktion Hannover, Harburg⸗Kuxhaven (Unterelbische Bahn), Altona⸗ Kalten⸗ kirchen, Direktion Altona, Lübeck⸗Büchen, Westholsteinische Eisenbahn, Flensburg⸗Kappeln, Schleswig⸗Angeln, Holsteinische Marschbahn, Kiel⸗Eckernförde; ferner Stendal⸗Tangermünde, Wittenberge⸗Perleberg, Prignitzer Eisenbahn, Paulinenaue⸗ Neuruppin, Berliner Stadt⸗ und Ringbahn, Berlin⸗Stettin, Stralsund-Stettin, Altdamm⸗Kolberg, Stargard⸗Küstrin und Glasow⸗Berlinchen, Guben, Direktion Bromberg, Ostpreußische Südbahn, Danzig-Warschau, Königsberg⸗Kranz.

Außer diesen, dem bloßen geographischen Augenschein nach der norddeutschen Tiefebene angehörigen Eisenbahnen blieben ganz vereinzelt noch zwei kleine Bahnen mitten im Gebiet stärkster Störungen frei, die Nebenlinie der Werra⸗ bahn Wernshausen —Schmalkalden und die am Nordrande des Harzes verlaufende Bahn Osterwiek —Wasserleben.

Aus den übrigen 28 Direktionsbezirken, aus welchen Berichte eingegangen sind, wurden im Ganzen 334 Züge und Lokomotiven als im Schnee kürzere oder längere Zeit stecken geblieben gemeldet.

Die folgende Tabelle giebt einen Ueberblick über die im Betrieb gestörten Strecken, nach den zuständigen Direktions⸗ Bezirken geordnet. Die erste Spalte enthält den Direktions⸗ Bezirk, die zweite den Namen der Strecke, die dritte die Anzahl der auf derselben stecken gebliebenen Züge, die vierte die Höhe des Schnees an der Störungsstelle. Die Bezirke sind von West nach Ost angeordnet. Eine Wiedergabe der Störungs⸗ stelle selbst mußte aus Rücksichten auf den Umfang dieser Arbeit unterlassen werden, ebenso die äußerst lehrreiche kartographische Darstellung derselben.

Tabelle derjenigen Eisenbahnstrecken, an welchen in den Tagen vom 20. bis 24. Dezember 1886 Eisen⸗ bahnzüge im Schnee stecken geblieben sind.

Schnee⸗ höhe

in cm.

üge.

Direktions⸗ bezirk.

8 56]

Strecke.

Anzahl

8 U

I. Westliches Preußen.

Aachen⸗Jülich Würselen⸗Stolberg

Linksrheinische Kgl. Eisen⸗ bahn

80 160

Stolberg⸗Alsdorf . 8 Gerolstein⸗Bleialf 8 110

8 Vettweiß⸗Zülpich 50 Rechtsrhein. Kgl. Eisen⸗ bahn

Frankfurt a. Main

50 100 20 150 240 100 170 80 100

Gießen⸗Wetzlar Westerburg⸗Langenhahn Sulzbach⸗Soden Höchst⸗Sulzbach Weißkirchen⸗Rödelheim Homburg⸗Oberursel Mühlheim⸗Offenbach Bebra⸗Hersfeld Sontra⸗Kornberg Roßla⸗Nordhausen Wel hausen⸗Roßla 8 Teutschenthal⸗Oberröblingen Obhausen⸗Querfurt Oberröblingen Eisleben Sangerhausen⸗Riestedt Mainz⸗Worms Mainz⸗Alzey Mainz⸗Frankfurt a. M. Mainz⸗Aschaffenburg Frankfurt⸗Aschaffenburg Frankfurt⸗Limburg Frankfurt⸗Eberbach Darmstadt⸗Wiebelsbach Worms⸗Alzey⸗Bingen Arnsheim⸗Flonheim Worms⸗Mannheim Rosengarten⸗Bensheim Worms⸗Darmstadt Großherzgl. Oberhessische Eisenbahn Großenlinden⸗Fulda Rhene⸗Diemelthal 8 Warstein⸗Lippstadt 1

50 100 100 200

boO+¼ndö—9——9-ðͦ9 —ʒ ß§—N————-'

60 100 100

80 120

50 150

70 200 100 130 125

90 150 100 130

8

—SSSSrcet

120 150

—,— bo

50 70

50

1“

30 90

Direktions⸗ bezirk.

