1891 / 220 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 18 Sep 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Division sich auf dem rechten Flügel, die 8. Division im Centrum und die 7., von Gorha kommend, auf dem linken Flügel befanden. Die taktische Aufklärung hatten dort die 7. Kürassiere, die 16. Ulanen und das kombinirte Reserve⸗ Kavallerie⸗Regiment übernommen. Das XI. Armee⸗Corps, welches von Eschwege⸗Heiligenstadt in östlicher Rich⸗ tung im Anmarsch ist, marschirte gleichfalls in drei Ko⸗ lonnen: rechts die 21., in der Mitte die Großherzog⸗ lich hessische 25. —, links die 22. Division. Den Meldedienst hier hatten das Dragoner⸗Regiment Nr. 23, das Husaren⸗Regiment Nr. 14, unter Befehl des General⸗Majors von Massow, und die Mühlhauser Ulanen Nr. 6 zu ver⸗ sehen. Die Kavallerie bewies auch an diesem Tage wieder, daß sie dem Meldedienst voll und ganz gewachsen ist. Bei den Stäben und Kommandos liefen über alle Bewegungen und besonders bei dem General⸗Kommando des XI. Armee⸗ Corps, das bis um 10 Uhr noch westlich Mühl⸗ hausen war, rechtzeitig Meldungen über den Rechts⸗ Abmarsch des IV. Armee⸗Corps ein, welchen dasselbe, verdeckt durch die Bergkette, die sich zwischen Rothenheilingen und Bollstädt hinzieht, ausführte. Die beiderseitigen Kavallerie⸗ Divisionen befanden sich beim XI. Corps auf dem rechten, beim IV. Corps auf dem linken Flügel. In der elften Stunde stießen endlich die Teten der beiderseitigen Centren unmittelbar östlich Mühlhausen zusammen, ‚Artillerie fuhr auf, und begann den Infanteriekampf einzuleiten. Bald entwickelte sich ein intensives Gefecht auf den Höhen bei Bollstädt. Bataillon auf Bataillon der 25. Division griff in den Kampf ein und rang nach heftigem Gewehrfeuer, das viertelstundenlang und ununterbrochen andauerte und die Luft erschüttern machte, dem Feinde, der 8. Division, Position auf Position ab und zwang ihn zum Abzug. In den ersten Nachmittagsstunden wurde die Uebung abgebrochen; die Truppen bezogen östlich und nördlich Mühlhausen Biwaks. Nach Beendigung des Manövers hielt Seine Majestät der Kaiser und König eine Besprechung der Uebung, worauf die kämpfenden Theile getrennt wurden. Seine Majestät übernahm darauf den Befehl über das XI. Armee⸗Corps, das Allerhöchstderselbe heute führen wird und das durch Jafanterie und Artillerie verstärkt worden ist. Heute (Freitag) verließ Seine Majestät der Kaiser vor 7 Uhr Morgens Mühlhausen und begab Sich über Grabe nach Volkenroda, von wo das XI., heute von Seiner Majestät geführte Corps in drei Kolonnen auf Schlotheim marschirte. Nach derselben Richtung war das IV. Corps um 4 Uhr aus den Biwaks aufgebrochen. Bis 11 Uhr war, wie telegraphisch gemeldet wird, der Zusammenstoß beider Corps noch nicht erfolgt. 8

Deutschen Reich sind für die Zeit vom 1. April 1891

Schluß des Monats August 1891 von Einnahmen (einschließlich der kreditirten Beträge) an Zöllen und ge⸗ meinschaftlichen Verbrauchssteuern, sowie von anderen Einnahmen zur Anschreibung gelangt:

Zölle 158 559 071 (gegen denselben Zeitraum des Vor⸗ jahres 6 928 233 ℳ), Tabacksteuer 3 709 393 (- 104874 ℳ), Zuckermaterialsteuer 60 124 032 (— 334 404 ℳ), Ver⸗ brauchsabgabe von Zucker 21 992 959 (+ 1 264 593 ℳ), Salzsteuer 15 641 535 (+ 436 441 ℳ), Maischbottich⸗ und Branntweinmaterialsteuer 2 265 369 (+ 644 955 ℳ), Verbrauchsabgabe von Branntwein und Zuschlag zu der⸗ selben 49 608 506 (+ 143 707 ℳ), Brausteuer 10 908 445 8r 114 547 ℳ), Uebergangsabgabe von Bier 1 357 488 ( 36 720 ℳ); Summe 203 918 734 (— 4 745 894 ℳ). Spielkartenstempel 416 563 (+ 38 286 ℳ), Wechselstempelsteuer 3372376 (+ 164000 9. Stempelsteuer für a. Werthpapiere 1 396979 (s— 911 812 ℳ), b. Kauf⸗ und sonstige Anschaffungsgeschäfte 4 906 671 (s— 394 254 ℳ), c. Loose zu Privatlotterien 459 547 (+ 269 464 ℳ), Staatslotterien 2 722 468 (+ 298 006 ℳ).

Die zur Reichskasse gelangte Ist⸗Einnahme ab⸗ züglich der Ausfuhrvergütungen und Verwaltungskosten be⸗ trägt bei den nachbezeichneten Einnahmen bis Ende August 1891: Zölle 144 086 583 (— 9 069 708 ℳ), Tabacksteuer 3 436 386 (+ 376 755 ℳ), Zuckermaterialsteuer 14 874 685 (+ 5 341 985 ℳ), Verbrauchsabgabe von Zucker 22 550 560 (*+ 175 620 ℳ), Salzsteuer 15 697 285 (+ 781 121 ℳ), Maischbottich⸗ und Branntweinmaterialsteuer 7 911 750 + 81 980 ℳ), Verbrauchsabgabe von Branntwein und

uschlag zu derselben 44 800 400 (+ 2 142 301 ℳ),

rausteuer und Uebergangsabgabe von Bier 10 425 233 (— 65 783 ℳ); Summe 263 782 822 (— 235 729 ℳ). Spielkartenstempel 497 277 (+ 45 148 ℳ).

Seine Königliche Hoheit der Erbgroßherzog von Baden, Commandeur der 4. Garde Infanterie⸗Brigade, ist vom Manöver zurückgekehrt und hat sich zur Theilnahme an den Kaisermanövern nach Gotha begeben.

Seine Hoheit der Erbprinz von Sachsen⸗Meinin⸗ gen, General⸗Lieutenant und Commandeur der 2. Garde⸗ Infanterie Division, ist zur Theilnahme an den Manövern des IV. und XI. Armee⸗Corps nach Kassel abgereist; im An⸗ schluß hieran wird Seine Hoheit einen längeren Urlaub nach Coburg und Süddeutschland antreten.

Der Königliche Gesandte in Weimar von Derenthall hat einen ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub angetreten.

Der Großherzoglich hessische Gesandte am hiesigen Aller⸗ höchsten Hofe, Wirkliche Geheime Rath Dr. Neidhardt ist vom Urlaub nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Die Regierungs⸗Räthe Buchholtz zu Schleswig und Maisan zu Oppeln sind an die Königliche Regierung zu Düsseldorf versetzt worden.

Der Regierungs Rath Heinke zu Marienwerder und der Regierungs⸗Assessor von Ascheberg zu Merseburg sind der Königlichen Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern zu Berlin zur weiteren dienstlichen Verwendung über⸗ wiesen worden. j

Der Regierungs⸗Assessor Dr. jur. Richard Lucke zu Merseburg ist der Königlichen Regierung zu Posen und

der bisher bei der .“ Direktion für die Verwal⸗ tung der direkten Steuern zu Berlin beschäftigte Regierungs⸗ Assessor Dr. Friedheim ist der Königlichen Regierung zu

Koblenz zur eiterer 8 dienstlichen Verwendung überwiesen

1“

““ Bayern.

München, 17. September. der Prinz⸗Regent wird sich der „Allg. Ztg.“ zufolge nach Beendigung der Jagden im Algäu nach Berchtesgaden be⸗ geben und am 3. Oktober hierher zurückkehren.

Seine Königliche Hoheit der Prinz Leopold, unter dessen Leitung die Manöver stattfanden, hat unter dem 12. d. M. folgenden Armeebefehl erlassen:

„Der Armee wurde die Ehre und Freude zu Theil, in den letzten Tagen zeigen zu dürfen, was sie in unermüdlicher Friedensarbeit ge⸗ lernt hat. Ihre Haltung bei der großen Parade sowohl als auch ihre kriegsmäßige Ausbildung im Manöver haben in hohem Maße die Aller⸗ höchste Anerkennung gefunden. Das Lob sowohl Seiner Königlichen Hoheit des Prinz⸗Regenten sowie dasjenige Seiner Majestät des Deutschen Kaisers, unter dessen Oberbefehl wir im Kriege stehen, bilden den schönsten Lohn, den die Armee im Frieden erringen kann. Indem ich die Oberleitung am heutigen Tage niederlege, be⸗ glückwünsche ich die Armee zu der ihr gewordenen Auszeichnung und erwarte, daß auch in Zukunft rüstig weiter gearbeitet werde, damit wir auch im nächsten Kriege den Sieg an unsere allzeit glorreichen Fahnen zu fesseln wissen.

(gez) Prinz Leopold, General der Kavallerie

und kommandirender General des I. Bayerischen Armee⸗Corps.“

Die Reichs⸗Schulkommission beendigte heute Vor⸗ mittag um 11 Uhr ihre Sitzungen. Die Verhandlungen der Kommission betrafen in der Hauptsache die Frage, welche Mittelschulanstalten Befähigungszeugnisse für den Einjährig⸗ Freiwilligendienst ausstellen dürfen. Der gleiche Gegenstand wurde von der Kommission bereits im Vorjahre behandelt und in diesem Jahre, nach Einholung näherer Informationen über die Leistungen verschiedener beanstandeter Anstalten, wieder⸗ holter Berathung unterstellt. Was die staatlich geleiteten An⸗ stalten in den deutschen Bundesstaaten bepf ft so soll es, nach Anschauung der Reichs⸗Schulkommission, bei ihrer Berechtigung

ur Ertheilung von Reifezeugnissen für den Einjährig⸗ bre willigenbiench selbstverständlich sein Verbleiben haben, ebenso mit der Berechtigung der städtischen Mittelschulanstalten. Den Privatanstalten dagegen wird nicht als solchen die ge⸗ nannte Berechtigung ertheilt, sondern dieselbe wird an die Person ihrer Direktoren oder Leiter geknüpft, deren Befähigung einer genauen Prüfung zu unterziehen ist; auch darf die Be⸗ rechtigung nur auf je fünf Jahre zuerkannt werden. Nach Verlauf dieser Zeit hat der Direktor der Privatanstalt neuer⸗ dings um die Berechtigung zur Ertheilung des mehrgenannten Befähigungszeugnisses einzukommer

SDachsen.

Dresden, 17. September. Seine Majestät der König ist, wie das „Dr. J“ meldet, gestern Abend von Leipzig wieder in Pillnitz eingetroffen.

Reuß ä. L.

(J.) Greiz, 17. September. Ihre Durchlaucht die Fürstin fühlte sich gestern recht matt, doch blieb der Zustand gleichmäßiger, die Schwankungen im Befinden waren weniger heftig. Die Nacht verlief ziemlich ruhig. Die Temperatur ist normal.

Der Gesundheitszustand der jüngst geborenen Prinzessin ist ein guter, die Entwickelung derselben eine erfreuliche.

Reuß j. L.

Gera, 17. September. Ihre Durchlaucht die Erb⸗ prinzessin ist, wie die „Ger. Ztg.“ meldet, heute früh von einem gesunden Prinzen glücklich entbunden worden.

Oesterreich⸗Ungarn.

Wien, 18. September. Seine Maäjestät der Kaiser und König ist nach einem Telegramm des „W. T. B.“ gestern Mittag in Miramar eingetroffen und vom Erzherzog Lud⸗ wig Salvator am Bahnhof empfangen worden. Zur Be⸗ gruͤßung waren ferner der Statthalter Rr. von Rinaldini und der Stations⸗Kommandant anwesend.

Die ungarischen Minister Graf Szapary und Dr. Wekerle treffen heute hier ein, um an den gemeinsamen Minister⸗Konferenzen, welche sich mit der Feststellung des den Delegationen zu unterbreitenden Budgets zu befassen haben werden, theilzunehmen. Heute und morgen finden Konferenzen unter den Ministern statt, am Sonntag beginnen die Schlußberathungen unter dem Vorsitz des Kaisers.