Anzahl der Züge.

II. Mittleres Preußen.

Braunschweiger Landes⸗ Eisenbahn Halberstadt⸗Blankenburg 8 1 13 Magdeburg Staßfurt⸗Blumenberg Blumenberg⸗Eilsleben Magdeburg⸗Schöningen Eilsleben⸗Helmstedt Sangerhausen⸗Erfurt Magdeburg⸗Leipzig Magdeburg⸗Halberstadt Halle⸗Vienenburg Frose⸗Ballenstedt Wegeleben⸗Thale Heudeber⸗Wernigerode⸗Ilsen⸗ burg Vienenburg⸗Goslar⸗Neue⸗ krug Magdeburg⸗Wolmirstedt Braunschweig⸗Helmstedt Börssum⸗Holzminden Seesen⸗Gittelde

100 10— 50—

10022

ScbeoSto Sto —cehmeoe

120‿

Nordhausen⸗Erfurt 8 Erfurt Berlin⸗Halle Bitterfeld⸗Leipzig Jüterbog⸗Röderau Zerbst⸗Bitterfeld Wilttenberg⸗Köthen Wittenberg⸗Falkenberg Falkenberg⸗Kohlfurt Halle⸗Guben Kottbus⸗Sorau Halle⸗Weißenfels Leipzig⸗Korbetha Weißenfels⸗Zeitz⸗Gera⸗ Probstzella Weißenfels⸗Neudietendorf Neudietendorf⸗Ritschen⸗

hauser

Steo Sco-hür-ehch Snhdbee

8

—⁸α½

Altenburg⸗Zeitz Eisenberg⸗Krossen Dahme⸗Uckro Militär⸗Eisenbahn 8 Berlin⸗Sommerfeld 1 Berlin⸗Dresden Berlin⸗Görlitz Weißwasser⸗Muskau Lübbenau⸗Kamenz Kottbus⸗Großenhain Ruhland⸗Lauchhammer

20 ,—ISortotoresen

III. Oestliches Preußen.

Breslau⸗Sommerfel Königszelt⸗Halbstadt Raudten⸗Königszelt Posen⸗Kreuzburg Hansdorf⸗Lissa Breslau⸗Posen Trachenberg⸗Herrnstadt Czempin⸗Schrimm Breslau Oswiecim Breslau⸗Stettin Hundsfeld⸗Trebnitz Breslau⸗Tarnowitz

Summa 33

Mittlere Schneehöhe an der Stelle der Betriebsstörung 110 ag

Die Tabelle ergiebt als Haupt-⸗Resultat, daß Eisenban züge ausschließlich in folgenden Gebieten stecken geblieben sir Im äußersten Westen der preußischen Monarchie in einn von Nord nach Süd erstreckten Gebiete an der niederländiste

Grenze zwischen Aachen bis in die Nähe von Trier. in einem Theile des südlichen Westfalen und dem 7 thum Waldeck sowie zwischen Gießen und Wetzlar.

ordentlich zahlreich waren ferner die Störungen am Taums

15

und Odenwald, sowie zwischen Kaiserslautern und Fran

am Main, dem Gebiete der Hessischen Ludwigsbahn. Die Nerd grenze der Betriebsstörungen verläuft weiter von Frankfurt a.2 durch Oberhessen, an der Fulda entlang bis Bebra, biegt de

nach Ost um bis in die Nähe von Langensalza, das Eichsfes und die Leine⸗Niederung umgehend in nordwestlicher Richtun

bis an das Westvorland des Harzes, von Hildesheim Braunschweig,

schlesien bis zur Linie von Neisse⸗Oppeln freilassend.

In diesem großen, einen Flächenraum von ca. 90000 r.

umfassenden Gebiet bewirkten die Schneefälle eine allgemeine Unterbrechung des Eisenbahnverkehrs.

Berechnet man aus den mitgetheilten Schneehöhen, wels am Orte der Verkehrs⸗Unterbrechung gefunden wurden,; mittlere Höhe der Schneedecke, welche das Steckenbleiben re Zügen herbeiführte, so finden wir als solche den Werth is

110 cm und ersehen hieraus, wie gewaltig die dem Verke⸗ entgegenstehenden Hindernisse waren, deren Bewältigung imn dem mit einigen Ausnahmen im Verlaufe weniger Tal

allgemein erfolgte.