Das „Fremdenblatt“ glaubt, daß bei der gestern aufge⸗ nommenen zweiten Lesung des Handelsvertrages mit Italien ernste aber wohl nicht unbesiegbare Schwierigkeiten erst hervortreten werden; es lasse sich deshalb erwarten, daß die weiteren Verhandlungen noch einen Zeitraum von drei Wochen beanspruchen werden. 8

Frankreich. 1 Paris, 18. September. Der Vorbeimarsch der In⸗ fanterie bei der gestrigen Revue in Vitry⸗le⸗Frangois erfolgte, wie „W. T. B.“ berichtet, in Carréformation, die Kavallerie formirte sich nach dem Defilé zu einem 8ee Corps, das in einer Stärke von 16 000 eitern eine Scheinattaque nach der Tribüne zu, auf welcher sich der Präsident befand, ausfüzrte und in einer Distanz von 100 m vor der Tribüne kurz parirte. Dieses Manöver rief den besonderen Beifall des Publikums hervor. Nach Beendigung der Revue nahm der Präsident Carnot die Vertheilung der verliehenen Ordens⸗Aus⸗ zeichnungen vor und kehrte darauf nach der Stadt Vitry zurück. Der Revue hatte eine wohl 50 000 zählende Zu⸗ schauermenge beigewohnt. Bei dem Dejeuner, welches der Präsident zu Ehren der Generale der besichtigten Truppen gab, brachte er einen Toast aus, in welchem er hervorhob, daß die Revue einen würdigen Ab⸗ schluß der Manöver bilde. Die Armee habe erneut gezeigt, was Frankreich von ihr zu erwarten habe. Das Land sei der Armee dankbar dafür, daß sie sein Vertrauen und seine Liebe zu ihr gerechtfertigt habe. Das Land wisse, daß, wenn Ruhe, Festigkeit, Besonnenheit und eine loyale Haltung nach Außen hin ihm aufrichtige Freundschaften erwerben könnten, das berechtigte Vertrauen auf seine Hülfsquellen ein sicheres Unterpfand des Friedens bilde, welchen das Land nicht gestört wissen wolle. Die Armee gewähre dem Lande dieses Vertrauen. Er danke ihr im Namen des gesammten Frankreich. Die Anwesenden hörten die Worte stehend an und begleiteten die letzten Worte mit lebhaftem Beifall. Der Kriegs⸗Minister de Freycinet dankte Namens der Armee und erwiderte mit einem Toast auf den Präsidenten Carnot. Die Militär⸗Attachés der auswärtigen

Seine Königliche Hoheit

Ueber die Ausschreitungen am Abend der „Lohengrin“⸗ Aufführung auf dem Opernplatz meldet die „Köln. Ztg.“: Die Polizei hatte ungemein scharfe Weisungen, denen sie mit sichtbarem Vergnügen nachkam. Wer ihren Befehlen nicht augenblicklich folgte oder sich Widerreden erlaubte, wurde ver⸗ haftet. Selbst Blätter, die sonst dem scharfen Vorgehen der Polizei wenig günstig sind, billigen das gestrige Ver⸗ fahren und verspotten die Verhafteten, die theilweise mit zer⸗ rissenen Kleidern und arg mitgenommen auf die Polizeiwache geschleift wurden. Meist waren es junge Burschen, die mehr ihre Skandallust als die Abneigung gegen den „Lohengrin“ auf den Opernplatz geführt haben dürfte. Der Deputirte Bourdeau versuchte mit einigen zwanzig Burschen, meist Elsässern, der deutschen Botschaft einen Besuch abzustatten, wurde aber von der Polizei verjagt. Alle Blätter sprechen ihre große Genugthuung darüber aus, daß der Abend so ver⸗ laufen ist, nur der „Intransigeant“ sucht den Spektakel als eine gewaltige Kundgebung von ganz Paris hinzustellen. Von der hiesigen spanischen Botschaft sind für die von den Ueberschwemmungen in Spanien Betroffenen Samm⸗ lungen eröffnet worden.

Rußland und Polen.

St. Petersburg, 18. September. Dem russischen Botschafter in Berlin Grafen Schuwalow ist laut Meldung des „W. T. B.“, der Wladimir⸗Orden erster Klasse verliehen worden. Der Kaiser richtete gleichzeitig an den Grafen ein huldvolles Handschreiben, in welchem der Verdienste gedacht wird, welche der Graf in Erfüllung der ihm auferlegten wichtigen diplomatischen Pflichten sich um den Staat erworben.

Dem neuen Direktor im asiatischen Departement des Ministeriums des Auswärtigen, Graf Kapnist ist der Annen⸗ Orden I. Klasse verliehen worden.

„Laut einer Meldung der „Petersb. Wed.“ sollen in nächster Zeit in Teheran die Verhandlungen des russischen Gesandten von Bützow mit der persischen Regierung über den Abschluß eines Handelsvertrages beginnen.

In Paris, Marseille und Bordeaux bestehen schon russische General⸗Konsulate, jetzt soll, wie die „Köln. Ztg.“ er⸗ fährt, ein solches auch noch für Rouen und Havre er⸗ richtet werden. Das Vize⸗Konsulat in Cherbourg wird zum Konsulat erhoben, und die Konsulate in Mentone, Villafranca und Nizza sollen in ein einziges Konsulat „Nizza“ zusammen⸗ gezogen werden.

Italien.

Der „Osservatore Romano“, dessen gegen den Drei⸗ bund gerichtete Artikel wir ebenso wie die von der „Germania“ und anderen katholischen deutschen Blättern, sowie von dem Freiherrn von Schorlemer⸗Alst und dem Grafen Ballestrem dagegen erhobenen Proteste wiederholt erwähnt haben, hat jüngst wieder einen in dem gleichen Sinne gehaltenen Artikel gebracht, worin er Italien die Wendung von dem „sinkenden Gestirn des Dreibundes“ zu der „aufgehenden Sonne“ Frankreichs anräth. Hiergegen wendet sich die „Kölnische Volksztg.“ in einer ener⸗ gischen Betrachtung, welche darin gipfelt, daß die von dem „Osservatore Romano“ vertretene Politik eine Abenteurer⸗ politik sei und die kirchlichen Interessen, besonders in Deutsch⸗ land, schädige. Auch der „Westf. Merkur“ spricht sich in gleichem Sinne aus.

Aus Rom wird nun mit Bezug auf diese Kontroverse

von dem Depeschenbureau „Herold“ gemeldet: Beetreffs der Sprache einiger deutschen Centrumsblätter über die franzosenfreundliche Politik des „Osservatore Romano“ wird in vati⸗ kanischen Kreisen versichert, daß die in Deutschland durch diese Politik hervorgebrachten schlechten Eindrücke im Vatikan nicht unbemerkt geblieben sind. Jedoch seien die vom „Osservatore Romano“ ent⸗ wickelten Ansichten von hohen vatikanischen Persönlichkeiten weder inspirirt, noch getheilt.

Hierzu bemerkt die „Germania“:

Der letzteren Versicherung hätte es kaum bedurft, da es keinem vernünftigen Menschen einfallen wird, für die über die Maßen takt⸗ losen und widersinnigen Auslassungen des „Osservatore“ und des „Moniteur de Rome“ irgend eine maßgebende Stelle im Vatikan verantwortlich zu machen. Gegen eine solche Unterstellung haben wir gleich vom Beginn der unerquicklichen Diskussion an entschiedene Verwahrung eingelegt. Da aber die gegnerische Presse in ibrer, auch in den Endzielen bekannten böswilligen Tendenz fortwährend sich bemüht, den hl. Stuhl zu den höchst albernen Artikeln der genannten beiden Blätter mehr oder weniger in Be⸗ ziehung zu bringen, wäre es dringend wünschenswerth, wenn diesen Blättern von autoritativer Seite ein für alle Mal untersagt würde, über Dinge, für die ihnen, wie sie reichlich bewiesen haben, nun einmal jedes Verständniß abgeht, zu phantasiren. Und zu diesen Dingen gehört im gegebenen Fall der Dreibund und das Verhältniß der deutschen Katholiken zu demselben.

Schweiz. Lausanne, 18. September. Die Kassationskammer des Bundesgerichts hat, wie „W. T. B.“ meldet, die Kassationsbeschwerde der Cvilpartei gegen das Urtheil der Kriminalkammer in Zürich in dem Tessiner Prozesse mit 3 gegen 2 Stimmen abgewiesen.

Schweden und Norwegen.

(P) Stockholm, 15. September. König Oskar empfing heute den hiesigen französischen Gesandten Mr. R. Millet, der einen Brief überreichte, in welchem der Prä⸗ sident der Französischen Republik die Verleihung des Großkreuzes der Ehrenlegion an den Herzog von Nerike an⸗ zeigte. König Oskar überreichte dem Prinzen Eugen die Ordens⸗Insignien und verlieh dann dem französischen Gesandten das Großkreuz des Nordstern⸗Ordens.

Die von der Regierung eingeforderten gutachtlichen Aeußerungen über den in diesem Jahre zu erwartenden Ertrag der Staatseinnahmen werden heute auszugsweise in der „Post och Inr.⸗Tidn.“ veröffentlicht. Die zollverwaltung hält es auf Grund angestellter Be⸗ rechnungen für sehr wahrscheinlich, daß die Einnahmen aus den Zöllen im Jahre 1891 den in das Budget eingestellten Ertrag von 38 000 000 Kronen erreichen werden, wagt aber nicht anzunehmen, daß sie diesen Betrag in wesent⸗ lichem Grade übersteigen werden. Die Staatseisenbahn⸗ Verwaltung vermeint, daß die Ueberschüsse aus dem Betriebe die Einzahlung des berechneten Betrages von 6 500 000 Kronen gestatten werden. Die Domänenverwaltung ist zu dem Resultat gekommen, daß die Einnahmen aus den Forsten zu 2 200 000 Kronen berechnet werden können, während im Budget 2 500 000 Kronen vorausgesetzt sind. Die Ver⸗ anlassung zu den geringeren Einnahmen im Inhre 1890 betrugen die Einnahmen aus den Forsten 3 150 074 Kronen ist die herrschende schlechte Holzkonjunktur, die ver⸗

Mächte nahmen an dem Festmahl Theil.

ursacht hat, daß bedeutende Holzpartien in Norr⸗ und

General⸗

Westerbotten unverkauft geblieben sind und auch die Holzkäufer mit mehrjährigen Kontrakten ihre Holzein chläge bedeutend beschränken. Der Chef des Kontrole⸗ und Justirungs⸗ Bureaus vermeint, daß die Branntweinsteuer den angenom⸗ menen Betrag von 13 700 000 Kronen erreichen und die Rübenzuckersteuer auf 1 550 000 Kronen sich belaufen werde oder 900 000 Kronen mehr als der Voranschlag.

Dänemark.

Kopenhagen, 17. September. Die „Dagens Nyheder“ melden, dem Vernehmen nach beabsichtige die Regierung, dem alsbald zusammentretenden Reichstage eine Vorlage zu unterbreiten, betreffend die Aufnahme einer größeren Lotterie⸗Anleihe. Es verlaute, daß der Ertrag aus dieser

Anleihe dem König und der Königin an deren goldenem Hochzeitstage als Ehrengabe überreicht und zur Wieder⸗ aufführung des Schlosses Christiansborg verwendet werden solle. H1““

Amerika. 8 Mexiko. Der mexikanische Kongreß ist am 15. d. M, wie das „R. B.“ meldet, vom Präsidenten Diaz eröffnet worden. Der Präsident erklärte, daß die Beziehungen der Republik zu allen auswärtigen Nationen vortrefflich wären und die innere Entwickelung des Landes gleichfalls befriedigende Fortschritte mache.