Bis zu welchen Höhen aber der Schnee sich in Thäler Schluchten und Einschnitten vielerorts angehäuft hat, dare geben die spezielleren Berichte, wie sie das amtliche Mater⸗ zahlreich enthält, und die Tagesblätter zahlreiche Schilderunges

So schrieb man aus Erfurt, vom 25. Dezember: „Wels⸗ Schneemassen auf den Höhen des Thürinmg Waldes liegen, geht schon daraus hervor, daß auf der Eig bahnstrecke nach Oberhof der Schnee stellenweise 6 7 m has Um so mehr ist es anzuerkennen, daß keine Kosten ug. Mühen gescheut wurden, diese wichtige Linie wieder fahrb⸗ zu machen. Aus sämmtlichen Thüringer Garnisonstädten wun E erangezogen; Erfurt 22 500 Mann gestellt, um in erster Linie die Hauptstrecken frei ² men. Der Schneefall hat zwar aufgehört, aber der Wir⸗ verursacht immer noch die gefürchteten Schneewehen, so dr häufig das freigelegte Gleis in einigen Stunden, besonders e

ungeheueren liegt.

das Militär zum Schneeschaufeln

machen.

Nacht wieder vollständig gesperrt ist.“

Das eingelaufene Material giebt des Ferneren näher⸗ Aufschluß über die lokalen Verhältnisse, unter welchen do In 67 % der gemeldetss

Betriebsstörungen eingetreten sind

Neuhaldensleben, Burg, Zerbst südlich in Berlin vorbei nach Guben und Glogau, von dort wieder uc Nordost bis in die Nähe von Posen bis zur polnischen Gren⸗ Die südliche Begrenzung fällt, da nur von den preußische Bahnen Berichte vorliegen, mit der preußischen Grenze gegt Bayern, Sachsen und Böhmen überall zusammen, nur Obe

8 v1““

Fälle blieb ein Zug in einem Terrain⸗Einschnitt, in 28 % auf freiem

Felde, in 5 % auf einem Bahndamm stecken. 1— Daß größere Ansammlungen von Schnee in den Ein⸗

schnitten, welche die Bahnlinien passiren, auftreten müssen, ist an

sich einleuchtend, besonders wenn, wie in unserem Falle, heftiger, vielfach sogar stürmischer Wind den Schnee vom

freien Felde fortjagte und in den dem Sturm entzogenen

Einschnitten ablagerte. Um diesen bei jedem nennenswerthen Schneefall auftretenden Verwehungen vorzubeugen, hat man bekanntlich auf den meisten Bahnen sogenannte Schnee⸗ oder Schutzzäune und Hecken angelegt, welche den vom Felde heran⸗ getriebenen Schnee aufzufangen und außerhalb des Einschnitts abzulagern bestimmt sind. Die vorliegenden amtlichen Berichte

geben aber fast ausnahmslos ihr Urtheil dahin ab, daß in diesem Falle fast überall die Schneezäune die Sachlage ver⸗

schlimmert, wenn nicht direkt hervorgerufen haben. Bei dem Vorwiegen westlicher und südwestlicher Winde im Winter von Mittel⸗Europa sind diese Schutzvorrichtungen fast allgemein an der westlichen oder südwestlichen Seite der Einschnitte auf⸗ gestellt; die Schneestürme des Dezember hatten aber ihre vor⸗ wiegende Richtung aus Nordost bis Ost, sodaß nun einerseits die ungeschützten Luvseiten der Bahnlinien dem Schneetreiben keinen Widerstand entgegensetzen konnten, anderseits die vom Winde abgewandten Leeseiten durch ihren Schutzzaun das Weiter⸗ treiben des Schnees hinderten und so der massenhaften Anhäufung desselben im Bahneinschnitt selbst Vorschub leisteten.

Uebereinstimmend konstatiren die Berichte, daß haupt⸗ sächlich flache Einschnitte von weniger als 1,5 m Tiefe verweht, meist „bordvoll“ zugetrieben waren, während tiefere Einschnitte verhältnißmäßig wenig Schnee auf dem Bahnplanum gehabt hätten. Zur Erklärung dient die Ueberlegung, daß, je flacher ein Terraineinschnitt ist, um so kleiner auch die freie Fläche seiner Böschungen ist Auf den großen Böschungen tieferer Einschnitte war verhältnißmäßig Platz genug vorhanden, um den Schnee großentheils auf ihnen abzulagern, während kleine Böschungsflächen denselben nicht boten. Ueberall, wo der Wind in der Richtung des Einschnitts selbst geweht hatte, waren meist nur an den Enden desselben höhere, aber kurze Schneedünen abgelagert worden, das Bahnplanum aber passirbar geblieben. Seine Leichtigkeit und verhältnißmäßig große Trockenheit giebt dem Schnee den übrigen Niederschlags⸗ formen gegenüber einen durchaus spezifischen Charakter, da er sehr wenig an die Stelle gebunden bleibt, an welcher er nieder⸗ gefallen ist, sondern mit Leichtigkeit wieder aufgehoben und fortgetragen werden kann und sich dann erst dort ablagert, wo er einen Ort relativ geringer Luftbewegung findet. Und dieses ist sowohl in Terraineinschnitten, als an der dem Winde zu⸗ gekehrten Seite von senkrechten Wänden der Fall. Ein über einen steilwandigen Einschnitt horizontal hinwegwehender Wind erzeugt nämlich in diesem selbst eine örtliche Luftcirkulation um eine horizontale Axe, indem er durch Mitreißen der ruhenden Luft des Einschnitts eine aufwärts gerichtete Be⸗ wegung derselben an der unter dem Winde liegenden Böschung bewirkt. Da aber durch dieses Mitreißen von Luft eine Druck— verminderung in der der allgemeinen Strömung entzogenen Luftmasse bewirkt wird, nimmt der horizontal über den Einschnitt hinwegwehende Luftstrom eine Neigung nach unten an, um den Raum relativer Luftverdünnung auszufüllen Wir finden daher an derjenigen Böschung des Einschnitts, welche vom Winde in zweiter Linie überweht wird, eine den Abhang abwärts fließende Stromschleife des Windes von geringer Bewegungsstärke. Hier nun, in der Zone relativer Luftruhe und unter dem Einflusse einer abwärts gerichteten Luftürömung wird der Schnee hauptsächlich abgelagert. Je tiefer ein Einschnitt ist, um so breiter ist gemeinhin, wo nicht festes Gestein ansteht, welches in steiler Böschung ausgesprengt ist, der obere Durchmesser des Einschnitts. Hierdurch wird an und für sich schon eine kräftigere Ventilation, ein leichteres Eindringen der allgemeinen Luftströmung in den Einschnitt bewirkt; ferner aber bietet die größere Oberfläche der Böschungen mehr Platz zur Ablagerung von Schnee, wie wir oben erwähnten.

Betrachten wir die Gründe zum Eintritt von Schnee⸗ verwehungen auf freiem Felde, so finden wir in den meisten Fällen in den Berichten Angaben über das Vorhandensein von Schutzzäunen, Hecken oder Mauern längs der Bahn konstatirt. Als charakteristisch sei hier ein Theil des Berichts der König⸗ lichen Eisenbahn⸗Direktion (linksrheinische) Köln wiedergegeben, in welchem es heißt:

Bezüglich des Steckenbleibens des Zuges Nr. 77 am 20. Dezember um 10 Uhr 20 Minuten Abends zwischen Vett⸗ weiß und Zülpich ist zu berichten, daß auf der bezeichneten Strecke die Schienenoberkante nicht im Einschnitte, sondern rund 0,3 m über der Oberfläche des dort freien Feldes liegt. Die Verwehung wurde daselbst durch die Weißhorndecke veranlaßt, welche den linksseitigen Parallelweg gegen den Bahngraben abgrenzt und deren obere Kante rund 0,5 m über die Schienen⸗ oberkante hervorragt. Da der Nordostwind winkelrecht zur Bahn stand und das freie Terrain gegen letztere sanft ansteigt, so beförderte die Weißdornhecke die Verwehung ganz außer⸗ ordentlich. Der Bahndamm wurde bis zur Höhe der Hecke, also 0,5 m mit Schnee verschüttet. Die Beseitigung der frag⸗ lichen Hecke und Ersatz derselben durch einen Drahtzaun ist bereits angeordnet.