China. Die innere Lage Chinas giebt, wie dem „Standard“ unter dem gestrigen Datum aus Shanghai gemeldet wird, zu großen Besorgnissen Anlaß; ein Aufstand im Thale des Nan⸗Tse⸗Kiang stehe bevor, und eine große Anzahl für geheime Gesellschaften bestimmter Waffen sowie Dynamit seien in Shangai und Chin⸗ kiang mit Beschlag belegt worden. 1

Entscheidungen des Reichsgerichts. Bei einer Hasenjagd im November 1884 hatten K. und zroei

andere Jäger auf einen durch den Gastwirth D. ihnen zugetriebenen Hasen je einen Schuß abgegeben. Durch ein Schrotkorn aus einem dieser drei Schüsse wurde Frau Sch verletzt, und wegen der Folgen dieser Verletzung klagte der Ehemann der Verletzten gegen K. auf Schadensersatz Obgaleich nicht festgestellt werden konnte, durch welchen der drei Schüsse die Verletzung ver⸗ ursacht worden, so verurtheilte das Berufungsgericht dennoch den Beklag⸗ ten, indem es annahm, daß das ganze Verfahren der Jäger beim Aufstellen, Zutreibenlassen und Schießen ein fahrlässiges gewesen sei, und daß jeder Einzelne, soweit gemeinschaftlich gehandelt worden, durch seine Verbindung mit den Anderen auch ihre Wirksamkeit zu der seinigen gemacht habe. Auf die Revision des Beklagten hob das Reichs⸗ gericht, III. Civilsenat, durch Urtheil vom 19. Juni 1891, das Berufungsurtheil auf, indem es begründend ausführte: „War wie hier der gemeinschaftliche Wille nur auf Erlegung des Hasens, nicht auf Verletzung der Ehefrau des Klägers erichtet, so können aus diesem Grunde nur für jene, nicht für diese alle Theilnehmer der Jagd verantwortlich gemacht werden. Wer fahrlässig handelt, mag strafrechtlich, auch ohne Ver⸗ letzung eines subjektiven Rechts, nach dem positiven Rechte verant⸗ wortlich sein. Daß er zum Schadensersatz verpflichtet ist, setzt noth⸗ endig voraus, daß seine Fahrlässigkeit kausal war für den ent⸗ tandenen Schaden. Dabei ist gewiß möglich, daß der Schaden auf mehrere selbständige fahrlässige Handlungen verschiedener Personen ls Ursache zurückzuführen, oder daß die eine den Schaden erzeugende Handlung von Mehreren gemeinschaftlich fahrlässig ausgeführt ist; ann haften allerdings die Mehreren solidarisch, aber nicht deshalb, il der Eine für die Handlungen des Anderen haftet sondern otzdem dies nicht der Fall ist, seine eigene fahrlässige Handlung ber kausal war für den Eintritt des Schadens. Im vorltegenden Falle war nun nicht das gemeinschaftliche Aufstellen der Schützen am Koblfelde kausal für die Verletzung; die Mitwirkung der beiden den verletzenden Schuß nicht abfeuernden Schützen war vielmehr völlig gleichgültig für den eingetretenen Erfolg, mag auch ihr gleichzeitiges Schießen eine Beweisschwierigkeit hervorgerufen haben. Ursache der Verletzung war auch nach Annahme des Berufungsgerichts nur der eine Schuß, welchem das verletzende Schrotkorn angehörte. Die Ver⸗ urtheilung des Beklagten setzt daher unter den vorliegenden Umstän⸗ den nothwendig voraus, daß dieser fahrlässige Schuß von ihm herrührt.

Kunst und Wissenschaft.

8 Ueber den Fortbau des Doms zu Köln enthält das Centralbl. d Bauv.“ einen Bericht, dem Folgendes zu entnehmen ist: Im Laufe des Betriebsjabres 1890/91 ist mit der Legung des Mosaikbodens im südlichen Chor⸗Umgange begonnen worden; die fertiggestellten fünf Felder, durch farbige Marmorfriese getrennt, sind mit den Wappen und Namen von Kölnischen Kurfürsten und Erz⸗ bischöfen versehen worden. Das Feld von der Achskapelle des Chor⸗ Umzanges ist dem Andenken des Stifters des Kölnischen Doms, Erzbischof Konrad von Hochstaden, die Fußbodenfelder des nördlichen Chor⸗ Umganges sind dem Andenken der Kölner Erzbischöfe von Hildebold bis Konrad von Hochstaden gewidmet; die Ausführung dieses Theils des Chorbodens wird noch im Laufe des Jahres 1891 erfolgen. Der Mosaikboden im Innern des Chors, darstellend die menschlichen Be⸗ schäftigungen und Thätigkeiten, das menschliche Leben, die christliche Gemeinde, die kirchlichen und weltlichen Stände, die Personifikationen der einzelnen Nationen und Länder, der Hauptflüsse und Städte wird im Jahre 1892/93 vollendet werden und damit die Neubeflurung des Domchors mit farbiger Stiftmosaik zum Abschluß gelangen. Im Mai 1891 wurde auch das 156 qm große Vierungsfeld mit reicher Mosaikbeflurung

versehen, nachdem der Pfarraltar provisorisch nach Westen in das

Langschiff verlegt war. Nach den Entwürfen des Direktors von Essen⸗ wein bildet den Mittelpunkt der Darstellungen in der Vierung die Sonne, umgeben von den Mondphasen und den Tageszeiten (Dilu- culum, Meridies, Crepusculum und Media Nox). Das große QOuadrat enthält außerdem die zwölf Zeichen des Thierkreises, die vier Himmelsgegenden, die vier Hauptwinde, die vier Temperamente und die vier Elemente. Die nach den Entwürfen und Modellen des Prof. Schneider in Kassel in der Kunstgießerei von C. L Becker in Iserlobn gegossene Probethür zum westlichen Seiteneingange des Südportals (Ursula⸗Pforte) wurde im Herbst 1890 fertiggestellt und an Ort und Stelle versetzt. Der feststehende Obertheil enthält die vier Wappenschilde mit dem deutschen Reichswappen, dem preußischen Wappen, dem alten Stiftswappen und dem Kapitelswappen, während auf den Thürflügeln die Inschrift „O felix Germania tam decoro germine virginum ornata Beata Colonia pretioso sanguine mar- tyrum dicata“ in reich verzierter Mauskelschrift angebracht ist. Als Zeitpunkt der Vollendung der beiden Mittelthüren des Südportals ist der Herbst 1891 in Aussicht genommen. Gleichzeitig wird auch die nach den Entwürfen des Bildhauers Mengelberg in Utrecht angefer⸗ tigte Bronzethür ihrer Vollendung entgegengehen und in die westliche

MNiittelthür des Nordportals eingefügt werden. Als bildlichen Schmuck

erhält diese Probethür die Reliefs mit den Darstellungen der thörichten Jungfrauen, wie der vier Menschenalter und der vier Jahreszeiten. Der in Folge der Abtragung des Domhofes von der