Aohnliche Berichte über die direkt schädliche Wirkung von Zäunen liegen aus mehreren Direktionsbezirken vor, so von Aachen⸗Jülich, Hessische Ludwigsbahn, Altenburg⸗Zeitz, Erfurt, Breslau, Berlin. In anderen Fällen wurden seitliche Erd⸗ wälle, wie zwischen Frohse und Ermsleben, oder vorliegende Gebäude, wie am Bahnhof Wörnstadt, oder eine hohe Fabrik⸗ mauer, wie zwischen Worms und Wormshafen, als Ursache angegeben. Es läßt sich übrigens auch wohl annehmen, daß die Eisenbahnschienen selbst, wenn sie nicht durch Kiesschüttung zum größeren Theil verdeckt sind, bei rechtwinklig zur Bahn wehendem Winde als Ausgangspunkte von Schnee⸗Anhäufungen dienen können, indem gerade auf ebenen Flächen geringe Her⸗ vorragungen dem Schnee einen Halt und dadurch Gelegenheit zur fortgesetzten Vergrößerung des entstandenen Walles ge⸗ währen.

Charakteristisch war, wie mehrere Berichte erwähnen, die günstige Wirkung von benachbarten Wäldern. Innerhalb der⸗ selben war die Bahnlinie fast allgemein verhältnißmäßig schnee⸗ rei geblieben, da hier nur die wirklich gefallene Schneemenge, nicht aber die durch den Wind zusammengetriebene das Planum bedeckte. Die auf einen Waldkom lex fallende Schneemenge wird bei starkem Winde von den Faa zwar abgeschüttelt, fällt aber zwischen die Stämme und ist hier den Wirkungen des Windes fernerhin fast ganz entzogen.

Am wenigsten verständlich sind diejenigen Störungen, welche auf Dämmen den B S

blieb am 21. Dezember um 11 Uhr Vormittags und um 2 Uhr Nachmittags zwischen Erbach und Hetzbach⸗Beerfelden je ein Zug auf einem 16 m hohen Bahndamm, einem Thalzuge gegenüber im Schnee stecken. Dem amtlichen Berichte hierüber entnehmen wir Folgendes:

„Die Höhe der Schneedecke auf dem Damm betrug ca. 100 cem. Durch dieselbe war es dem Zuge 292 nur möglich, langsam fortzukommen, zumal eine Steigung von 1:75 zu überwinden war. Der Schnee ballte sich um die Spurkränze und das Fortbewegen der Maschine wurde immer schwieriger, sodaß dieselbe schließlich nicht mehr vor noch rückwarts konnte. Erst nachdem die auf den Spurkränzen entstandenen Eiskrusten weggemeißelt worden waren und Schneebeseitigung stattgefunden hatte, konnte die Maschine mit Packwagen in die Station Hetzbach gebracht werden. Der mehrmalige Versuch, den ganzen Zug gleichzeitig fortzubewegen, mißlang vollständig, sodaß die Wagen einzeln von der Maschine herangeholt werden mußten.“

Ueber den mechanischen Vorgang bei dem Steckenbleiben der Züge äußert sich die Königl. Direktion der Militär⸗Eisen⸗ bahn folgendermaßen:

Die Ursache für das Steckenbleiben der Züge muß darin gesucht werden, daß die Maschine während der Fahrt den Schnee so fest vor sich her zusammenschob, bezw. zu einer so hohen und dicken Wand aufthürmte, daß ein Durchbrechen nicht mehr möglich war und der Zug zum Stillstehen kam

In anderen Fällen wurde das Auslöschen des Feuers in der Maschine durch eingedrungenen Schnee und Verlegung der Zugöffnung in der Feuerung erklärt, sodaß der Maschine der Dampf ausging. Bedenkt man, daß in vielen Fällen Schneedünen von 2,5 m Höhe, wie bei Güsten, Köthen, Weiß⸗ sand, Könnern, Koswig, Teuplitz, Kreuzburg, Kamenz u. s. w., in einzelnen Fällen aber von 3, ja bis 5 m Höhe, wie auf der Strecke Weißenfels —Zeitz, konstatirt worden sind, so er⸗ scheint die Möglichkeit eines vollständigen Vergrabenwerdens der vorangehenden Maschine durchaus glaubhaft! Folgende Notiz schildert diesen Vorgang anschaulich.

„Von der Freilegung der Strecke Dürrenberg —Leipzig in den verflossenen Tagen können wir eine interessante Episode erzählen. Zwischen erstgenannter Station und Kötschau war ein mit zwei Lokomotiven bespannter Güterzug eingeschneit und hatte somit das Geleise versperrt. Dieses Hinderniß wurde auf hiesiger Station sehr übel vermerkt und gab am Mittwoch Vormittag dem Meister der hiesigen Bahnwerkstatt Veranlassung, einen Streif⸗ zug nach Dürrenberg zu machen. Mit drei großen Normal⸗ Güterzug⸗Maschinen ausgerüstet, dampfte man davon und holte nach mehrstündiger schwerer Arbeit die beiden Maschinen und sämmtliche Güterwagen einzeln unter den sie bedeckenden Schneemassen hervor. Nun kam aber das schwerste Stück: das Geleise, welches in Länge von 600 m, in Höhe von 3 3 ½ m vom Schnee verschüttet war, freizulegen. Mit drei feuer⸗ sprühenden Maschinen gings hinein in die Schneemassen, welche die Schornsteine der Lokomotiven überragten. Das Feuer der ersten Maschine erlischt, das der zweiten droht zu erlöschen, aber die letzte Maschine drängt die vorderen hinein in das Schneefeld, die auf den Maschinen stehenden Helden der Arbeit sehen nichts, wie Schnee um sich wirbeln, die Maschinen stöhnen, aber vorwärts ging es und die Schlacht wurde glücklich geschlagen. Der Zug saust hindurch an den Stationen vorbei und wird in Leipzig staunend begrüßt.“

Ueber die in den benachbarten Staaten stattgefundenen Störungen des Post⸗ und Eisenbahnbetriebes giebt uns der obengenannte Aussatz im „Archiv für Post und Telegraphie“ Aufschluß, aus welchem wir der Vollständigkeit halber nur folgende Notizen entnehmen.

Im Bezirk Dresden war in Folge des am 19. und 20. Dezember eingetretenen starken Schneefalles und des am 20. Abends hereingebrochenen heftigen Schneesturmes der Be⸗ trieb auf sämmtlichen Eisenbahnlinien mit alleiniger Ausnahme der Strecken Dresden —-Bobdenbach und Dresden —Meißen zum größten Theile vollständig eingestellt. Auf der Strecke zwischen Dresden und Leipzig lagen am 21. nicht weniger als sechs Züge im Schnee fest. Durch den meterhohen Schnee wurde auch das Fortkommen der Landposten entweder überhaupt unmöglich gemacht oder außerordentlich erschwert. Im Bezirk Leipzig war am 20. Dezember Abends der Bahnbetrieb auf fast sämmtlichen Linien, namentlich auch auf den Linien Leipzig Chemnitz und Leipzig —Hof unterbrochen.

Die Königlich bayerischen Bahnposten von Würzburg blieben am 21. aus; ebenso konnten in umgekehrter Richtung nur Sendungen bis Aschaffenburg gebracht werden.

Im Bezirk Karlsruhe (Baden) war der Verkehr auf einer größeren Anzahl Bahnlinien, namentlich Seckenheim Heidelberg, Heidelberg -Würzburg, Lohr —Wertheim, Kalw Pforzheim u. s. w. unterbrochen. Die Hauptlinie nach Basel war zwar frei geblieben, doch konnte ein regelmäßiger Betrieb nicht aufrecht erhalten werden.

Im Elsaß sind die Linien Kolmar—-Schnierlach und Molsheim Rothan und in Lothringen die Linie Saargemünd Hagenau unterbrochen gewesen.

Aus Berichten verschiedener Zeitungen ging ferner noch hervor, daß in den östlichen Departements von Frankreich, besonders in denen des Vosges, Meurthe und Yonne mehrere Züge im Schnee stecken geblieben sind; bei Belfort lag der Schnee 2 m hoch.

Auf der Gotthardbahn soll dagegen, trotzdem der Schnee überall, besonders bei Airolo sehr hoch gelegen habe, keine Betriebsstörung vorgekommen sein.

Der genannte Aufsatz im „Archiv für Post und Tele⸗ graphie“ giebt ein anschauliches Bild davon, mit welcher staunenswerthen Energie überall alle Mittel und Wege er⸗ griffen worden sind, um diese unerhörten Schwierigkeiten zu überwinden. Die alten Schlittenposten kamen an vielen Orten wieder zu Ehren, wo die Schneehöhe auf freiem Felde ein Durchkommen derselben möglich erscheinen ließ. Trotz des Hochwassers wurden Dampfboote auf der Elbe zur Beförderung von Personen und Postsachen in Dienst gestellt.