Stadt Köln auszuführende Umbaun der Südportaltreppe ist im April 1891 entspreckend dem von der Dombauverwaltung ausgearbeiteten Ent⸗ wurfe zur Ausführung gekommen. Eine Verzögerung des Beginns der Arbeiten wurde durch die von der städtischen Verwaltung in Vor⸗ schlag gebrachten baulichen Abänderungen des Entwurfs, bestehend in der Anlage einer Rampe an der Westseite und die Beschränkung des Podestes und der Seitentreppen auf eine Breite von zwei Meter, herbeigeführt. Durch Ministerial⸗Erlaß ist eine endgültige Entscheidung dahin getroffen, daß von den Abänderungen, welche die Stadt Köln dem Entwurfe des Dombanumeisters Voigtel gegenüber vorgelegt bat, Abstand zu nehmen. und mithin an Stelle der Rampen⸗Anlagen eine Treppe auszuführen, desgleichen die Breite des großen Podestes nebst Seiten⸗ treppen auf mindestens 3 m zu bemessen sei. Nachdem durch Ministerialerlaß eine entsprechende Beschränkung der Breite des Treppenpodestes am Südportale Behufs Anlage eines 1,40 m breiten Trotioirs genehmigt war, konnte der Bau der Südportaltreppe in Angriff genommen werden, und erhielten der Treppenpodest wie die Seitentreppen bei der Ausführung eine Breite von 2,885 m. Auf Grund des festgesetzten Aligrementsplanes zur Freilegung des Domes an der Süd⸗ und Westseite sind zwei Häuser niedergeleat, ein weiteres durch den Central⸗Dombauverein angekauft worden. Die Erben des in Köln verstorbenen Dr. med Piecq, Mitgliedes des Central⸗Dombau⸗ vereins, hoben die Abtheilung eines Fensters in der füdlichen Thurm⸗ halle zum Andenken des Verstorbenen gestiftet; bisher sind im Ganzen vier Abtheilungen der Glasgemälde in den Thurmhallen von Geschenkgebern gegen Zahlung eines Geldbetrages von 1050 2e und mit den Wappen und Donatoren⸗Inschriften versehen.

ck. In der „Baverischen Gewerbe⸗Zeitung“ wird die Aufmerk⸗ samkeit auf einen neuen Stoff für das Bau⸗ und Kunstgewerbe ge⸗ lenkt. Unter dem Namen „Vitrit“ bringt nach der „Gew⸗Schau“ die Glasfabrik zu Burzlau in Schlesten ein ihr in Deutschland patentirtes eigenartiges Material in den Handel, welches geeignet sein dürfte, die Aufmerksamkeit weiterer Kreise in Anspruch zu nehmen. Das Vitrit kennzeichnet sich als eine innige Vereinigung einer Glasschicht mit einer Unterlage aus zähem Kunststein; es sind also die beiden Aufgaben, welche der aus Glas und Stein zusammengesetzte Körper erfüllen soll das Ansehen und die Festigkeit zwei verschiedenen Trägern zugewiesen, indem die dünne Glasschicht durch ihre Schön⸗ heit glänzen und die Hauptschicht durch ihre Festigkeit wirken soll. Die äͤußere Fläche, welcher alle die mannigfachen Verzierungen des Glases verliehen werden können, giebt dem Vitrit nach außen hin die monumentale Wirkung, den passiven Widerstand gegen Wetter, Feuchtigkeit und Frost.

Der Vorsteher des an interessanten Funden. namentlich aus der Altmark, reichen Museums des Altmärkischen Vereins für vater⸗ ländische Geschichte ꝛc. in Salzwedel Gymnasiallehrer K. Gaedcke und der Apotheker Zechlin unternabmen nach einem Bericht der „N. A. Z“ vor Kursem auf dem nächst der altmärkischen Grenze gelegenen Urnengräberfeld von Rebensdorf Aus⸗ grabungen, welche von außerordentlichem Erfolge gekrönt waren. Sie fanden außer vielen anderen Urnen eine solche mit Mänanderverzierung, wie sie, wenn auch selten, auf Gräberfeldern der späteren römischen Kaiserzeit vorkommen, ferner ein höchst seltenes Fundstück, rämlich eine „Fensterurne“, eine Urne, in deren Boden bei der Herstellung ein Stück Glas eingesetzt ist, und zwar in den feuchten Thon, also vor dem Brennen des Gefäßes Von diesen kostbaren Urnen birgt das Museum in Oldenburg eine, welche bei Lüerte, Amt Wildbausen, gefunden ist; zwei bei Borstel, nabe Stendal gefundene befinden sich im Stendaler Museum. Im Museum zu Hannover steht eine Fensterurne von Hohenwedel bei Stade; ferner wurde eine solche bei Brockenwalde nahe Rützebüttel gefunden, sowie eine angeblich bei Mogilno in Posen. Die von Hrn Gaedcke gefundene Fensterurne ist somit die siebente, welche überhaupt aus Deutschland bekannt wird; sie ist eine der schönsten, da sie außen reich versiert und außerdem das Fenster, das aus einem Bruchstück eines römischen Becherglases her⸗ gestellt ist, von besonderer Größe und kreisrund ist. Diese Fenster⸗ urnen entstammen sämmtlich der späteren römischen Kaiserzeit; bei den oben genannten Stücken aus Borstel wurden unter Anderem als besonderer Beweis dafür eine römische Schale aus Terra sigillata gefunden mit dem Stempel CINTVGNATVY, sowie sogenannte pro⸗ vinzialrömische Bronzefibeln (Gewandnadeln). Außerhalb Deutsch⸗ lands sind drei Fensterurnen, eine aus Norwegen, eine aus Schweden und eine aus England bekannt, im Ganzen also elf, davon sieben deutsche. Ueber den Zweck dieser eigen⸗ artigen Vorrichtung an Urnen, die stets mit Leichenbrandresten gefüllt gefunden wurden, gehen die Ansichten der Gelehrten weit auseinander. Das letzte Wort dürfte auch wohl noch nicht zu sprechen sein, da erst so wenige derartige Funde bekannt geworden, auch bei den meisten die näheren Fundumstände nicht genügend beobachtet sind. Einige Forscher nehmen an, daß diese Fenster, wie auch die an einigen anderen, meist äͤlteren Urnen bei der Verfertigung hergestellten kleinen runden Löcher im Boden oder der Bauchwandung als ein neuer Beweis für den Glauben an ein Fortleben nach dem Tode, eine Auferstehung, an⸗ zusehen seien, wofür ja die ganzen mythologischen Vorstellungen der alten Germanen, namentlich die lichterfüllte, himmlische Ruhmes⸗ halle für die gefallenen Krieger, die Walballa, sowie die Mitgabe der Waffen und Schmucksachen bei der Bestattung auf das Deutlichste Zeugniß ablegen. Es wären dann die Fenster und absichtlich angebrachten Löcher der Weg für die Seele, um zu den irdischen Resten des Todten zurückzugelangen. Bei den mit Löchern versehenen Urnen würde für diese Ansicht der Umstand sprechen, daß sie mit der Mündung nach unten über die Knochen gestülpt jind. Die Fensterurnen stehen indessen mit dem Boden, also auch dem darin befindlichen Fenster, nach unten; letztere bätten also für den angegebenen Zweck keinen rechten Sinn, da die nach oben stehende Mündung des Gefäßes einen bequemeren Zugang gewährt. Andere Gelehrten halten die Fensterurnen für Lampen oder Ampeln; doch fehlen dafür die Aufhängungsvorrichtungen, auch würden die sehr kleinen Fenster am Boden nur eine sehr geringe Lichtmenge. und zwar nur nach unten, durchlassen, was gegen einen derartigen Ge⸗ brauch spricht. Die Lösung dieses Räthsels aus der Vorzeit steht also noch aus.

Die Königliche Eisenbahn⸗Direktion zu Berlin macht zugleich Namens der übrigen betheiligten Verwaltungen bekannt, daß die Main⸗Neckarbahn noch nicht, wie früher angegeben war, dem allgemeinen Ausnahmetarif für Getreide, Hülsenfrüchte und Mehlfabrikate beigetreten ist, da die Bahn die Genehmigung hierzu noch nicht von allen betheiligten Regierungen erhalten hat.

Der heutigen Nummer dieses Blattes liegen die Winter⸗ Fahrpläne der den Königlichen Eisenbahn⸗Direktionen zu Magde⸗ feld unterstellten Eisenbahnlinien bei.

burg, Erfurt und Elberf Bremen, 17. September. (W. T. B.) Norddeutscher

Lloyd. Der Schnelldampfer „Kaiser Wilhelm II.“, von New⸗York kommend, passirte heute früh Lizard. Der Schnell⸗ dampfer „Trave“ hat vorgestern Nachmittag und der Schnell⸗ dampfer „Elbe“ gestern Nachmittag die Heimreise von New⸗York nach der Weser angetreten. Der Schnelldampfer „Havel'’ ist von New⸗York gestern Morgen in Nordenham eingetroffen. Der Schnelldampfer „Lahn“ ist gestern Nachmittag von Sou⸗ thampton nach New⸗York weitergefahren. Der Dampfer „Habsburg“ ist gestern in Baltimore angekommen. Der Dampfer „Kronprinz Friedrich Wilhelm“, vom La Plata eeng; hat gestern von Vigo die Heimreise nach der Weser fort⸗ esetzt.

w 80 18. September. (W. T. B.) Der Postdampfer „Ohio“ nach dem La Plata bestimmt, hat am 16. September Nachmittags

F. Quessant passirt. ““

Hamburg, 18. September. (W. T. B.) Hamburg⸗ Amerikanische Packetfahrt⸗Aktiengesellschaft. Der Post⸗ dampfer „Fürst Bismarck' ist, von Nem⸗York kommend, heute Morgen 9 Uhr auf der Elbe eingetroffen. 3 London, 17. September. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „German“ ist auf der Ausreise heute von den Canarischen Inseln abgegangen. .“

Theater und Musik.

8 Deutsches Theater.

Das gestern Abend zur ersten Aufführung gelangte Lustspiel „Der blaue Brief“ errang im Allgemeinen einen sogenannten Achtungserfolg, welcher aber nach den beiden letzten Akten durch einigen Widerspruch etwas beeinträchtigt wurde. Der Verfasser Rudolf Stratz, dessen Name als dramatischer Dichter hier zum ersten Male erscheint, hat seinen Stoff dem Soldatenleben entnommen, welches schon manchem modernen Lustspiel zu einem durchschlagenden Erfolge verholfen hat; man erinnert sich gern des Moser⸗Schönthan⸗ schen Lustspiels „Krieg im Frieden“, der Schumann⸗Wolzogen’schen „Kinder der Excellenz“, ganz abgesehen von dem „hors concours“ stehenden klassischen und freilich schon mehr als bhundertjährigen Vorbild, welches Lessing mit seiner „Minna von Barnhelm“ ge⸗ schaffen hat.

Die gestrige Novität erhebt den Anspruch, der vornehmeren Gattung des Lustspiels, welches in seinen ernsteren Konflikten sich dem gehaltvolleren Schauspiel anreiht, zugezählt zu werden. In der Seele der Heldin spielt sich der alte Kampf zwischen Reichthum und Liebes⸗ glück ab; schon bereit, ihre Hand ohne ihr Herz zu verschenken, wird ihr dies Opfer durch eine Reihe ebenso theatralischer wie unnatürlicher Vorfälle erspart, und die von jedem jungen Menschenkinde heiß er⸗ sehnten Güter, Liebe und Reichthum, fallen ihr in den Schoß

Der Verfasser verdient lebhafte Anerkennung für das erfolgreiche Bestreben, seinem Lustspiel einen eigenartigen, durch den Rang und Stand der handelnden Personen bedingten Stempel aufzudrücken. Das Personenverzeichniß weist mit einer einzigen unbedeutenden Aus⸗ nahme nur Offiziere und Offizierstöchter auf, deren Kümmernisse durch die Anschauungen der Standesgenossen und die Rücksichten auf sie entstehen, aber auch gehoben werden. Eine lebendige überzeugende Wirkung übte eigentlich nur der erste Akt aus, welcher das Leben und Treiben in einem Miilitär⸗Casino schildert; hier treten die einzelnen Figuren zumeist nur Egpisodenfiguren plastisch hervor; mit behaglicher Breite werden humorvolle Persön⸗ lichkeiten und ihre soldatischen Scherze und Witze vorgeführt, sodaß man zeitweise an die harmlose und liebenswürdige Heiterkeit der Hackländer'schen Soldatengeschichten gemahnt wird. Weniger günstig für das Lustspiel erweist es sich freilich, daß der novellistische Eindruck des ersten Aktes sich in den folgenden Akten eher steigert als abschwächt. Die Handlung entbehrt der Einheitlichkeit, des straffen Zusammenfassens; sie zerflattert in viele einzelne Fäden, welche, anstatt lebendig in einander einzugreifen, lose nebeneinander her laufen. Wenn der Verfasser, der auf dem Gebiete der dramatischen Dichtung hier den ersten Schritt thut. in künftigen Arbeiten den Vorgängen auf der Bühne den hier noch mangelnden inneren logischen Zusammenhang zu geben vermag, so wird dadurch auch die Charakterschilderung an Tiefe und Lebens⸗ feische gewinnen; daß er Anlagen dazu hat, die komischen und heiteren Seiten des menschlichen Gemüths mit knappen Strichen zu zeichnen, bewies der erste Akt.