Ueber die schwierigen Verhältnisse, unter welchen die Passagiere in den eingeschneiten Zügen und auf den mit Reisenden vollgepfropften Bahnhöfen zu leiden hatten, wie sogar in größeren Städten eine Art Nothstand ausbrechen konnte, haben die Tagesblätter zahlreiche Berichte gebracht. In Chemnitz trat z. B. am 23. Dezember Mangel an Kohlen, Viktualien und Schlachtvieh ein. Der einsam gelegene Bahn⸗ hof Oberhof, die höchst gelegene Station der thüringischen

Zahnlinien, war mit seinen Beamten und Arbeitern sowie einer Anzahl eingeschneiter Fahrgäste mehrere Tage vollständig von der Außenwelt abgeschnitten, sodaß mehrmals dringend telegraphisch um Zuführung von Lebensmitteln gebeten werden 1 en Anstre gelang es schließ—

lich, eine Lokomotive mit Lebensmitteln von Suhl über Zella bis in die Nähe der Station zu bringen, von welcher aus die Bedräng⸗ ten einen schmalen Weg durch den meterhohen Schnee bis zur Lokomotive bahnten und sich also mit Speise und Trank versehen konnten. Die Fahrposten blieben gleichfalls, besonders in den Gebirgen, im Schnee stecken; in Neuhaus a. R. sogar mitten im Orte. Die am 20. Dezember von Ellrich abge⸗ gangene Personenpost, aus 10 Reisenden in 3 Wagen bestehend, blieb vor Erreichung des Ortes Benneckenstein bei heftigem Sturm im Schnee stecken. Den Postillonen gelang es, mit den ledigen Pferden bis zu dem genannten Ort vorzudringen und Hülfsmannschaften herbeizuholen. Die unter der Gesell⸗ schaft befindlichen Frauen waren nicht im Stande, den Weg bis Benneckenstein zu Fuß zurückzulegen, sondern mußten getragen werden.

Der Botenpost⸗ und der Landbestelldienst erlitt gleichfalls erhebliche Störungen; die Landbriefträger mußten entweder unterwegs übernachten oder umkehren, da ein Fortkommen ohne ernste Lebensgefahr nicht zu ermöglichen war.

Hieran anschließend haben wir noch fernerer Folgen des Schneefalles zu gedenken, welche in dem Zugrundegehen von zahlreichen Menschenleben bestanden. Die aus den hauptsäch⸗ lichsten Zeitungen Mitteldeutschlands namentlich bekannt ge⸗ wordenen Todesfälle von Menschen in Folge Steckenbleibens im Schnee betragen gegen 47; im Königreich Sachsen sollen deren außerdem noch gegen 30, in Schlesien deren 12 vor⸗ gekommen sein, sodaß man als wahrscheinliche Zahl der Ver⸗ unglückten 90 annehmen kann. Bis weit in den Januar hinein kamen in die Blätter immer wieder Nachrichten über Leichen von Verunglückten, welche bei dem Wegthauen des Schnees zum Vorschein kamen. Unter diesen sind mehrere Landbriefträger und Boten, auch Lehrer und ein Geistlicher Opfer ihres Berufs geworden.

So können auch nach dieser Richtung hin die Folgen der gewaltigen Schneefälle als äußerst verderbliche bezeichnet wer⸗ den. Bei der glücklicherweise verhältnißmäßig großen Selten⸗ heit derartiger Phänomene in Centraleuropa war Niemand auf ein solches ausreichend vorbereitet und Keiner kannte die Gefahren desselben, wie sie der Bewohner der sibirischen und südrussischen Niederungen kennt, welchem der gefürchtete und häufig auftretende Burân fast alljährlich Tausende von Rin⸗ dern tödtet und den unkundigen Reisenden oft in der unmittel⸗ barsten Nahe eines schützenden Obdachs im Schnee begräbt.

Wie weit man zur Sicherung des Eisenbahnbetriebes Vor⸗ kehrungen gegen die Wiederkehr ähnlicher Kalamitäten zu treffen vermöchte, ob man mit Schneepflügen die Bahnen schneller würde freigelegt haben, kann nur der Fachmann be⸗ urtheilen. Das aber dürfte feststehen, daß gegen Phänomene von einer derartigen Intensität und Verbreitung fast alle Vorkehrungen versagen werden, daß ein Schneepflug wohl auf Dämmen und auf freier Strecke, auch wohl in flachen und kurzen Einschnitten sich als wirksam erweisen mag, den kilometerlangen Schneebergen von 3 und mehr Metern Höhe gegenüber aber gleichfalls versagen wird.