Die vortreffliche Darstellung, welche dem Stück zu Theil wurde, half über manche Schwächen des Lustspiels glücklich hinweg. Die weibliche Hauptrolle Valeska spielte Frl. Heinsdorf mit treffendem Ausdruck für schmerzliche Entsagung und schwermüthige Empfindung. Frl. Lehmann als Elly war voll liebenswürdiger Schelmerei, aber oft zu un⸗ genirt und derb für ein Edelfräulein, währendFrl. Meyverin ihrer einfachen, soliden Anmuth den Typus einer leichtherzigen Operettensängerin nicht darzustellen vermag. Durch Frische und Natürlichkeit des Spiels trat Frl. Retty (Käthe von Herg) erfreulich hervor. Einen tollen, durch eine ernste Liebe umgewandelten Ulanen⸗Lieutenant Wolfsteyn spielte Hr Kadelburg mit Verve und Geschmack. Hr. Nissen als Excellenz von Lindow erfreute durch die maßvolle Sprache und vornehme Haltung, die er allen seinen Figuren zu geben vermag. Einen köstlichen, polternden Rittmeister a. D. schuf Hr. Engels in der Rolle des Freiherrn Kunz.

Lebhafter Beifall veranlaßte den Verfasser, nach allen Aktschlüssen dankend vor der Gardine zu erscheinen.

Berliner Theater.

Gestern Abend wurde das Schauspiel „Die Neuvermählten“ von Björnson, aus dem Norwegischen von Wilhelm Lange in das Deutsche übertragen, zum ersten Male gegeben. Das im Jahre 1872 entstandene und von seinen Aufführungen im Deutschen Theater ber hier wohlbekannte Stück ist unnatürlich in seiner Anlage, indem es eine junge Frau vorführt, die, ganz von der Liebe zu den Eltern eingenommen, sich an die Gattenliebe nicht gewöhnen kann, darin von den Eltern unterstützt wird und ein volles Zahr dazu braucht, um durch die Eifersucht auf die in ihrem Hause lebende edle, denselben Mann unglücklich und entsagungsvoll liebende Freundin zur Erkenntniß ihrer eigenen Liebe zu kommen. Die geistvolle Behandlung dieses Gegenstandes durch den nordischen Dichter und das vollendete Spiel sämmtlicher Darsteller verhalfen dem Stück auch an dieser Bühne zu einem guten Erfolge. Die Auf⸗ führung bot ein besonderes Interesse dadurch, daß die beiden beliebten Künstlerinnen Agnes Sorma und Nuscha Butze als Laura, die Neuvermählte, und als Mathilde, ibre Freundin, zum ersten Mal gemeinschaftlich auftraten. Das Elternpaar wurde von A ntonie Baumeister und Ferdinand Suske, der junge Ehemann, die einzige glückliche und natürliche Rolle dieses Stückes, von Ludwig Stahl dargestellt.

Das darauf folgende auch bereits von früher bekannte Lustspiel „Die Jugendliebe“ von Adolf Wilbrandt bot Agnes Sorma in der Rolle des übermüthigen Backfisches „Adelheid“ Ge⸗ legenheit zur Entfaltung ihres ganzen Talentes. Die ihr zu Theil gewordene Rolle in diesem fein angelegten Lustspiel entspricht vollständig der Eigenart der geschätzten Künstlerin. Im höchsten Grade ergötzlich zeigte sie sich in dem lehrhaften Ton, den sie in ihrer unreifen Liebe dem Jugend⸗ gespielen gegenüber annimmt, und voll unübertrefflichen Humors war sie im Verkehr mit dem fremden Mann, der es sich herausgenommen hatte, ihr nach dem Sturz vom Pferde aus dem Graben zu helfen und sie auf ihre Schwächen aufmerksam zu machen. Das Abstreifen ihrer unreifen Jugendliebe und die allmähliche Entstehung der Liebe zu dem verhaßten Lebensretter und Lehrmeister wurde meisterhaft von ihr dargestelt. Auch die übrigen Rollen waren gut besetzt. Antonie Baume ister als die taube Tante des verwöhnten Back⸗ fisches, Frau von Rosen; Ida Bauer als seine Freundin, die Gärtnerstochter Betty; Albert Schindler als der Jugendgesviele Heinrich Roller; Ludwig Stahl, dem es als Ferdinand von Bruck gelingt, die Liebe der Adelheid zu erringen, und Theodor Weiß als Gärtner Hildebrand fanden mit Agnes Sorma durch den leb⸗ haften Beifall des gut besetzten Hauses die wohlverdiente Anerkennung.

Concerthaus.

Das Eröffnungs⸗Concert, welches gestern stattfand, war ungemein zahlreich besucht. Außer beliebten Ouvertüren von Weber, Wagner und Thomas führte die Kapelle noch die Introduktion und den Frauen⸗ chor aus „Lohengrin“, eine Fantasie aus „il Trovatore“, das Vorspiel, die Siciliana und das Intermezzo aus der neuen Oper „Cavalleria rusticana“ von Mascagni aus. Diesen reihten sich noch ein neuer Walzer von Waldteufel, eine Balletmusik von Tschaikowsky, zwei neue Märsche des Dirigenten 88 Meyder und einige Solovorträage des Frl. M. inzer (Harfe), des Hrn. A. Smit (Cello) und des Hrn. Böhme (Cornet) an. Die Leistungen der Kapelle wie die der Solisten, unter denen nur die Harfenistin durch das Springen einer Saite im Vortrag gehemmt wurde, erfreuten sich lebhaften Beifalls. Einen ganz besonderen An

ziehungspunkt bildete der neu erbaute Wagner⸗Saal. Die wenig