Blicken wir aber zurück in die Vergangenheit, um nach ähnlichen Erscheinungen zu suchen, so finden wir, daß derartig⸗ massenhafte allgemeine Schneefälle so selten vorgekommen sind,

daß die Vorbereitung von Vorsichtsmaßregeln als durchaus unthunlich erscheinen müßte.

Ueber einen großen Schneefall im Jahre 1598 berichtet eine alte Thüringer Chronik:

„Den 13. Dezember 1598 ist in einer einzigen Nacht im Lande Meissen, Sachsen und Thüringen so ein sehr großer und tiefer Schnee gefallen, daß morgenden Tages mancher zur Hausthür nicht hat herauskommen können, auch ein jeder Fuhrmann aus seiner Herberge den gantzen Tag nicht eine halbe oder gantze Meile Wegs fahren können, ob er gleich 16 oder mehr Pferde an den Wagen gespannet; es sind viel Menschen und Thiere im Schnee ersticket und verdorben. Drauff ist den 16. Decembris früh von 7 Uhr in vorgemel⸗ deten Landen, zu Magdeburg, zu Leipzig, zu Altenburg, Zwickau, Chemnitz, Freiberg, Meißen, Dresden ꝛc. ein so grausames Erdbeben entstanden, daß auch etliche Thüren in Häusern, welche noch mit Anwürflein zugemacht, davon selbst aufgesprungen und sich die Häuser sehr erschüttert.“

In der Mark Brandenburg und Niederlausitz fand im Jahre 1852 ein ähnlicher Schneefall statt, im nördlichen Harz⸗ vorlande und der Altmark ein solcher im Jahre 1865. Beide Erscheinungen waren indeß in Bezug auf die Größe ihres Verbreitungsbezirks mit unserem Fall durchaus nicht zu ver⸗ gleicher 8

Als eine gewiß selten zu beobachtende Folge der Schnee⸗ fälle dürfte noch die Abdämmung von Flußläufen durch den Schnee zu erwähnen sein, von welcher folgende Notiz berichtet. „Aus dem Unstrutthale, 27. Dezember. Als Folgen des starken Schneefalls und der mächtigen Schneewehen sind noch folgende Vorkommnisse erwähnenswerth. Die Nebenflüsse der Unstru besonders die Wipper, waren an mehreren Stellen dure Schneewehen abgedämmt, das Wasser wurde aufgestaut un zum Verlassen des Flußbettes gezwungen; eine Folge hiervo war, daß die Unstrut in einer Nacht über 1 m fiel, daß mehrere Schiffe auf den Sand geriethen und daß einige Zuckerfabriken den Betrieb einstellen mußten, weil die Pumpe für die Dampfkessel kein Wasser zogen. Eine ähnliche bishe noch nie erlebte Verstopfung erfuhr auch der Soolgraben irn Artern, der in seiner ganzen Länge mit Schnee ausgefüllt wurde, worauf die Soole nach Ueberschwemmung des an⸗ grenzenden Landes sich auf den Domänenteich ergoß.“ Wirkung der Schneefälle des Dezember auf di

Temperaturverhältnisse der nachfolgenden

Wochen.

Außer den im Obigen durchmusterten Wirkungen de großen Schneefälle erübrigt noch, deren Einfluß in meteoro⸗ logischer Beziehung zu untersuchen. 8

Nach dem Vorgange des russischen Klimatologen Woeikof ist man darauf aufmerksam geworden, daß eine über weitere Strecken ausgedehnte dichte Schneedecke einen ganz erheblichen Einfluß auf die Ausgestaltung der Temperaturverhçältnisse ausübt. Zum Verständniß dieses Einflusses mögen folgende physikalische Vorbetrachtungen dienen.

Die Erwärmung der Luft geht bekanntlich nur zum kleineren Theile von der direkten Wirkung der Sonnenstrahlen aus, hat vielmehr ihre hauptsächlichste Quelle in der Erwär mung des Erdbodens durch die Sonne. Die Erwärmung eines Körpers durch direkte Bestrahlung ist außer Anderem sehr wesentlich von der Beschaffenheit seiner Oberfläche abhängig: ein Körper mit großer Oberflächenentwicklung wird sich unter dem Einflusse strahlender Wärme stärker erwärmen, als ein